Johannes KahrsSPD - Einzelplan Bundeskanzlerin und Bundeskanzleramt
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir sind ja hier in der Haushaltsdebatte. Wir haben einen Haushalt vorliegen. Ich glaube, wenn man sich diesen Haushalt anguckt, dann wird jeder bemerken, dass er solide und vernünftig aufgestellt ist. In Kleinarbeit haben sich die Kolleginnen und Kollegen im Haushaltsausschuss noch einmal über den Entwurf der Bundesregierung gebeugt und haben ihn an der einen oder anderen Stelle noch einmal kampfwertgesteigert. Am Ende, glaube ich, kann sich das, was sie hier vorgelegt haben, sehen lassen. Eckhardt Rehberg, dir und deiner Arbeitsgruppe, meinen Kollegen in der SPD noch einmal ganz herzlichen Dank. Ich glaube, es ist auf der Arbeitsebene ein ruhiges, solides und vernünftiges Arbeiten jenseits der Irrungen und Wirrungen, die es sonst manchmal geben mag, und das ist diesem Haushalt ganz gut bekommen. Die gute und enge Zusammenarbeit mit den Fraktionen und deren Vorsitzenden hat da ebenfalls nicht geschadet. Ich glaube, wenn wir uns diesen Haushalt angucken, dann merkt man, dass er den Anforderungen, die wir zurzeit haben, gerecht wird. Das ist hier heute auch schon einmal sowohl von der Frau Bundeskanzlerin als auch von den Fraktionsvorsitzenden ausgeführt worden.
Eine Anmerkung möchte ich allerdings machen. Es gibt, insbesondere wenn es um die Herausforderungen geht, die durch die Flüchtlinge vor uns stehen, den ein oder anderen seltsamen Vorschlag, oder es gibt merkwürdige Vorstellungen, wie man denn diese Aufgabe finanzieren sollte. Um es gleich vorweg zu sagen: Diese etwas überflüssigen und unsoliden Vorschläge kommen aus allen Fraktionen und aus allen Ecken. Am Ende nutzen sie allerdings nur denjenigen, die rechtsaußen oder linksaußen politisch irrlichtern und uns alle nicht wirklich weiterbringen.
Was zum Beispiel den Vorschlag angeht, dass man im Zusammenhang mit den Flüchtlingen die Steuern erhöhen sollte, so sollte man sich einmal fragen, was das für Auswirkungen auf die politische Diskussion hat. Wenn man über einen Flüchtlingssoli redet, dann führt das auch nicht zu Begeisterungsstürmen in der Bevölkerung. Und eine Aufhebung des Mindestlohns für Flüchtlinge oder ein halber Mindestlohn für Flüchtlinge führt nur dazu, dass die Deutschen, die dann keinen Job zum Mindestlohn oder keinen Minijob mehr bekommen, nicht wirklich begeistert sein werden. All diese Diskussionen gehen gar nicht; vielmehr geht es darum, handwerklich sauber, vernünftig und solide zu diskutieren und diesen Haushalt hinzubekommen. Es ist so, dass wir in den letzten Jahren Vorkehrungen getroffen haben. Die eben genannten Lösungen sind nicht nur falsch, sondern sie sind auch gefährlich.
(Beifall bei der SPD)
Deswegen sollten wir aufpassen, dass wir alles tun, um diesen ausgeglichenen Haushalt nicht zu gefährden. Frau Bundeskanzlerin hat das ja angesprochen. Ich glaube, dass alles, was wir tun können, dazugehört. Wir müssen allerdings auch aufpassen, dass das auf Dauer gelingt; denn sicher ist das alles nicht. Wir haben zurzeit eine positive Situation; das ist schon vielfach ausgeführt worden. Wir haben in der Ära Schröder unter Rot-Grün hervorragend gewirtschaftet. Wir haben reformiert, die Reformen wirken. Deswegen geht es uns gut. Wir haben ein niedriges Euro-Wechselkursverhältnis. Wir haben niedrige Zinsen; das ist – das muss man auch sagen – für den Bund gut, für die Menschen nicht unbedingt. Gleichzeitig ist es so, dass wir in den letzten Jahren in Deutschland auch vernünftig gewirtschaftet haben. Wir werden Überschüsse aus diesem Jahr in das nächste Jahr schieben. Und das führt dazu, dass wir trotz der Belastungen, die wir zu schultern haben, auch das nächste Jahr laut Haushaltsentwurf ohne neue Schulden abschließen. Ich glaube, das ist wichtig.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Genauso wichtig ist es aber auch, dass in diesem Land nicht die Debattenlage entsteht, dass wir wegen der Flüchtlinge hier andere Bevölkerungsgruppen vernachlässigen, dass wir uns nicht um Obdachlose kümmern, dass wir uns nicht um den sozialen Wohnungsbau kümmern,
(Bartholomäus Kalb [CDU/CSU]: Um die Landwirtschaft kümmern!)
dass wir uns nicht um behinderte Menschen kümmern. Es geht einfach nicht an, dass wir uns zwar um die Flüchtlinge kümmern, aber zugleich gesagt wird: Bei uns in den Schulen sieht es immer noch grottig aus. – Alle diejenigen, die das sagen, sollten sich anschauen, was in den letzten Jahren von dieser Großen Koalition geleistet worden ist. Wir haben 23 Milliarden Euro gemäß den Vereinbarungen des Koalitionsvertrags investiert. Wir haben nachträglich noch einmal 10 Milliarden Euro in ein Sonderinvestitionsprogramm gegeben, mit dem wir insbesondere Verkehrswege und Infrastruktur finanzieren. Wir haben noch einmal 5 Milliarden Euro an die Kommunen gegeben, damit sie in die Lage versetzt werden, auch direkt vor Ort etwas zu tun.
(Bartholomäus Kalb [CDU/CSU]: So ist das!)
Für die Bewältigung der Flüchtlingskrise investieren wir jetzt noch einmal 8 Milliarden Euro. Das alles kommt noch obendrauf.
Schließlich haben wir in der letzten Großen Koalition und, wie gesagt, auch in dieser Ländern und Kommunen dauerhaft geholfen. Das wird dazu führen, dass Landes- und Kommunalhaushalte in der Zukunft deutlich besser dastehen werden als der Bundeshaushalt. Der Bund erwartet nämlich in den nächsten Jahren relativ eher rückläufige Einnahmen, während diese bei den Ländern und Kommunen steigen. Das liegt an den Maßnahmen, die wir alle hier beschlossen haben. Das heißt, man muss aufpassen, was man zukünftig macht.
Mir geht es einfach darum, dass wir in der Flüchtlingsfrage zusammenstehen. Es reicht nämlich nicht, nur zu sagen, dass wir es schaffen, sondern man muss auch sagen, wie es gehen soll. Dieser Haushalt zeigt auf, wie es gehen soll. Wir haben viel Geld investiert, insbesondere im Bereich Unterstützung und Koordinierung von Ehrenamtlichen. Wir haben viel Geld für die Helfer ausgegeben, deren Arbeit zurzeit unentbehrlich ist. Wir haben viel Geld in die Bundespolizei investiert und in das Technische Hilfswerk, das mit seinen Ehrenamtlichen unterwegs ist.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Ich glaube, wenn man den Helfern hilft, dann hat man schon viel getan. Das ist eben auch ein Teil des Plans. Ich glaube, das kann man verteidigen und das sollte man immer wieder so sagen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Angesichts mancher Diskussionen über Transitzonen, Obergrenzen und anderer Debattenpunkte habe ich allerdings ein Problem; denn es geht doch darum, dass wir hier Lösungen finden müssen, die langfristig wirken. Wir werden zu Lösungen kommen müssen. Wir werden die Zahl der Flüchtlinge in den nächsten Jahren deutlich senken müssen. 2016 darf nicht so laufen wie die zweite Hälfte von 2015. Wir würden sonst richtige Probleme in diesem Land bekommen. Das heißt, in 2016 und in 2017 müssen die Zahlen der Flüchtlinge deutlich sinken; dafür braucht es keine Scheindebatten und keine Debatten, bei denen man sagt, der eine sollte mehr von diesem und der andere mehr von jenem tun. Am Ende wird es nicht reichen; wir haben es heute gehört.
Am Ende wird es wichtig sein, dass wir wieder mit Dublin II und III die Probleme bewältigen, dass wir zusehen, dass die Außengrenzen wieder funktionieren. Selbstkritisch muss man sagen: Nicht nur Europa ist das Problem, auch wir waren nicht in jeder Frage immer hilfreich. Deswegen ist es wichtig, dass wir nicht nur geordnete Verhältnisse an den Außengrenzen bekommen, sondern dass wir auch wieder geordnete Verhältnisse in Deutschland bekommen. Auch hierfür haben wir in diesem Etat vieles getan. Ich glaube, das ist wichtig und das kann man gar nicht häufig genug sagen.
Am Ende ist es wichtig, dass Hilfe in den Kommunen ankommt, dass die Menschen, die vor Ort sind und helfen, dass die Bürgermeister und Landräte die Unterstützung bekommen, die sie brauchen. Ich sehe das in Hamburg: Wir beschlagnahmen inzwischen Bürogebäude, leerstehende Baumärkte. Das kann die Lösung mal für einen Winter sein, aber das ist keine dauerhafte Lösung.
Die Menschen, die hierbleiben, müssen untergebracht werden. Das heißt aber im Ergebnis auch, dass wir Wohnungen bauen müssen. Uns wurde vorgeworfen, dass wir kein 2-Milliarden-Euro-Programm auflegen, um Wohnungen zu bauen. Wir machen aber viel mehr. Wir geben ohnehin 500 Millionen Euro für den Bau von Sozialwohnungen aus, und wir haben noch einmal 500 Millionen Euro draufgelegt. Das wird die nächsten vier Jahre laufen. Wir investieren insgesamt 4 Milliarden Euro in den sozialen Wohnungsbau. Das dauert; das ist so. Man braucht B-Pläne, man muss Planungen durchführen. Aber am Ende ist es doch so, dass wir mit diesem Geld zu Ergebnissen kommen werden. Es wird aber dauern. Deswegen muss man auch die Zahl der Flüchtlinge in den nächsten zwei Jahren deutlich senken; denn wenn das so weitergeht, kommen wir mit den Wohnungsbauprogrammen, die jetzt laufen, nicht weiter, und dann kommen die Kommunen in ganz andere Schwierigkeiten.
Deswegen ist es gut, dass wir auf die Krise reagiert haben. Deswegen ist dieser Haushalt solide. Wir haben auch im laufenden Jahr – Eckhardt Rehberg, du weißt es – in Nachtragshaushalten schnell reagiert. Ich würde mir wünschen, dass wir es im kommenden Jahr nicht müssen. Wir sind dazu aber bereit, wenn die Situation es erfordert. Wir haben Geld investiert und werden auch weiterhin Geld investieren, damit vor Ort vieles richtig gemacht werden kann.
Gönnen Sie mir noch eine letzte Anmerkung. Wir werden auch weiterhin Dinge bewältigen müssen, die nicht preiswert sind. Von meinem Fraktionsvorsitzenden ist vorhin schon das Bundesteilhabegesetz angesprochen worden. Es gibt viele Aufgaben, die weiterhin bewältigt werden müssen, wenn mit Blick auf die Bewältigung der Flüchtlingskrise in diesem Land Akzeptanz erreicht werden soll. Denn nur dann, wenn sich die Politik nicht ständig um ein einziges Problem kümmert, sondern die Menschen das Gefühl haben, dass wir uns weiterhin um sie alle kümmern, gibt es Akzeptanz und Unterstützung.
Wir brauchen die Unterstützung der Menschen in Deutschland. Aber wir brauchen auch die Unterstützung in Europa – genauso, wie wir die Türkei brauchen. Die Sicherung der Außengrenzen wird nicht über Griechenland funktionieren; sie wird nur über die Türkei funktionieren. Die Türkei wird nicht nur Geld fordern; sie wird auch politische Forderungen haben. Dazu werden die Verhandlungen über den Beitritt zur Europäischen Union gehören. Dann wird es um den Status eines sicheren Drittstaates gehen. Es wird um Visafreiheit gehen. Am Ende werden wir die Türkei brauchen. Man muss sich in CDU, CSU und SPD darüber im Klaren sein, dass es nichts umsonst gibt.
(Axel Schäfer [Bochum] [SPD]: Genau! Sehr wahr!)
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Vielen Dank. – Als nächste Rednerin hat Gerda Hasselfeldt von der CDU/CSU-Fraktion das Wort.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Source | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
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Electoral Period | 18 |
Session | 139 |
Agenda Item | Einzelplan Bundeskanzlerin und Bundeskanzleramt |