Klaus-Dieter GröhlerCDU/CSU - Einzelpläne Justiz und Verbraucherschutz, Bundesverfassungsgericht
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Bundesminister, was ist uns der Rechtsstaat wert? Was ist uns die Durchsetzung des Rechts wert? Diese Fragen, die wir uns gerade in diesen aufgeregten Zeiten immer öfter stellen, sind zumindest aus Sicht eines Haushälters für diesen Einzelplan relativ leicht zu beantworten: In 2016 ist uns das auf jeden Fall mehr als in 2015 wert, und in 2015 war es uns bereits mehr wert als in 2014.
Lassen Sie mich das an ein paar Beispielen darstellen. Der Kollege Dennis Rohde ist schon zu Recht auf die zusätzlichen Stellen für den Generalbundesanwalt und auf die zusätzlichen Ermittlungsrichter beim Bundesgerichtshof in Karlsruhe eingegangen. Mit dieser Maßnahme werden wir dafür sorgen, dass wir gegen die Bedrohung durch den islamistischen Terror effektiv und rechtssicher vorgehen können. Dieser Stellenaufwuchs bei der Bundesjustiz erfolgt parallel zur Verstärkung der Sicherheitsbehörden, über die ja gerade bei der Beratung des Einzelplans des Innenministeriums gesprochen worden ist. Beides gehört aus meiner Sicht zusammen, und beides dient der Sicherheit unseres Landes und unserer Bevölkerung.
Die rechtsstaatliche Verfolgung von deutschen Teilnehmern an Terror- oder Gewalthandlungen, sei es im Nahen Osten oder in anderen Regionen, wird nicht an einer zu geringen personellen Ausstattung beim Bundesanwalt oder beim BGH scheitern. Ich sage auch mit Blick auf künftige Entwicklungen: Wenn der Generalbundesanwalt oder der Bundesgerichtshof durch die zunehmende Zahl an Verfahren mit terroristischem Hintergrund in den kommenden Jahren nachweisbar überlastet ist, dann wird sich die CDU/CSU-Fraktion aktiv für eine zusätzliche Ausstattung einsetzen. Das ist es uns wert; denn jeder Terrorist und jeder Unterstützer oder Sympathisant von Terrororganisationen soll wissen, dass wir alles dafür tun werden, dass er nach einem rechtsstaatlichen Verfahren einer gerechten Strafe zugeführt wird.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Durch den Bundeshaushalt 2016 wird aber auch die Zahl der Zivilrichter beim Bundesgerichtshof erhöht, weil die Verfahrenszahlen angestiegen sind. Als Haushaltsgesetzgeber, meine ich, haben wir die Pflicht, die Rechtsgewährung für die Bürgerinnen und Bürger so auszugestalten, dass in angemessener Zeit eine letztinstanzliche Entscheidung ergeht. Diesem Auftrag kommen wir somit nach. Wenn wir zu Recht so stolz auf unser Grundgesetz sind, dann müssen wir auch alles dafür tun, dass die Verfassung eingehalten wird. Konkret bedeutet das, dass der Rechtsweg für den Bürger funktionieren muss und dass seine Rechtsmittel durch die Verfahrensdauer nicht ins Leere laufen dürfen.
An dieser Stelle will ich auch einmal einen Appell an die Bundesländer richten. Die staatliche Garantie der Rechtsgewährung benötigt auch in den Instanzen, für die der Bund nicht zuständig ist, eine vernünftige personelle und sächliche Ausstattung. Ich sage das auch mit Blick auf die Zunahme der Zahl von Verwaltungsgerichtsverfahren im Zusammenhang mit der Ablehnung von Asylanträgen. Die Aufenthaltsbeendigung für Menschen, die keinen Asyl- oder Flüchtlingsstatus zuerkannt bekommen können, darf nicht an der personellen Unterbesetzung der Gerichte scheitern. Wenn wir uns als Bund vorgenommen haben, die Verfahren zu entschlacken, effektiv zu machen und zu beschleunigen, dann habe ich an die Länder die Erwartungshaltung, dass auch sie ihren Beitrag zur Verwaltungsgerichtsbarkeit leisten.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Wir werden uns in diesem Land, meine Damen und Herren, nicht hinstellen und zu den Mitbürgerinnen und Mitbürgern sagen können: Liebe Leute, Zehntausende, die sich noch im Land befinden und eigentlich kein Aufenthaltsrecht bekommen haben, sind hier, weil unsere Gerichte überlastet sind. – Diese Blöße werden wir uns nicht geben dürfen. Wir werden genauso wenig sagen können, dass wir nicht in der Lage sind, Abschiebungen durchzuführen, weil die personellen Kapazitäten nicht ausreichen. Zum Rechtsstaat, meine Damen und Herren, gehört auch Gerechtigkeit, und die gebietet, jene, die ein Recht haben, gegenüber denen, die kein Recht haben, anders zu behandeln. Insofern müssen wir ganz klar unterscheiden.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Zum Thema Flüchtlingssituation passt auch das Thema Bekämpfung der Fluchtursachen. Der Kollege Dr. Lindner hat schon ein ganz klein wenig darauf hingewiesen. Ich will das noch ein bisschen verstärkter tun, weil ich glaube, dass dieses Instrument im Haushalt durchaus schon und besser, als er es dargestellt hat, zur Anwendung kommt.
Jeder Euro, den wir ausgeben, um Fluchtursachen zu bekämpfen, erspart es Menschen, überhaupt erst auf die Flucht zu gehen, und erspart uns viele weitere Ausgaben für die Unterbringung in unserem Land. Im Einzelplan des Justizministers findet sich ein derartiges Mittel der Fluchtursachenbekämpfung, dem wir uns in Zukunft vielleicht sogar intensiver widmen sollten. Ich spreche vom Zuschuss an die Deutsche Stiftung für internationale rechtliche Zusammenarbeit, kurz: IRZ. Durch zusätzliche Mittel wächst in 2016 der Beitrag aus dem Justizetat auf fast 5,5 Millionen Euro auf.
Mit dem Transfer von juristischem Know-how unterstützt die IRZ zahlreiche Länder, unter anderem in Süd- und Osteuropa sowie in Nordafrika. So berät die IRZ die Ukraine bei der Bekämpfung der Korruption. Gestern Abend traf ich den Bürgermeister von Kiew, Vitali Klitschko, in meinem Wahlkreis. Er bestätigte mir ganz deutlich: Die Bekämpfung von Korruption ist für die Ukraine eine Frage der Erhöhung der Lebensqualität der Menschen, aber auch der zukünftigen wirtschaftlichen Entwicklung. Er bestätigte mir ausdrücklich: Jede Hilfe Deutschlands bei der Bekämpfung der Korruption in der Ukraine ist für dieses Land wichtig. – Insofern, glaube ich, ist dieses Geld sowohl aus unserer Sicht als auch aus ukrainischer Sicht gut angelegt.
Aber auch zahlreiche andere Maßnahmen der IRZ sind die richtigen Antworten auf wichtige Herausforderungen. Das geht von der Unterstützung des jordanischen Verfassungsgerichts und der marokkanischen Strafjustiz über die Beratung Tunesiens bei der Bildung eines Verfassungsgerichts und der Reform des Verwaltungs- und Strafvollzugsrechts bis hin zur Hilfe für die juristische Fakultät der Universität Pristina im Kosovo oder bei der Durchführung der Konferenz über rechtliche Möglichkeiten der Verringerung der Kinderarmut in Mostar in Bosnien-Herzegowina. Alles das sind Aktivitäten, die die IRZ entfaltet und finanziert hat. Teilweise mit ganz wenigen Tausend Euro hat sie viel erreichen können. Sie hat Bausteine geschaffen, um die Rechtsstaatlichkeit in anderen Ländern zu entwickeln und zu festigen. Ich glaube, wir tun gut daran – insofern, Herr Lindner, sind wir gar nicht so furchtbar weit auseinander –, wenn wir die IRZ auch 2017 weiter fördern und in 2017 den Beitrag vielleicht noch einmal erhöhen.
Aber auch an der Stelle will ich einen Appell an die Bundesländer richten. Die IRZ hat uns das letzte Mal sehr deutlich gesagt, sie könne diesen Wissenstransfer nur durchführen, wenn sie neben dem Geld auch das juristische Fachpersonal hat. Das juristische Fachpersonal muss freigestellt werden, insbesondere von den Bundesländern. Insofern geht eine entsprechende herzliche Aufforderung von mir hier an die Bundesländer. Diese juristische Entwicklungshilfe kann nur funktionieren, wenn auch das Personal zur Verfügung steht. Hier hakt es, und dem muss abgeholfen werden.
Neben der Bewältigung der Flüchtlingskrise gibt es aber andere Herausforderungen, die wir im Haushalt 2016 meistern müssen. Ich freue mich, dass es erneut gelungen ist, das Deutsche Patent- und Markenamt personell zu verstärken. Damit stärken wir den Wirtschaftsstandort Deutschland, weil Erfinder und Entwickler nun schnelleren Schutz für das Ergebnis ihrer Arbeit erhalten können. Beim Patentamt ist es nämlich wie bei den Gerichten: Der Staat hat das Monopol, und er muss seinen Bürgerinnen und Bürgern effektiv zu ihrem Recht verhelfen, ohne dass sie Jahre auf eine Entscheidung warten müssen. Diesen Anspruch haben die Menschen; ob er erfüllt wird, hängt davon ab, ob die Menschen den Staat, in dem sie leben, für effektiv und leistungsfähig halten. Dabei spielt es eine Rolle, ob sie jahrelang auf eine Entscheidung warten müssen oder erkennen können, dass es in wichtigen Dingen vorangeht und ein Ergebnis erzielt wird.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Lassen Sie mich aber zur anderen großen Säule des Einzelplans 07 kommen; denn das Ministerium heißt ja nun seit zwei Jahren „der Justiz und für Verbraucherschutz“. Immerhin 17 Millionen Euro sind im Etat 2016 für Verbraucherinformationen eingeplant, 11 Millionen Euro als Zuschuss an die Verbraucherzentrale Bundesverband, was der Opposition immer noch nicht genug ist – aber okay.
In diesem Zusammenhang will ich Ihren Blick auf die Stiftung Warentest, die vielleicht bekannteste deutsche Stiftung, lenken. Sie bekommt im nächsten Jahr auf Initiative der Unionsfraktion und ganz besonders, weil unser Fraktionsvorsitzender gesagt hat: „Nehmt euch mal dieses Themas an“,
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
einen Zuschuss von 10 Millionen Euro für das Stiftungsvermögen und von weiteren 90 Millionen Euro in den kommenden Haushaltsjahren – und das neben dem eigentlichen Bundeszuschuss. Mit dieser Maßnahme wollen wir die hervorragende Arbeit der Stiftung Warentest, die ja quasi die Mutter allen Verbraucherschutzes in Deutschland ist, stärken, und wir wollen sie vom jährlichen Bundeszuschuss unabhängiger machen.
1962 hat der damalige Bundeskanzler Konrad Adenauer die Gründung der Stiftung Warentest gegenüber dem Bundestag angekündigt. Vor fast 51 Jahren ist sie aus der Taufe gehoben worden. Anfangs war ihre Arbeit nicht von Erfolg gekrönt, aber inzwischen ist sie ein nicht mehr wegzudenkender Partner und Berater des Verbrauchers und ein kritischer Kontrolleur des Handels und der Produzenten. 5 500 Testreihen für 94 000 Produkte und 2 500 Dienstleistungen hat Stiftung Warentest in den letzten 50 Jahren durchgeführt und veröffentlicht und den mündigen Konsumenten damit wichtige Entscheidungshilfen geliefert.
(Volker Kauder [CDU/CSU]: Sehr richtig!)
Diese Arbeit zu verstetigen und die Unabhängigkeit der Stiftung zu gewährleisten, ist Ziel der Erhöhung des Stiftungskapitals, damit sie auch in den kommenden Jahrzehnten erfolgreich weiter für uns alle testen kann.
Gern möchte ich an der Stelle – der Kollege Lindner hat es vielleicht übersehen – noch auf den Titel „Forschung/Untersuchungen“ eingehen.
(Dr. Tobias Lindner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Oh! Ich hatte nur sechs Minuten!)
Das ist zwar jetzt durchaus kleinteilig. Aber Herr Lindner hatte doch vorhin hier kritisiert, dass das Bundesministerium zum Beispiel die Frage, wie man denn mit Daten von Verbrauchern umgeht, nicht richtig darstellt. Wir haben den Ansatz bei diesem Titel im Zuge der Haushaltsberatungen um 50 Prozent angehoben. Das ist vielleicht zu so später Stunde, irgendwann um zwei Uhr im Haushaltsausschuss am Kollegen vorbeigegangen.
(Dr. Tobias Lindner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich war wach!)
Wir versetzen das Ministerium damit in die Lage, Gutachten in Auftrag zu geben, um zu schauen, wie die Verwendung und Weitergabe von Nutzerdaten oder der digitalen Überwachung von Versicherungsnehmern gestaltet werden muss.
(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Jetzt sind wir bei den Marktwächtern!)
Wir haben auch ein Gutachten für das Ministerium auf den Weg gebracht, um die Frage der zivilrechtlichen Haftung für Schäden selbstfahrender Autos zu klären. Ich glaube, das sind wichtige juristische Fragen. Sie mögen zwar jetzt vielleicht noch ein Stück weit in weiterer Ferne sein. Aber mit diesen Forschungsvorhaben sorgen wir dafür, dass auf die aktuellen Herausforderungen vernünftige juristische Antworten gegeben werden.
Erlauben Sie mir, in der letzten Minute noch – etwas abschweifend vom Einzelplan – einen lokalpatriotischen Dank. Es gibt ja nicht so viele Berliner im Haushaltsausschuss. Deshalb übernehme ich einmal den Part. Ich will mich ganz herzlich bedanken, dass an das Land Berlin durch den Bundeshaushalt 2016 wieder viele, viele Millionen fließen, einerseits für die Sanierung und Neuaufstellung des Neptunbrunnens,
(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Für den Flughafen!)
andererseits für die Schaffung einer Besucherterrasse auf dem Stadtschloss.
(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich dachte, das Stadtschloss sollte sich selber finanzieren!)
Daneben werden in den kommenden Jahren auch 200 Millionen Euro für die Stiftung Schlösser und Gärten bereitgestellt.
Liebe Frau Kollegin Künast, Sie stammen doch auch aus Berlin.
(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja!)
Ich denke, wir Berliner sollten dem Bund vielleicht auch einmal ein ganz klein wenig dankbar dafür sein,
(Beifall bei der CDU/CSU)
dass er im 25. Jahr der Bundeshauptstadtrolle Berlins seine Verantwortung an der Stelle wahrnimmt. Da sage ich ein herzliches Dankeschön an die beiden Hamburger Jungs Rüdiger Krause und Johannes Kahrs. Sie haben Berlin an der Stelle nicht vergessen, und das finde ich sehr gut.
Ich finde, dieser Bundeshaushalt, insbesondere der Einzelplan des Bundesministeriums der Justiz, ist so gut, dass auch die Opposition dem gleich zustimmen kann.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Vielen Dank. – Für die Bundesregierung erhält jetzt Bundesminister Heiko Maas das Wort.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/6207782 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 138 |
Tagesordnungspunkt | Einzelpläne Justiz und Verbraucherschutz, Bundesverfassungsgericht |