Lars CastellucciSPD - Einzelpläne Innen, Datenschutz und Informationsfreiheit
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst einmal: Die Große Koalition beweist im Bereich des Innern Handlungsfähigkeit. Es ist eindrucksvoll: Aufwuchs der Mittel in diesem Haushalt um 1 Milliarde Euro. Das ist angesichts der Herausforderungen, vor denen wir stehen, genau das richtige Signal. Hier wird geklotzt und nicht gekleckert. Das ist die eine gute Nachricht.
Besonders freut mich, dass wir das ohne neue Schulden schaffen. Denn die Diskussion „Steuererhöhungen für Flüchtlinge“ ist eine dieser absonderlichen Diskussionen, die manchmal draußen geführt werden. Wir schaffen es, wie gesagt, ohne neue Schulden. Das ist allerdings nicht uns zu verdanken, sondern das ist der Leistung der Menschen in unserem Land zu verdanken, die das erwirtschaftet haben.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Das ist die zweite gute Nachricht.
Zu den Verfahren. Wir verdoppeln die Zahl der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, und auch bei der Bundespolizei gibt es mehr Ressourcen. Damit muss es gelingen, das teilweise entstandene Chaos zu beenden. Ich will, dass binnen Jahresfrist registriert wird, und zwar schnell und einmal und nicht keinmal oder mehrfach, wie das derzeit der Fall ist.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der Abg. Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Ich will, dass wir binnen Jahresfrist erreichen, dass die Verfahren drei Monate dauern – wie Herr Weise uns das zugesagt hat – und wir hierbei alles einrechnen und nicht sagen: Es gibt eine Zeit vor dem BAMF und eine Zeit nach dem BAMF. – Außerdem muss es uns innerhalb des nächsten Jahres gelingen, die Zahl der aufgelaufenen Verfahren abzubauen. Seit 2008 steigt die Zahl der Verfahren, die nicht abgearbeitet werden, Jahr um Jahr. Daher ist eine Änderung dringend notwendig; denn so kann es nicht mehr weitergehen.
Herr Minister, Sie haben gesagt: Wir arbeiten dran. Offen gestanden: Wenn ich meinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sage: „Ich brauche etwas“ und diese mir darauf antworten: „Wir arbeiten dran“, dann läuten bei mir ein bisschen die Alarmglocken. Wir brauchen jetzt kein „Wir arbeiten dran“; vielmehr müssen wir die Ergebnisse im nächsten Jahr mit aller Ernsthaftigkeit und mit allem Nachdruck erreichen wollen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Der wichtigere Punkt ist die Integration oder – weil das Wort nicht besonders gut ist – das Zusammenleben in Deutschland. Die finanziellen Ressourcen für die Integrationskurse werden verdoppelt; das macht ein Viertel der Milliarde aus, die neu in den Haushalt eingestellt wird. Ich will aber auch sagen: Es geht an dieser Stelle nicht nur um Geld, sondern wir müssen auch darauf achten, dass das gut umgesetzt wird und dass die Flüchtlinge, die zu uns kommen, die Maßnahmen und Angebote erhalten, die sie brauchen. Die einen sind Analphabeten, die Alphabetisierungskurse brauchen, andere brauchen andere Angebote. Ob da das Management und die Systematik im Konzert der Angebote, die auch die Bundesländer unterbreiten, schon so gut funktionieren, das wage ich zu bezweifeln. Es geht also nicht nur darum, Geld bereitzustellen, sondern man muss auch genau hinschauen, was mit dem Geld passiert.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Allerdings!)
Weil wir die Diskussion nicht nur über die Medien führen sollen, sondern auch dort, wo sie hingehört, nämlich hier, möchte ich etwas zum Thema Familiennachzug sagen. Wenn wir schon Integration anstreben, weil uns das wichtig ist und weil es entscheidend darauf ankommt, dann müssen wir Maßnahmen, die der Integration zuwiderlaufen, unterlassen. Zu sagen: „Ihr seid hier und sollt euch integrieren, aber eure Familien lassen wir mal in den Kriegsgebieten“, das ist integrationsfeindlich. Deswegen ist das auch eine falsche Ansage.
(Beifall bei der SPD und der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Befremdlich fand ich auch die Äußerungen vom Wochenende, was die unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge angeht. Der Familiennachzug müsse ausgeschlossen werden, weil die Jugendlichen – Zitat – „vorgeschickt“ werden. Meine sehr verehrten Damen und Herren, da werden keine Jugendlichen vorgeschickt,
(Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: Keine Ahnung!)
sondern da legen Eltern und Großeltern, Tanten und Onkel zusammen, damit wenigstens einer ein besseres Leben haben kann oder sein Leben sogar sichern kann. Das ist doch die Wahrheit. Das würde jeder von uns in einer solchen Situation ganz genauso machen.
(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Wir dürfen beim Thema Sprache aber nicht stehenbleiben – die Sprache ist die Basis für Integration –, sondern wir müssen auch an diejenigen denken, die schon in Deutschland sind. Wir müssen uns überlegen: Wie gestalten wir das Zusammenleben derjenigen, die schon da sind, mit denjenigen, die zu uns kommen? Wie kann das gut funktionieren? Dazu brauchen wir Plattformen, Raum für Begegnungen.
Ich habe dieser Tage eine Nachricht aus meinem Wahlkreis erhalten. Dort wird seit vielen Jahren ein durch Spenden finanziertes interkulturelles Café betrieben. Mit dem vorliegenden Haushalt wollen wir Ordnung herstellen. Spätestens mit dem nächsten Haushalt müssen wir Zusammenleben gestalten. Wir brauchen Strukturförderung für solche Angebote, wo sich die Menschen begegnen und sich kennenlernen können; denn das ist das Beste, um Vorurteile und Ängste abzubauen.
(Beifall bei der SPD)
Verehrte Kolleginnen und Kollegen, nicht alle, die kommen, werden bleiben können, und nicht alle, die kommen, werden bleiben wollen – das kann man an dieser Stelle auch einmal sagen –, aber für beide Gruppen gilt: Wir haben die Chance, ihnen unsere Werte vorzuleben und ein positives Deutschlandbild zu vermitteln. So gewinnen wir, wenn sich beide Seiten anstrengen, Freunde, Nachbarn und Kollegen in der Welt und bei uns.
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Vielen Dank. – Als nächster Redner hat Armin Schuster von der CDU/CSU-Fraktion das Wort.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/6207560 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 138 |
Tagesordnungspunkt | Einzelpläne Innen, Datenschutz und Informationsfreiheit |