25.11.2015 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 139 / Tagesordnungspunkt I.9

Rüdiger KruseCDU/CSU - Einzelplan Bundeskanzlerin und Bundeskanzleramt

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Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Staatsministerin, auch wenn wir wissen, dass sich diese Geschichte von vor 2 000 Jahren nicht wiederholen wird, so muss man doch sagen: Wir als Deutsche waren bereit, Hunderttausende Familien aufzunehmen, die in Not waren. Ich glaube, es ist gut, dass wir das gemacht haben. Das zeigt, wie sich unser Land entwickelt hat. Es hätte wohl keiner vermutet, dass gerade die Deutschen das als Erste tun würden.

Man fragt sich manchmal, warum andere Nationen in Europa zögerlicher sind. Ich glaube, wir sind mit solchen Aufgaben etwas vertrauter, weil wir in den letzten Jahrzehnten mehrfach große Aufgaben bewältigen mussten. Da war die Wiedervereinigung, an die viele schon nicht mehr geglaubt hatten. Als sie dann kam, gab es die Idee, sie mit Drei-, Fünf- oder Zehn-Punkte-Plänen zu bewältigen. Dann haben lange Zeit viele gesagt: Das schaffen wir nicht. – Als es dann darum ging, die Wiedervereinigung nach 20 bzw. 25 Jahren zu feiern, war allen bewusst: Das war doch klar, dass wir das schaffen. – So ist das eben. So ähnlich ist das auch mit der Energiewende. Wenn die Energiewende abgeschlossen ist, dann werden wir zusammen mit der restlichen Welt sagen: Das war doch klar, dass die Deutschen das schaffen.

Dann haben wir die Wirtschaftskrise gehabt, die uns stark herausgefordert hat und in der viele gesagt haben: Das ist nun endgültig das Ende der deutschen Wohlfühlsozialpolitik. – Es war nicht das Ende. Wir haben unser Sozialsystem erhalten. Wir stehen heute, wie es die Kanzlerin versprochen hat, besser da als vorher. – Das spricht dafür, dass wir etwas sind, was wir gar nicht vermuten: eine dynamische Nation; eine Nation, die in der Lage ist, Probleme zu bewältigen, auch wenn sie an dem Tag, an dem das Problem auftaucht, keinen kompletten Lösungsweg vorlegen kann.

Politik funktioniert nicht wie eine Fahrt auf verlegten Eisenbahnschienen. Sie ist eher ein bisschen wie Segeln: Sie wissen, wohin Sie wollen. Sie sollten wissen, wo Norden ist. Sie können aber den Wind nicht vorherbestimmen. Was Sie tun können, ist, die Segel richtig zu setzen. Aber Sie werden keinen völlig geradlinigen Kurs fahren, von dem man sagen kann: Genau das ist der Weg. – Das Entscheidende ist, dass Sie dort ankommen, wo Sie es wollen. Das Faszinierende an der Politik unserer Bundeskanzlerin ist, dass der von ihr eingeschlagene Weg zum Ziel der beste Kurs ist, was man aber nicht zu jeder Zeit sieht.

Ich habe mich in dieser Debatte über zwei Beiträge – es gab viele gute Beiträge – besonders gefreut. Der eine Beitrag war von unserer Bundeskanzlerin, in dem sie sich klar hinter die schwarze Null gestellt hat. Der Architekt der schwarzen Null ist der Bundesfinanzminister. Nun kann man sagen: Na ja, wenn sich nicht einmal der Finanzminister hinter die schwarze Null stellt, wer dann?

In der heutigen Zeit könnten viele sagen: Man kann doch jetzt eine Ausnahme machen und das Ziel der schwarzen Null aufgeben, weil das aktuelle Problem so groß ist. – Ralph Brinkhaus hat gestern gesagt: Natürlich stehen wir vor einem großen Problem. Aber wir können nicht garantieren, dass die nächste Generation nicht auch sehr große Probleme haben wird. Das heißt, wir dürfen deren Ressourcen nicht verbrauchen.

Der Vorteil von dem, was hier – sowohl positiv als auch negativ – als „Auf-Sicht-Fahren“ bezeichnet worden ist, ist, dass man dadurch so fährt, dass man genug Möglichkeiten hat, den Kurs noch zu ändern, und dass man sich auf diese Weise nicht seiner Möglichkeiten beraubt, weil man glaubt: Die Schwierigkeiten, die man sieht, sind die einzigen, die man bewältigen muss.

Wir hier im Parlament sind dabei, ganz normal und unaufgeregt einen Haushalt zu diskutieren, obwohl draußen Terror, Flucht und Vertreibung herrschen. Terror ist erschreckend; er steht aber für keine Werte. Das Böse ist banal; ihm wohnt keine Tiefe inne. Das heißt, die Auseinandersetzung, die wir führen, ist gar nicht gegen ein anderes Wertesystem gerichtet. Das wäre auch für die Länder bzw. Kulturen beleidigend, aus denen einzelne Täter kommen. Vielmehr kämpfen wir einfach nur gegen die Banalität des Bösen. Das galt für die RAF, und es gilt für den NSU und den IS.

Mörder sind Mörder. Die Antwort gibt der Rechtsstaat. Wir behandeln die Täter so wie Mörder – nicht besser und nicht schlechter. Deswegen ist der Kurs, den wir hier fahren, vollkommen richtig. Es ist auch richtig, nicht Hunderttausende Menschen irgendwie in Kollektivhaft zu nehmen; denn das Böse und das Banale treffen wir überall an. Gleichzeitig ist es richtig, dass wir uns mit aller Kraft schützen. Das bildet dieser Bundeshaushalt auch ab.

Der zweite Beitrag, der mich sehr gefreut hat, kam von meinem Fraktionsvorsitzenden. Er hat gesagt, worum es wirklich geht. Es geht darum, dass in einer Krise eben nicht jedes Land in Europa für sich national und egoistisch reagieren darf, sondern dass wir dieses Problem gemeinschaftlich angehen und damit auch die Stärke Europas zeigen. Und es geht darum, dass Europa gegenüber jedem System, jeder Macht und jedem Einzeltäter, der sich nicht gemäß einer freiheitlich-demokratischen Grundordnung verhält, eine klare Grenze zieht. Diese Grenze muss deshalb gezogen werden, damit wir innerhalb Europas, also innerhalb unseres Wertesystems, frei leben und jedem anderen auch diese Freiheit zugestehen können. Das ist das Ziel. Es ist das, was uns eint. Genau das ist der Kurs, den wir steuern.

Die Staatsministerin hat ja auch erwähnt, dass ihr kleiner Haushalt – bei kleinen Haushalten ist es ganz leicht, ihn bedeutend zu steigern – erhöht worden ist. Auch der Kulturetat ist gesteigert worden. Früher habe ich an dieser Stelle immer gesagt: Kultur ist unsere beste Außenwerbung. – Darauf verzichte ich jetzt einmal. Selbstverständlich waren es nicht die Selfies der Kanzlerin, sondern es war ausschließlich der Neubau des Museums der Moderne in Berlin, der Hunderttausende angezogen hat. Eigentlich wäre es schön, wenn Menschen aus einer sehr alten Kulturnation oder Kulturregion wie Syrien ausschließlich deswegen zu uns kämen, weil sie einmal sehen wollen, was wir hier so machen.

Diese Menschen sind – das ist klar – aus anderen Gründen gekommen; aber sie werden genau beobachten, was wir hier machen. Zum überwiegenden Teil werden sie wieder nach Hause gehen. Das sagen Ihnen auch junge Leute, die ein Jahr lang in Australien, Amerika oder Asien waren. Natürlich kommen sie verändert wieder zurück. Obwohl sie ihrer Herkunft treu geblieben sind, bringen sie etwas Neues mit. So gern ich auch im Saarland oder in Italien bin, ich freue mich immer, wenn ich zurück nach Hamburg komme.

So geht es diesen Menschen, die zu uns kommen, auch. Gleichzeitig aber sind sie Botschafter ihres Gastlandes und für uns natürlich auch eine große Chance. Die meisten Dinge in der eigenen Stadt lernt man dadurch richtig kennen, wenn man sie Fremden zeigen muss. Wir tun das jetzt in einem sehr großen Umfang. Wir tun es auch, indem wir das Ehrenamt – im Ministerium heißt das jetzt „Integrationslotsen“ – stärken und zum Beispiel die sehr vielen Menschen, die in Chören und Theatergruppen sowie in der bildenden Kunst aktiv sind, darin bestärken, gemeinsam mit deutschen Jugendlichen und Jugendlichen, die als Migranten erst seit kurzem hier sind – anders als es bei mir der Fall ist, dessen Familie vor 200 Jahren aus Köln hierhergekommen ist –, etwas zu unternehmen.

Es besteht, glaube ich, eine gute Chance, diese Möglichkeiten in unserem Land zu nutzen und gemeinsam Spaß daran zu haben, die eigene und die fremde Kultur zu erleben. Wenn die Menschen am Ende nach zwei oder drei Jahren zurückkehren, weil wir es gemeinsam mit den westlichen Alliierten geschafft haben, in ihren Ländern wieder Frieden herzustellen, dann werden sie ein sehr positives Deutschland- und Europabild haben.

Wenn wir unsere Art und Weise, zu leben, auch in der Zukunft erhalten wollen, wird das nur auf europäische Art und Weise gehen. Wir können das nur gemeinsam mit unseren europäischen Partnern machen. Wir sollten uns nicht von solchen Leuten beeindrucken lassen, die aus einer anderen Welt kommen, aber noch nicht einmal für ihre eigenen Kulturwerte stehen. Denn wenn jemand aus Syrien kommt – viele kommen ja gar nicht von dort – und hier Terror verbreitet, dann kann er in seiner eigenen Landesgeschichte dafür keine Begründung finden. Die gibt es nicht. Es gibt keine Begründung dafür, dass man wahllos Menschen tötet. Es mag immer nachvollziehbare Gründe geben, dass der eine oder andere sich so entwickelt und sich verführen lassen hat – es ist auch interessant, dem nachzuspüren –; das ist aber keine Begründung dafür.

Es ist so: Tiefe wohnt nicht dem Bösen, sondern nur dem Schönen inne. Dem sind wir auch verpflichtet, und ich glaube, dass wir das in einer sehr guten und ruhigen Art abbilden, auch in unserem Haushalt.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Sonja Steffen von der SPD-Fraktion spricht als nächste Rednerin.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/6210954
Wahlperiode 18
Sitzung 139
Tagesordnungspunkt Einzelplan Bundeskanzlerin und Bundeskanzleramt
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