25.11.2015 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 139 / Tagesordnungspunkt I.10

Erika SteinbachCDU/CSU - Einzelplan Auswärtiges Amt

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Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Herausforderungen, vor denen die deutsche und auch die europäische Außenpolitik gegenwärtig stehen, sind gewaltig – das haben alle in ihren Beiträgen heute deutlich gemacht –, ob in Afrika, insbesondere im Nahen Osten, oder auch hier in Europa selbst.

Mit großer Sorge müssen wir feststellen, dass die multi­ethnischen und multireligiösen Staaten Syrien und Irak in den letzten Jahren immer instabiler geworden sind. Wir konnten das im Menschenrechtsausschuss über die Jahre hinweg deutlich beobachten. Das ganze Problem ist nicht vom Himmel gefallen, sondern vieles war frühzeitig erkennbar. All das hat zum Erstarken der islamistischen Terroristen, wie des sogenannten „Islamischen Staates“, geführt.

Der IS ist in den von ihm terrorisierten Teilen Syriens und des Iraks für zahlreiche schwerste Menschenrechtsverletzungen verantwortlich, wie zum Beispiel Massenhinrichtungen, gezielte Angriffe auf Zivilisten und auf die zivile Infrastruktur. Ich weigere mich aber, all das, was der IS tut, als „Krieg“ zu bezeichnen; denn damit erhöht man den IS zu einem Staat. Das ist er nicht. Es sind Terroristen.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Dagmar Ziegler [SPD] – Sevim Dağdelen [DIE LINKE]: Richtig, es ist kein bewaffneter Angriff, sondern es ist ein Terroranschlag!)

IS-Kämpfer rekrutieren Kinder und scheuen nicht davor zurück, Frauen und selbst Kinder systematisch zu vergewaltigen; das mag man sich überhaupt nicht vorstellen. Religiöse und ethnische Minderheiten wie Jesiden und Christen werden unterdrückt, vertrieben, ermordet. Auch die muslimischen Glaubensrichtungen selbst terrorisieren sich untereinander. Inzwischen ist eine regelrechte Entführungsindustrie zu einer der wichtigsten Finanzierungsquellen der Islamisten herangewachsen. Mit Entführungen wird viel Geld verdient. Das barbarische Vorgehen der Terrormiliz „Islamischer Staat“ muss von der Staatengemeinschaft gezielt und mit planvollem Handeln endlich beendet werden können. Das ist eine schwierige Aufgabe.

In der zweiten Zusammenkunft der Wiener Syrien-Konferenz konnten erste Schritte auf dem Weg zur Beendigung der Gewalt vereinbart werden. Herzlichen Dank, Herr Außenminister, dass Sie sich dafür so engagiert eingesetzt haben. Wir müssen versuchen, diesen Weg erfolgreich zu Ende zu gehen. Unser Ziel muss es sein, nach politischen Lösungen zu suchen, die befriedend wirken und damit Syrern am Ende wieder eine Perspektive in ihrer Heimat ermöglichen.

Die zunehmende Instabilität auch in vielen anderen Ländern und Regionen der Erde trägt dazu bei, dass die Zahl der Flüchtlinge beständig steigt. Zurzeit sind beinahe 60 Millionen Menschen – diese Zahl wurde vom Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen Mitte des Jahres ermittelt – weltweit auf der Flucht vor Kriegen, Konflikten, Verfolgung und auch Not. Davon sind 38 Millionen Binnenflüchtlinge, also Flüchtlinge innerhalb ihres eigenen Landes. Nie zuvor hat es so viele Menschen gegeben, die aus den unterschiedlichsten Gründen unterwegs gewesen sind.

Beobachter prognostizieren – auch ich bin davon fest überzeugt –, dass das, was wir jetzt erleben, erst der Anfang ist, wenn wir uns nicht klug und rechtzeitig insbesondere auch um den afrikanischen Kontinent kümmern – und kümmern müssen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Wir müssen leider erkennen, dass die Staatengemeinschaft – insbesondere auch die Europäische Union – in den vergangenen Jahren bei der Hilfe für die Menschen vor Ort sträflich versagt hat. Es darf sich nicht wiederholen, dass das UNHCR derart unterfinanziert ist, dass die Essensrationen in den Flüchtlingslagern der Nachbarländer Syriens halbiert werden müssen. Alle Staaten sind dringend aufgefordert, die von ihnen eigentlich zugesagten finanziellen Beiträge auch zu erbringen.

Deutschland hat schnell reagiert und die Mittel für das Welternährungsprogramm noch vor dem Wintereinbruch um 75 Millionen Euro erhöht. Dafür danke ich allen Haushaltskollegen – egal aus welcher Fraktion; natürlich, das muss ich hinzufügen, insbesondere den eigenen – ganz herzlich.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Neben der ersten so dringend notwendigen kurzfristigen menschenwürdigen heimatnahen Versorgung und Unterbringung durch humanitäre Hilfe bleibt aber vor allem die langfristig angelegte Bekämpfung der Fluchtursachen unsere zentrale politische Aufgabe. Nur dann wird es gelingen, die anschwellenden globalen Migrationsströme auch wirklich zu beeinflussen. Vor allem müssen wir die afrikanischen Staaten in der Wahrnehmung ihrer Eigenverantwortung bestärken. Diese müssen wir auch einfordern. Ich unterstütze ganz ausdrücklich, Herr Außenminister, dass Sie Ihren Weg nach Afrika gegangen sind, obwohl sich mancher fragte, warum Sie das getan haben. Das ist elementar nötig.

Es muss angesichts nie gekannter Zahlen von Migranten, die nach Deutschland kommen oder sich in Deutschland befinden, das Ziel sein, vor allem in den Herkunfts- und Transitländern die dringend benötigte Hilfe zu leisten. Denn eines, liebe Kolleginnen und Kollegen, weiß doch jeder von Ihnen, der sich vor Ort mit den Menschen und den Vertretern von Hilfsorganisationen unterhält: Das Elend dieser Welt lässt sich in Deutschland nicht beheben. Dafür gibt es zu viel davon. Wir haben bereits jetzt mit der Aufnahme von nahezu 1 Million Migranten die Grenze dessen überschritten, was viele leisten können.

Zudem ist leider erkennbar, dass damit auch die ethnischen und die religiösen Konflikte nach Deutschland importiert worden sind und unser Wertesystem auf eine Probe stellen werden. Davon müssen wir ausgehen. Unsere Städte und Gemeinden sowie die Landkreise ächzen unter der Last der Zuwanderungszahlen. Sie können nicht warten, bis EU-Lösungen oder internationale Lösungen gefunden worden sind. Dabei ist erkennbar, dass unsere europäischen Nachbarländer den deutschen Sonderweg nicht mitgehen wollen und nicht mitgehen werden. Das kann jeder prognostizieren, der die Verlautbarungen aus den Nachbarländern hört.

(Stefan Liebich [DIE LINKE]: Zum Glück entscheiden Sie nicht! – Heike Hänsel [DIE LINKE]: Sie sind doch Auslaufmodell, Frau Steinbach! Auslaufmodell!)

Deshalb ist es unabdingbar nötig, dass das vor Wochen spontan ausgesetzte Recht umgehend wieder angewendet wird. Das sind wir unserem Rechtsstaat und seinen Menschen schuldig.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist nicht leicht: Das Spannungsverhältnis zwischen Gesinnungsethik und Verantwortungsethik beschwert nicht wenige. Max Weber verlangte von uns Politikern, sich verantwortungsethisch zu verhalten. Gesinnungsethik, so Max Weber, sei etwas für die Heiligen.

(Heike Hänsel [DIE LINKE]: Da sind Sie die Richtige!)

Und das sind wir nicht.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Vielen Dank. – Als letzter Redner zu diesem Geschäftsbereich hat jetzt der Kollege Matern von Marschall das Wort.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/6211491
Wahlperiode 18
Sitzung 139
Tagesordnungspunkt Einzelplan Auswärtiges Amt
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