24.11.2015 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 138 / Tagesordnungspunkt I.5

Christian HirteCDU/CSU - Einzelplan Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit

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Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Kaum ein anderes Thema beherrscht die Debatten dieser Tage so sehr wie die aktuelle Flüchtlingskrise und die damit im Zusammenhang stehende Politik. Kaum ein anderes Thema wird auch außerhalb der Politik so stark und auch kontrovers diskutiert wie dieses, sei es bei Bürgerversammlungen, sei es am Stammtisch oder im Verein und selbst im Freundeskreis und in der Familie.

(Christian Kühn [Tübingen] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Oder in der CDU-Fraktion! – Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Oder beim CSU-Parteitag!)

Dabei erlebt die Debattenkultur ein Niveau, das, freundlich formuliert, gelegentlich verbesserungswürdig ist.

Die Heftigkeit der Auseinandersetzungen steht natürlich auch in unmittelbarem Zusammenhang mit der Größe der Herausforderungen und der Schwere der Aufgabe. Deswegen komme auch ich heute nicht umhin, den Etat des BMUB wenigstens ein Stück weit in diesen epochalen Gesamtzusammenhang mit diesem Thema zu stellen.

Dass die deutsche Politik mit ihren begrenzten Ressourcen dabei auf vielen Kontinenten ansetzen muss, zeigt allein der Blick auf die Statistik der Herkunftsländer der Asylbewerber in Deutschland. Zur Stärkung und Stabilisierung der Regionen haben wir seit 2012 mehr als 1 Milliarde Euro zur Verfügung gestellt. Weitere 400 Millionen Euro sind allein für 2016 zur Krisenbewältigung und -prävention in den Haushalt des Auswärtigen Amtes aufgenommen worden. Frau Höhn, es ist also nicht so, dass sich der Bund nicht engagieren würde. Im Gegenteil: Wir sind intensiv engagiert.

Nicht nur die Flucht aus politischen und religiösen Gründen oder vor Bürgerkriegen ist weltweit ein Grund für anschwellende Flüchtlingsströme. Vielmehr haben Naturkatastrophen im vergangenen Jahr über 20 Millionen Menschen zum Verlassen ihrer Heimat gezwungen. So wichtig die Auseinandersetzung mit dem Terror und den Konfliktherden der Welt ist, so wichtig bleibt auch die Auseinandersetzung mit den Folgen des Klimawandels. Paris im Jahre 2015 darf daher nicht allein zum Synonym für einen barbarischen Akt des Terrors werden, sondern Paris muss auch ein klares Bekenntnis der Weltgemeinschaft sein, das 2-Grad-Ziel zu erreichen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Eine Studie von Bloomberg hat gerade festgestellt, dass die Entwicklungsländer aktuell mehr Geld für saubere Energie ausgeben als die reichen entwickelten Länder.

(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sehr gut! – Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Genau! – Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was ist Ihre Konsequenz daraus?)

An der Spitze dieser Entwicklung marschiert zurzeit China. Auch Indien will sich auf einen ähnlichen Weg begeben. Die Bloomberg-Studie geht davon aus, dass bis 2040 die Entwicklungsländer doppelt so viel sauberen Strom erzeugen wie die reichen OECD-Länder. Das ist gut, wenn man die Entwicklungsländer sieht, und zugleich erschreckend, wenn man die OECD-Länder sieht.

(Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Machen Sie doch etwas gegen die Braunkohle!)

Nach dieser Studie, Frau Höhn und Frau Lemke, sticht allein Deutschland bei den OECD-Ländern – auch in der Perspektive 2040 – positiv heraus.

(Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Weswegen? Wegen des EEG, das Sie gerade abwürgen!)

Dafür haben wir nicht nur im Bereich der erneuerbaren Energien einiges getan.

(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das wollen Sie doch gerade beenden!)

Im Haushalt von Frau Hendricks erhöhen wir 2016 die Investitionen zum Schutz des Klimas und der Biodiversität im Rahmen unserer Internationalen Klimaschutzinitiative um über 75 Millionen Euro auf dann rund 340 Millionen Euro. Insgesamt wird Deutschland seine internationale Klimaschutzfinanzierung – wir haben das gerade gehört – bis 2020 verdoppeln. Andere müssen unserem Beispiel noch folgen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Zur Wahrheit gehört aber auch, dass alle bisher angekündigten Maßnahmen nicht ausreichen, um den Klimawandel zu stoppen, selbst wenn sie realisiert werden sollten. Trotzdem entbindet dies kein Land, schon gar nicht uns Verantwortungsträger in Deutschland, den Weg in die richtige Richtung einzuschlagen und auch dafür zu werben. Auch in Deutschland sind die Folgen des Klimawandels für Mensch und Umwelt spürbar. Leid bringt der Klimawandel aber vor allem jenen Ländern, in denen ohnehin die Ärmsten der Armen wohnen. Wer will es diesen Menschen schon übel nehmen, dass sie ihr Schicksal selbst in die Hand nehmen und ihr Glück woanders – eventuell auch bei uns in Europa – suchen? Es ist deshalb nicht nur für den globalen Klimaschutz Zeit, den Klimawandel abzubremsen, sondern liegt auch und gerade in unserem eigenen nationalen, durchaus innenpolitischen Interesse. Deutschland muss sich dabei nicht verstecken, Frau Höhn. Mit dem Zukunftsinvestitionsprogramm haben wir die Mittel für die Nationale Klimaschutzinitiative um 450 Millionen Euro aufgestockt. Die Mittel werden überwiegend zur Umsetzung des Aktionsprogramms Klimaschutz 2020 und zur Erreichung der deutschen Klimaschutzziele eingesetzt. Konkret geht es dabei vor allem darum, Kommunen bei Investitionen in Klimaschutzprojekte zu unterstützen. Auch die Förderung von Klimaschutz in Unternehmen, im Mittelstand und im Handwerk wird ausgebaut.

Der zweite Schwerpunkt sind – mein Kollege Rief hat schon darauf hingewiesen, ebenso der Kollege Nüßlein – Investitionen in die Stadtentwicklung und das Thema „bezahlbares Wohnen“. Mit rund 300 Millionen Tonnen Kohlendioxid verursacht der Gebäudesektor rund ein Drittel der deutschen Treibhausgasemissionen. Wahrscheinlich gibt es hier im Haus sogar einen Konsens, dass wir die Quote bei der energetischen Gebäudesanierung erhöhen müssen. Einigkeit besteht wahrscheinlich auch noch, dass wir dazu zusätzliche Anreize für die Baubranche und die Hauseigentümer benötigen. Ich persönlich meine – auch aufgrund meiner Erfahrung als Anwalt für Steuerrecht –, dass steuerliche Anreize die größte Lenkungswirkung entfalten. Deswegen bin ich den Vorrednern für den Hinweis dankbar, dass wir über die steuerliche Förderung der energetischen Sanierung und auch ganz allgemein über die AfA diskutieren müssen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Herr Kollege Hirte, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Kühn?

Sehr gerne.

(Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Bisher war Ihre Rede ganz gut! – Heiterkeit beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der CDU/CSU)

Herr Kollege Hirte, ich frage Sie jetzt in Ihrer Eigenschaft als Fachanwalt für Steuerrecht: Glauben Sie nicht auch, dass es für diejenigen, die sich jetzt überlegen, ob sie ihr Gebäude oder ihre Wohnung modernisieren und ob sie investieren sollen – es kann sich auch um eine Wohnungseigentümergemeinschaft handeln –, unerträglich ist, nicht zu wissen, ob eine Steuerförderung kommt oder ob sie nicht kommt? Jetzt ist die Steuerförderung im Januar gescheitert, und die Union treibt in dieser Debatte die, ich sage einmal, Sau Steuerförderung weiterhin durchs Dorf und verunsichert Investoren in Deutschland. Sie macht ihnen Hoffnung, dass diese Steuerförderung noch kommt.

Ich finde das unerträglich, weil Sie damit dazu beitragen, dass jetzt Investoren sagen: Ich halte mich erst einmal zurück und warte, bis die Steuerförderung kommt. – Ich frage Sie ganz ernsthaft: Halten Sie es nicht für unverantwortlich, eine solche Politik zu machen?

Die zweite Frage, die ich habe, ist: Wann bringen Sie als Koalitionsfraktion hier einen Antrag auf Steuerförderung ein? Dann können wir alle ihm gemeinsam zustimmen; denn hier gibt es eine breite Mehrheit dafür, das zu machen.

Herr Kollege Kühn, ich glaube, Sie haben einen Umstand noch nicht ganz zur Kenntnis genommen und vielleicht auch nicht verstanden, nämlich dass wir in der Wohnungsbauwirtschaft momentan eine sehr erfolgreiche Entwicklung haben, unabhängig davon, ob wir momentan darüber diskutieren, ob eine weitere steuerliche Förderung kommt.

(Dr. Julia Verlinden [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber es wird doch nicht saniert! Es wird nicht energetisch saniert! Das ist, wo wir es bräuchten!)

Frau Ministerin Hendricks hat in ihrer Rede ausgeführt, dass wir jährlich etwa 350 000 zusätzliche Wohnungen benötigen. Das heißt, über den momentan sich gut entwickelnden Wohnungsbau hinaus brauchen wir ein weiteres Programm, um den Wohnungsbau noch stärker anzureizen.

(Dr. Julia Verlinden [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist doch nicht die Frage!)

Deswegen ist es notwendig, dass wir über Maßnahmen nicht nur im staatlichen Bereich nachdenken, sondern zum Beispiel auch über Maßnahmen zur steuerlichen Förderung, um den Wohnungsbau noch stärker anzureizen.

(Dr. Julia Verlinden [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es ging um die energetische Sanierung! – Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir reden über Gebäudesanierung!)

Wenn Sie nachfragen, wie wir dafür Sorge tragen können, ein solches Programm zur steuerlichen Förderung auf den Weg zu bringen, dann ist diese Frage durchaus berechtigterweise an die CDU, an die SPD und an die Bundesregierung gerichtet, sie ist aber mindestens genauso berechtigt den Bundesländern zu stellen, die natürlich ihren Anteil an den steuerlichen Ausfällen, die sich in der Folge ergeben, mittragen müssen.

(Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir haben den Antrag doch eingebracht! Sie haben dem nicht zugestimmt! – Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Warum haben Sie ihn abgelehnt?)

Das heißt, Sie können sich durchaus in den Bundesländern engagieren, in denen Sie Mitverantwortung tragen.

(Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es hängt doch nicht an uns! Was reden Sie denn da?)

So können wir gemeinsam, nämlich die Koalition in Berlin und die Bundesländer, das auf den Weg bringen. Dazu sind Sie herzlich eingeladen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Ich wünsche unserer Kanzlerin Angela Merkel und Frau Umweltministerin Barbara Hendricks jedenfalls viel Erfolg und Verhandlungsgeschick, um in Paris zu dem Erfolg zu kommen, den wir alle gemeinsam nötiger denn je brauchen.

Dazu gehört ganz selbstverständlich auch, dass wir den Klimaschutzgedanken ganz konkret mit wirtschaftlicher Prosperität verbinden. Umwelt- und Effizienztechnologien sind Treiber für wirtschaftliches Wachstum und für neue Arbeitsplätze.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Dabei sind sie nicht nur national wichtige Wachstumstreiber, sondern sie sind auch international von enormer Bedeutung. Das globale Marktvolumen solcher Technologien betrug im Jahr 2013 etwa 2,5 Billionen Euro, und es wird erwartet, dass sich das Marktvolumen bis 2025 auf mehr als 5 Billionen Euro entwickeln wird. Das sind Wachstumsraten von durchschnittlich 6 Prozent pro Jahr.

Der Weltmarktanteil von Greentech made in Germany beträgt derzeit rund 14 Prozent. Um diesen Technologien zu einem besseren Durchbruch auch in anderen Ländern zu verhelfen, hat das Bundesministerium nun eine Ex­port­initiative gestartet und mit 5 Millionen Euro hinterlegt. Zusammen mit der im Einzelplan des Wirtschaftsressorts laufenden Exportinitiative, die dort mit mehr als 80 Millionen Euro veranschlagt ist, sind wir gut aufgestellt, diesen für Deutschland wichtigen Exportmarkt sinnvoll zu erschließen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Ich sage das vor allem deswegen, weil man daran sieht, dass die aktuelle Koalition Wert darauf legt, Ökologie und Ökonomie unter einen Hut zu bringen und gemeinsam zu entwickeln. Wenn wir mit diesem besonderen Titel in Höhe von 5 Millionen Euro im Umweltetat dazu beitragen können, Deutschlands Rolle als führende Nation im Bereich der Umwelttechnologien zu stärken, nutzt dies nicht nur uns im eigenen Land, sondern es trägt auch dazu bei, vor allem anderen Nationen unsere Technologien stärker als bislang zugänglich zu machen.

Noch ein Wort zum Endlagerbereich:

Erstens. Wir haben die Ansätze für die Asse und für Morsleben geringfügig abgesenkt, weil wir mit den freiwerdenden Mitteln das Bundesprogramm Biologische Vielfalt stärken wollten. Da der Mittelabfluss bei den Projekten jetzt mehr und mehr in Schwung kommt, wäre es zu einem Antragsstau etwa Mitte nächsten Jahres gekommen. Das wollten wir verhindern. Es stellt sich aber für den Haushalt 2017 das Problem, dass wir den Aufwuchs natürlich finanziell verstetigen wollen. Ich bin mir ziemlich sicher, dass wir, die Berichterstatter und die Leitung des Hauses, zu einer sinnvollen Lösung kommen werden.

Zweitens. Wir stehen bei der Frage der Endlagerung gewissermaßen vor einer Richtungsentscheidung, wie die Endlagerungen künftig organisiert werden sollen. Gemäß EU-Richtlinie 2011/70/Euratom ist Deutschland verpflichtet, die vorhandene Behördenstruktur zu verändern. Die Kommission Lagerung hoch radioaktiver Abfallstoffe hat hierzu bereits Vorschläge gemacht. Dabei soll dem internationalen Grundsatz der Trennung von Aufsicht und Betrieb gefolgt werden. Die Neuordnung der Behörden sieht daher neben der Schaffung eines zentralen Regulators in Form des Bundesamtes für kerntechnische Entsorgung auch die Errichtung einer Bundesgesellschaft für kerntechnische Entsorgung vor.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Die Streichung von 30 Stellen haben wir deswegen ausgebracht, weil derzeit noch nicht völlig klar ist, wie die Organisationsstruktur künftig aussehen soll. Ich sage aber ganz deutlich: Wir werden die Stellenentsperrung zügig vornehmen, sobald klar ist, wie die künftige Organisation aussieht.

Vielen Dank für die bisherige konstruktive Zusammenarbeit. Ich bin optimistisch, dass sie uns auch in Zukunft voranbringen wird.

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Nächster Redner ist der Kollege Sören Bartol, SPD.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/6207187
Wahlperiode 18
Sitzung 138
Tagesordnungspunkt Einzelplan Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit
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