24.11.2015 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 138 / Tagesordnungspunkt I.5

Bärbel HöhnDIE GRÜNEN - Einzelplan Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit

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Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Lemme hat eben schon darauf hingewiesen: In wenigen Tagen startet die Klimakonferenz. – Auf dieser Klimakonferenz wird es darum gehen, dass wir einen Vertrag schließen, der dafür sorgt, dass auch unsere Kinder und Enkelkinder noch auf diesem Planeten leben können. Dass wir ihnen die Lebensgrundlage bewahren, darum geht es bei diesem Vertrag.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Josef Göppel [CDU/CSU])

Wenn wir das nicht machen, wenn wir nicht dafür sorgen, dass zum Beispiel die Menschen im Tschad, wo die Temperaturen schon jetzt 50 Grad betragen, nicht noch mehr in Probleme kommen, wenn wir nicht dafür sorgen, dass die Menschen auf den Philippinen nicht noch mehr mit Überschwemmungen konfrontiert werden, dann werden diese Menschen zu uns kommen. Was das bedeutet, haben uns die Flüchtlinge, die in den letzten Monaten gekommen sind, deutlich gemacht. Das heißt, es geht hier auch um vorbeugende Politik. Es geht darum, dass wir hier in Deutschland Klimaschutz machen. Es geht darum, dass wir auf dieser Erde dieses Problem gemeinsam angehen. Wir dürfen nicht sagen: Die anderen sollen mehr tun als wir.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Dass wir als Delegation des Deutschen Bundestages zu dieser Klimakonferenz fahren und dort auch mit den anderen Kollegen diskutieren können – es ist übrigens Tradition bei den Klimapolitikern, die Ziele, die wir in Deutschland beschlossen haben, etwa den Ausstieg aus der Atomkraft, die Energiewende, CO2-Reduktion um 40 Prozent bis 2020, gemeinsam, in großer Geschlossenheit auf den Klimakonferenzen zu vertreten –, haben wir nicht dem Parlament zu verdanken, nicht dem Bundestagspräsidenten, sondern der Umweltministerin. Sie nimmt uns mit in ihrer Delegation. Dafür bedanke ich mich gerade auch als Ausschussvorsitzende sehr herzlich; denn ich glaube, dass wir für Deutschland damit einiges erreichen können.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie des Abg. Josef Göppel [CDU/CSU])

Nun ist Politik immer auch Symbolpolitik. Symbole sind ein ganz wichtiger Teil der Politik. Deshalb hat mich eines geärgert, nämlich: Wir haben als Umweltausschuss in der Gemeinsamkeit, die ich beschrieben habe, im Rahmen der Großen Koalition von 2005 vorgeschlagen, dass die Flugreisen und die Fahrten mit dem Fuhrpark, die wir machen, CO2-kompensiert werden. Das ist damals geschehen, und das war eine gute Sache. Schwarz-Gelb hat die Kompensation abgeschafft, deshalb haben wir vor anderthalb Jahren erneut einen Vorstoß gemacht. Die Umweltministerin hat ihn umgesetzt. Die Bundesregierung wird – das ist der Ansatz in diesem Haushalt – ihre Flugreisen und Fahrten kompensieren. Die Haushälter der Großen Koalition haben das ihren Klimapolitikern jedoch versagt. In diesem Jahr wie im letzten Jahr werden wir die absurde Situation haben, dass wir beschließen: Die Bundesregierung darf kompensieren, aber die Abgeordneten dürfen es nicht. Das finde ich wirklich kleinlich, peinlich und auch sehr provinziell.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN)

Warum sage ich das? Weil das aus meiner Sicht das schlechte Ende eines verlorenen Jahres für den Klimaschutz ist. Im letzten Jahr ist hier von der Umweltministerin ein Plan vorgestellt worden,

(Bartholomäus Kalb [CDU/CSU]: Das ist doch alles Placebo!)

CO2 zu reduzieren. Jeder muss seinen Beitrag erbringen, auch die Energiewirtschaft, die 40 Prozent des CO2-Ausstoßes verursacht. Und was ist passiert? Am Ende gab es keine Abgabe für Braunkohlenkraftwerke, weil gerade CDUler sich an die Spitze der Bewegung für die Braunkohle gestellt haben. Das war wirklich peinlich, meine Damen und Herren. Jetzt haben wir eine Subvention für Braunkohle und eine Blockade bei der Photovoltaik.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)

Das ist wirklich das Gegenteil von Klimaschutz.

Gehen wir doch einmal andere Bereiche durch. Wir waren in der Vergangenheit nicht nur Vorreiter beim Klimaschutz, sondern wir waren es auch im Umweltbereich. Betrachten wir einmal die Sustainable Development ­Goals, bei denen wir in der Gesamtheit als Deutsche gar nicht so schlecht dastehen. In den Umweltpunkten stehen wir mittlerweile aber ganz weit hinten. Da sind wir unter den letzten 15 Prozent der OECD-Länder, gleichauf mit Ungarn. Herzlichen Glückwunsch!

(Zuruf von der CDU/CSU): Was soll denn das heißen?)

Wo sind die Defizite? Sie zeigen sich bei der Luftqualität in den Städten. Sie zeigen sich beim Verlust von Artenvielfalt. Sie zeigen sich bei der schlechten Qualität des Wassers, bei der Lebensmittelverschwendung und beim Abfall. In diesen Punkten werden die Umweltziele gerissen. Und woran liegt das im Wesentlichen? Es liegt daran, dass diese Bundesregierung zwei wesentliche Fehler macht. Sie macht eine falsche Landwirtschaftspolitik, und sie macht eine falsche Verkehrspolitik, und das muss sich ändern.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir haben ein Vertragsverletzungsverfahren bei der Nitrat-Richtlinie. Wir haben ein Vertragsverletzungsverfahren beim Feinstaub, bei NO 2 und auch bei der FFH-Richtlinie. NO 2 ist ja jetzt gerade durch den VW-Skandal wirklich in den Mittelpunkt gerückt: 7 000 Tote allein durch den Ausstoß von NO 2 im Diesel – 7 000 Tote! –, das leisten wir uns mal. Umweltschutz ist Gesundheitsschutz, meine Damen und Herren. Auch aus diesem Grund müssen wir mehr Umweltschutz machen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Aber auch, was den Klimaschutz angeht, ist der Verkehrsbereich weit hintendran. Mittlerweile ist das auch Verbrauchertäuschung. Wenn ein Auto, das man sich heute neu kauft, 40 Prozent mehr Sprit verbraucht, als auf dem Papier steht, dann ist das Verbrauchertäuschung, und dann ist das auch gegen den Klimaschutz. Das geht so nicht weiter.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Bartholomäus Kalb [CDU/CSU]: Haben Sie jemals geglaubt, was auf dem Papier steht?)

In den letzten fünf Jahren hat es bei den Neuwagen keine Reduktion von CO 2 und keine Steigerung der Energieeffizienz mehr gegeben. Es kann nicht sein, dass die Kreativität der Ingenieure mittlerweile darauf gerichtet ist, legal und illegal zu schummeln, und nicht mehr darauf, die Energieeffizienz zu verbessern. Das darf in einem Autoland wie Deutschland nicht sein.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ansonsten gefährden Sie nämlich die Arbeitsplätze in genau dieser Branche.

Ihre eigenen Experten haben Ihnen übrigens in diesem Jahr bescheinigt, dass die Erreichung des Ziels, bis 2020 den CO2-Ausstoß um 40 Prozent zu reduzieren, erheblich gefährdet ist. Das tun also nicht nur wir, sondern mittlerweile auch Ihre eigenen Experten. Sie unternehmen hier einfach zu wenig.

Das gilt auch für den Gebäudebereich. Wir könnten endlich loslegen bei der Gebäudesanierung, indem wir nicht nur die Hülle oder die Dämmung betrachten, sondern reingehen mit erneuerbaren Energien und mit Kraft-Wärme-Kopplung und gemeinsame Konzepte für die Quartiere entwickeln. Und da wird viel zu wenig getan. Da muss die Große Koalition ran. Es muss auch in diesem Bereich endlich etwas für den Klimaschutz getan werden.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir sehen, dass es zunehmend wieder eine Zuwendung zu fossilen Energien gibt. Wir sehen, dass damit die Zukunft der Arbeitsplätze gerade auch im Bereich der Erneuerbaren gefährdet wird. Wir sagen auch deshalb: Wir sehen bei der Großen Koalition keinen Mut, sich für die Zukunft zu entscheiden. Wir sehen keinen Plan, wie man es schaffen kann, wirklich CO2 zu reduzieren und die Ziele zu erreichen, die man sich vorgenommen hat. Wir sehen auch kein Herz für die Menschen zum Beispiel in Bangladesch, in Afrika und auf den Philippinen, die jetzt schon Opfer des Klimawandels sind und deren Leben und Existenz durch Dürren und Überschwem­mungen gefährdet sind. Haben Sie also mehr Mut, mehr Plan und mehr Herz!

Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Für die CDU/CSU spricht jetzt der Kollege Josef Rief.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/6207002
Wahlperiode 18
Sitzung 138
Tagesordnungspunkt Einzelplan Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit
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