24.11.2015 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 138 / Tagesordnungspunkt I.6

Armin SchusterCDU/CSU - Einzelpläne Innen, Datenschutz und Informationsfreiheit

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Verehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Selten hat ein Haushalt des Innenressorts so in die Zeit gepasst wie dieser. Dieser Haushalt ist keine Reaktion auf Paris – damit haben die Haushälter recht –; darauf dürfen wir stolz sein.

Für die Unions-Innenpolitiker möchte ich sagen: Seit Beginn dieser Legislaturperiode setzen wir uns unter Führung von Stephan Mayer dafür ein, dass im Bereich der inneren Sicherheit neue und deutliche Akzente gesetzt werden. Erstmals erreicht wurde dies im Haushalt 2015, und jetzt schaffen wir das mit einem richtigen Aufschlag im Haushaltsplan 2016. Dafür brauchten wir keine Terroranschläge; dafür reichte unsere Überzeugung. Ich bin meiner eigenen Mannschaft dafür dankbar, dass wir das hinbekommen haben, aber natürlich auch den Haushältern Dr. Reinhard Brandl und Dr. André Berghegger. Dr. Berghegger ist bei diesen Fragen unser Lotse in der AG Innen; denn wir kennen nicht alle Untiefen. Wenn wir zu Ihnen kommen, Herr Brandl, wissen wir schon von Dr. Berghegger, was wir machen müssen. Natürlich danke ich auch dem Bundesinnenministerium, dem ganzen Team der Minister, insbesondere dem südbadischen Finanzminister – den braucht es auch –, und ich danke dem haushaltspolitischen Sprecher, der sehr sicherheitsaffin ist. Herzlichen Dank, Herr Rehberg.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Dr. Eva Högl [SPD])

Bundeskriminalamt, Verfassungsschutz, Bundespolizei, BSI, BAMF und THW mit den richtigen Ressourcen auszustatten, ist das eine. In unsicheren Zeiten ist es aber auch wichtig, dass die Menschen Vertrauen haben in die Arbeit unserer Behörden. Bezogen auf Hannover habe ich mich ein bisschen erschreckt, was für eine Welle durch die Öffentlichkeit ging, auch durch die sozialen Netzwerke. Meine Damen und Herren, für und in Hannover wurde aus meiner Sicht in der vergangenen Woche absolut richtig entschieden.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)

Es wäre für alle Bürger, für unsere Sicherheitsexperten und für die im islamistischen Milieu hochgefährdeten V-Leute ein großer Vorteil, wenn die Öffentlichkeit auch dann unseren Behörden vertraut, wenn wir nicht alle Erkenntnisse zu Markte tragen können, wenn wir – das sage ich an die Adresse der Medien – nicht alle zu Markte tragen müssen. Ich bin der Überzeugung, dass Vertrauen das Wichtigste ist, was wir in dieser Lage brauchen, um dem Terror standzuhalten. Dafür gibt es für mich drei Grundbedingungen:

Grundbedingung eins: Haushalt und Gesetzeslage müssen in Ordnung sein. Für den Haushalt haben wir dieses Mal viel getan. Herzlichen Dank! Man kann in der Koalition über viele Themen streiten; aber mit euch von der SPD – das muss ich sagen – im Bereich der inneren Sicherheit Haushaltspolitik zu machen, das macht mir Spaß. Das gefällt mir.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)

Deswegen haben wir jetzt auch 1 Milliarde Euro mehr, als im Regierungsentwurf vorgesehen war. Herr Gerster, vielen Dank. Wir müssen jetzt nicht in gesetzgeberischen Aktionismus verfallen – das ist wichtig; Frau Dr. Högl, darüber sind wir uns einig, auch wenn es Punkte gibt, bei denen wir uns nicht einig sind –, weil wir unser Pulver im Trockenen haben;

(Dr. Eva Högl [SPD]: Genau!)

ich darf das vielleicht so ein bisschen martialisch formulieren. Flüchtlingslage, Terrorbekämpfung, Rechtsextremismus, Cyberfähigkeit – überall haben wir den Haushalt und die Rechtsvorschriften angepasst. Wir haben Reisen in ISIS-Gebiete längst unter Strafe gestellt, wir können Ausreisen verhindern, und wir können Pässe und Personalausweise entziehen. Wir haben uns die Bekämpfung der Terrorismusfinanzierung zum Ziel gesetzt. Wir haben die Vorratsdatenspeicherung eingeführt und die Befristung von Vorschriften nach den Terrorismusbekämpfungsgesetzen verlängert. Meine Damen und Herren, besser kann man nicht beweisen, dass die Innenpolitik in diesem Land gut vorbereitet ist. Ich brauche im Moment nicht mehr Gesetze.

Zweitens. Das Vertrauen in der Bevölkerung ist dann besonders groß, wenn wir uns an unsere Rechtsvorschriften halten – die sind gut – und sie ohne Wenn und Aber umsetzen. Das erwarten die Menschen gerade in unsicheren Zeiten. Deshalb müssen wir Dublin und Schengen schnellstens reanimieren. Deshalb bin ich dem Bundesinnenminister für seine vielen klaren Haltungen in den vergangenen Wochen sehr dankbar. Das flößt Vertrauen ein, auch bei der Bevölkerung. Das spürt man.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Dr. Eva Högl [SPD])

Wer in diesen Tagen allerdings nur auf die Sicherung der Schengen-Außengrenze fokussiert – und das machen ja ganze Heerscharen –, der hat den Schengener Grenzkodex noch nicht verstanden.

(Andreas Mattfeldt [CDU/CSU]: Genau richtig!)

Außengrenzensicherung war noch nie das einzige Mittel der Wahl. Das haben wir uns Mitte der 90er-Jahre so nicht gedacht. Binnengrenzschleierfahndung, Schengener Informationssystem, gemeinsame internationale Ermittlungsgruppen, automatisierter Datenabgleich, Infoaustausch zu Fingerabdrücken, Kfz-Kennzeichen, DNA-Spuren usw. usf. – das alles ist Schengener Grenzkodex und Prümer Vertrag. Ich bedauere, dass wir in diesen Tagen sehr wenig Klartext darüber sprechen, dass all das in Europa schlampigst umgesetzt ist.

(Dr. Eva Högl [SPD]: Das stimmt!)

Die Schleierfahndung ist faktisch ausgestorben. Es gibt Fahndungsdateien bei Europol, in die nur fünf Länder von ganz Schengen-Europa Daten eingeben. Wie wollen wir so Terroranschläge verhindern? Wie wollen wir präventiv dafür sorgen, dass Europa ein Raum der Freiheit, des Rechts und der Sicherheit ist? Wenn wir uns nicht jetzt in den Schengener Binnengrenzräumen um Fahndungs- und Ermittlungsdruck kümmern, wann denn dann?

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Die Attentäter der vergangenen Anschläge haben alle zusammen eine verwundbare Stelle: ihre grenzüberschreitende Reisetätigkeit. Sie alle haben es getan, auf allen Verkehrswegen, und man hätte sie erkennen können. Aber dafür braucht man konsequente Grenzüberwachung – auch in Deutschland – im Rahmen einer Schleierfahndung oder auch mehr.

Die Haltung, dass das alleinige Aufgabe der Schengen-Außengrenzenländer sein soll und nicht unsere, finde ich völlig unplausibel. Warum sollen die es können und wir nicht? Ich empfehle jedem, der damit hausieren geht: Fahren Sie doch einmal zur Bundespolizei oder zur bayerischen Polizei; ich empfehle die Polizeiinspektionen Fahndung in Traunstein und in Rosenheim. Die erklären sehr gerne, wie hochwirksam Binnengrenzfahndung ist. Ich erinnere an den Aufgriff des Montenegriners, der einen ganzen Kofferraum voll schwerster Waffen hatte. Ob wir aktuell Grenzüberwachung wollen oder nicht, müssen wir politisch entscheiden; aber man sollte bitte nicht behaupten, wir könnten es nicht.

(Zuruf des Abg. Frank Tempel [DIE LINKE])

Die Bundeszollverwaltung und die Bundespolizei tun das seit Jahrzehnten, egal in welcher Lage die Bundesrepublik Deutschland sich befunden hat. Die können das. Diese öffentlichen Unwerturteile finde ich nicht in Ordnung.

Es gibt einen Zusammenhang – auch das traue ich mich zu sagen; ich weiß, das ist heikel – zwischen Flüchtlingslage und Terrorbedrohung. Ein Innenpolitiker muss so etwas ansprechen, weil wir uns als Fachleute bezeichnen. Wir können nicht ausschließen, dass ISIS mit seiner perfiden Hinterhältigkeit versuchen wird, die Flüchtlingsströme zu nutzen, um in unserer Gesellschaft durch Vorkommnisse zu polarisieren und zu spalten, uns gegeneinander auszuspielen. Deshalb müssen wir zum Schutz aller, der Flüchtlinge und der Deutschen, genauer hinschauen, wer auf welchem Weg warum in dieses Land möchte. Das flößt Vertrauen ein.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Kollege Schuster, lassen Sie eine Zwischenfrage von Herrn Tempel zu?

Von Herrn Tempel? Natürlich.

Bitte.

Herr Schuster, lassen wir einmal ganz kurz unsere unterschiedlichen politischen Positionen, ob eine Schließung der Grenzen und stationäre Grenzkontrollen richtig sind oder nicht, außen vor. Nehmen wir einmal an, dass das gemeinsam politisch gewollt wäre, was es natürlich nicht ist. Sie haben mit Ihrer Fraktion seit Jahren den permanenten Personalabbau mitgetragen. Genau wie Sie besuche ich regelmäßig Delegiertenkonferenzen bei Gewerkschaftsversammlungen der Bundespolizei und auch Polizeidienststellen, mehrere allein in diesem Jahr. Dort wird von den Kollegen einheitlich gefragt: Wie sollen wir diesen Forderungen, die von Teilen der Politik kommen, überhaupt nachkommen?

Ich habe gerade gesagt: innerhalb von nur einem Monat 500 000 Überstunden bei der Polizei. Sie haben von neuen Stellen gesprochen. Die Leute müssen erst einmal ausgebildet werden; sie werden in den nächsten zwei Jahren überhaupt nicht zur Verfügung stehen. Sie legen Ihre Forderungen hier in blumigen Worten dar; aber mit der Umsetzung ist langfristig überhaupt nicht zu rechnen. Sie tragen mit die Verantwortung dafür, dass das Personal, die Infrastruktur und die Logistik für die Erfüllung dieser Forderungen überhaupt nicht zur Verfügung stehen. Wie möchten Sie das umsetzen? Wann möchten Sie das umsetzen? Das sollten Sie hier schon ein bisschen genauer sagen.

Erstens. Ich kann mit Ihnen jetzt keinen Grundkurs zum Thema Grenzpolizei machen.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU – Frank Tempel [DIE LINKE]: Den sollten Sie aber nehmen!)

Aber es wäre schön, wenn Sie unterscheiden würden zwischen der Forderung, die Grenzen dichtzumachen – das hat nur ein Teil Deutschlands einmal versucht; ich finde, das ist eine ziemlich unsinnige Idee, die kein vernünftiger Grenzpolizist hat –, und konsequenter polizeilicher Grenzüberwachung, dass man also sagt: Wir betreiben Grenzübergangsstellen, weil das aus Sicherheitsgründen notwendig ist, und wir überwachen die grüne Grenze. – Das bedeutet aber nicht, dass man dort alle Menschen aufgreift und zurückschickt. So dumm ist kein Grenzpolizist und auch kein Politiker. Dafür gäbe es ein flexibles System; da bin ich ganz sicher.

(Frank Tempel [DIE LINKE]: 500 000 Überstunden im Monat!)

Wenn es heißt, dass wir das nicht leisten könnten, muss ich sagen: In einer kleinen Privataudienz könnte ich Ihnen ganz locker erklären, wie wir es mit 10 000 Zöllnern, 42 000 Bundespolizisten und etlichen Landespolizei-Bereitschaftsabteilungen, die nur auf den Marschbefehl warten, binnen weniger Tage hinbekommen würden, in diesem Land einen solchen Einsatz zu fahren.

(Irene Mihalic [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Na klar, genau! Die sitzen da und warten auf ihren Einsatz, weil sie ja sonst nichts zu tun haben, Herr Schuster! Die warten also etwa bei Schalke gegen Bayern auf ihren Einsatz an der Grenze, ja?)

Da würde übrigens genauso wenig geschossen – ich danke Ihnen sehr für den Zwischenruf – wie bei 1.-Mai-­Demos in Berlin, da gäbe es keine S-Draht-Rollen, da gäbe es keine Haftanstalten. Das Vermögen, in diesem Land polizeilich sauber zu arbeiten, können Sie seit Jahrzehnten beobachten, egal bei welcher polizeilichen Lage. Wir würden auch das hinbekommen.

Letzter Punkt – das wäre als dritter Punkt sowieso gekommen; jetzt geht das auf Ihre Zeit –: Ich bin nicht damit einverstanden, dass diese Sonderlage noch unendlich lange andauert. Dass da 1 000 bis 1 500 Bundespolizisten quasi eine Außenstelle des BAMF betreiben, stört mich sehr; denn sie fehlen uns genau bei der Aufgabe, für die Sie gerade plädiert haben. Mir wäre es sehr recht, wenn wir die Flüchtlingszahlen so reduzieren, sodass das BAMF seine eigentliche Aufgabe allein und selbstständig erledigen kann und die Bundespolizei zur Wahrnehmung ihrer originären Aufgabe, nämlich der Grenzfahndung, zurückkehrt.

Das dürfte Ihnen als kleiner Input reichen. Den Rest machen wir dann privat. Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Meine Damen und Herren, wir brauchen eine deutliche Reduzierung der Flüchtlingszahlen. Wenn ständig 2  000 Polizisten das BAMF verstärken, ist das ja kein „Wir schaffen das“. Das ist nur eine Notlösung. Ich bin damit einverstanden, dass die Bundespolizei das jetzt macht. Aber das ist eine Sonderlage, und Sonderlagen enden irgendwann. Insofern bin ich der SPD dankbar. Wenn ich Herrn Steinmeier und Herrn Gabriel richtig verstehe, wollen sie einen Neustart in der Flüchtlingspolitik. Auch ich glaube, dass das notwendig ist, zumindest bei der Frage: Wie viele kommen zu uns?

Mein letzter Punkt: zum Thema Vertrauen. In den deutschen Sicherheitsbehörden, bei Polizei und Verfassungsschutz, arbeiten Zehntausende von Frauen und Männern. Seit Monaten, wenn nicht seit Jahren erlebe ich hier, vornehmlich aus den Reihen der Opposition, immer wieder den Versuch, unsere Sicherheitsbehörden öffentlich zu diskreditieren.

(Volker Kauder [CDU/CSU]: Das geht gar nicht! – Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein, nein! Das war aber heute nicht der Fall!)

Die Rede ist dann von mutmaßlichen Übergriffen bei Polizeieinsätzen, davon, dass die Rechte der Bürger massenhaft untergraben werden, etc. etc. Ich bleibe jetzt ganz ruhig; aber ich möchte in diesen angespannten Tagen den Appell loswerden: Damit schneiden wir im deutschen Parlament Vertrauen ab.

(Zuruf von der CDU/CSU: Richtig!)

Mit solchen Kommentaren stellt man permanent die Leistung derer, die sich Tag für Tag für unseren Schutz und unsere Freiheit einsetzen, auf den Kopf.

(Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das hat doch gar nicht stattgefunden! – Dr. Eva Högl [SPD]: Das hat keiner gesagt!)

Ich finde, auch eine Opposition – mag die Verlockung der Kameras auch noch so groß sein – hat in diesen angespannten Tagen eine parlamentarische Verantwortung.

(Ulla Jelpke [DIE LINKE]: Aha! Keine Kritik mehr? Oder was soll das heißen?)

Bei der Union gehört Vertrauen in Sicherheitsbehörden zur Grund-DNA. Wir müssen diesbezüglich nicht belehrt werden. Wir wissen, was die Frauen und Männer da draußen leisten. Wir sind ihnen dankbar. Heute haben wir hier im Parlament sozusagen einen Doppelpass gespielt: Wir bringen einen Haushalt auf den Weg, der diese Leistungen angemessen honoriert.

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Als letzte Rednerin in dieser Debatte hat Susanne Mittag von der SPD-Fraktion das Wort.

(Beifall bei der SPD)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/6207610
Wahlperiode 18
Sitzung 138
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