25.11.2015 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 139 / Tagesordnungspunkt I.10

Matern von MarschallCDU/CSU - Einzelplan Auswärtiges Amt

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Sehr verehrte Frau Präsidentin, herzlichen Dank. – Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist gelegentlich angeklungen, man solle in der Haushaltsdebatte nicht überwiegend über Geld sprechen. Eigentlich ist im Wesentlichen nicht über Geld gesprochen worden. Deswegen möchte ich sagen, dass die Voraussetzung all unseres politischen Handelns ein ausgeglichener Haushalt ist, und den hat Wolfgang Schäuble vorgelegt. Herzlichen Dank dafür!

(Beifall bei der CDU/CSU)

Wenn wir überdies in unserem nationalen Haushaltsplan neben den Ausgaben von 316 Milliarden Euro auch die Gesamteinnahmen sehen, die das Finanzministerium zurzeit auf 670 Milliarden Euro schätzt, dann ist allerdings auch klar, dass wir durchaus in der Lage sind, beachtliche Hilfe für die in dieses Land kommenden Flüchtlinge zu leisten. Darauf können wir stolz sein, und damit können wir auch in der Europäischen Union als Vorbild dienen.

Deswegen halte ich es für dringend erforderlich – lieber Kollege Petry, Sie haben von Austerität gesprochen –, dass wir das, was wir in Europa vereinbart haben, nämlich dass wir solide Haushalte sicherstellen wollen, auch in Zukunft machen und dass wir nicht unter dem Eindruck der Belastungen, die uns die Flüchtlingskrise, aber vielleicht auch die Bekämpfung des Terrorismus jetzt auferlegen, diese Disziplin in der Haushaltsführung aufgeben. Das, meine ich, ist eine ganz wesentliche europäische Aufgabe. Denn nur solide Haushalte ermöglichen uns, außenpolitisch und entwicklungspolitisch die Aufgaben zu bewältigen, die in Bezug auf die Bekämpfung der Fluchtursachen schon in beachtlichem Umfang hier ausgeführt worden sind.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Ich bin sehr dankbar, dass dieser Haushalt die kurz-, mittel- und langfristigen Aufgaben, die Deutschland hat und denen im Räumlichen lokale, nationale, europäische und globale Aufgaben entsprechen, sehr klar abbildet. Deswegen freue ich mich auch, dass die beiden zentralen europäischen Länder, nämlich Frankreich als Gastgeber und Deutschland ganz an der Seite Frankreichs, jetzt die Weltklimakonferenz in Paris ausrichten, übrigens gerade auch angesichts des Terrors als ein Zeichen der Solidarität mit Frankreich und als ein Zeichen politischer Arbeit, die der Bekämpfung der Fluchtursachen dient. Denn auch das ist schlussendlich globaler Klimaschutz.

Das ist auch ein Element der globalen Nachhaltigkeitsstrategie, zu der sich Deutschland und auch Europa verpflichtet haben. Die sogenannten Sustainable Development Goals wurden erst vor wenigen Wochen von den Vereinten Nationen in New York angenommen.

Mit anderen Worten – der Finanzminister hat es gestern mit Blick auf die Kontrolle der Finanzmärkte und auch auf die Möglichkeiten der Steuererhebung angesprochen –: Deutschland ist dabei, die „Bedingungen dieser immer enger werdenden weltweiten Verflechtung, die wir Globalisierung nennen“ – Zitat von Herrn Schäuble –, zu verstehen und in seiner Haushaltsführung bzw. in der Betonung dieser wichtigen internationalen Aufgaben entsprechend zu reflektieren. Das ist von großer Bedeutung. Ich freue mich, dass dies gelingt.

Wenn wir über Terrorismus sprechen, und das ist angesichts der entsetzlichen und grausamen Anschläge in Paris unausweichlich – gleichwohl sie in Europa die schrecklichsten sind, haben die Anschläge in sehr vielen anderen Ländern, etwa in der ganzen Region von Afghanistan bis nach Syrien, noch entsetzlichere Ausmaße –, dann halte ich es im europäischen Kontext für ganz außerordentlich wichtig, dass wir die Kooperation unserer Nachrichtendienste stärken. Das sollte namentlich über Europol geschehen, und über Europol geschieht es auch jetzt schon.

Es sind allerdings nur wenige Länder bereit, umfangreich Daten einzustellen, die aber für die Aufklärung etwa der Wege, die Terroristen in Europa nehmen, von großer Bedeutung sind. Wenn wir das rückblickend betrachten – etwa bei dem Gott sei Dank vereitelten Anschlag im Thalys-Zug –, konnte man a posteriori sehr gut die Wege nachvollziehen, und man konnte auch jetzt erkennen, wie vereinzelt Terroristen den Weg über die Balkan-Route gefunden haben. Hier bedarf es also nicht nur einer Stärkung ihrer Arbeit in den nationalen Haushalten, sondern auch einer außerordentlich engen Zusammenarbeit der Nachrichtendienste, und das muss namentlich über Europol geschehen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Mit Blick auf die Außengrenzen der Europäischen Union muss ich schon sagen – ich bin davon überzeugt –: Wenn es in Griechenland nicht möglich ist, mit nationalen Mitteln die Grenzen zu sichern, dann müssen wir – und zwar auch kurzfristig – zu einer gemeinsamen europäischen Sicherung unserer Außengrenzen gelangen. Wenn wir nicht zu einer gemeinsamen Außengrenzsicherung gelangen, also zu einer von allen europäischen Nationen gemeinsam getragenen Grenzsicherung, dann wird natürlich der Druck steigen, eine isolierte nationale Lösung bei der Grenzsicherung zu finden. Das wollen wir vermeiden. Deswegen ist eine gemeinsame europäische Grenzsicherung ein Schwerpunkt der unmittelbaren Zukunft unserer Arbeit.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Ich komme als Berichterstatter für die Türkei auf dieses Land, über das bereits debattiert wurde, zu sprechen. Ich will in aller Deutlichkeit sagen: Wenn man den Fortschrittsbericht der Europäischen Kommission liest – dieser müsste eigentlich Rückschrittsbericht heißen –, dann stellt man fest, dass die Türkei mit Blick auf die Grundrechtskapitel in einer Lage ist, die als mehr als betrüblich, wenn nicht sogar als katastrophal zu bezeichnen ist. Hier sind leider keine Fortschritte, sondern Rückschritte festzustellen.

(Omid Nouripour [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Deshalb macht die Bundeskanzlerin dort Wahlkampf!)

Herr Kollege, die Kollegin Hänsel würde gerne eine Zwischenfrage stellen. Wollen Sie sie zulassen oder weitersprechen?

Ich würde ausnahmsweise weitersprechen, um meinen Gedanken zu Ende zu führen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Vielleicht kann die Frage nachfolgend gestellt werden.

Ich möchte auf die Menschenrechtskapitel etwas näher eingehen. Der Kabinettschef von Herrn Hahn, den ich in der letzten Woche in Brüssel getroffen habe, hat mir klar signalisiert, dass es kein Junktim im Zusammenhang mit der Unterstützung, die dazu dient, die Türkei angesichts der Flüchtlingsbewegungen zu stabilisieren, geben wird und dass es zu keiner Aufweichung der klaren und strikten Vorgaben aus den Fortschrittsberichten, die sich an den Kapiteln orientieren, kommen wird. Diese Kapitel werden also nicht mit einem Deal verknüpft; das sollte ausdrücklich klar sein.

Die Europäische Kommission plant, die Türkei mit 3 Milliarden Euro zu unterstützen. 500 Millionen Euro kommen aus dem Haushalt der Europäischen Union,

(Sevim Dağdelen [DIE LINKE]: 1 Milliarde wegen Russland-Embargo!)

und 2,5 Milliarden Euro stammen aus den Haushalten der Mitgliedstaaten, allen voran aus dem Haushalt Deutschlands, das sich entsprechend dem in Europa üblichen Gross National Income mit 22 Prozent beteiligt. Wie wir sehen, will Deutschland die Türkei in die Lage versetzen, den Flüchtlingen in ihrem Land eine Perspektive zu geben. Das wird unterstützt durch unser BMZ, das mit Maßnahmen die mittel- und längerfristige Perspektive, etwa die schulische Bildung, stärkt. Wir machen das sowohl im europäischen als auch im nationalen Kontext; das ist wichtig. Wir werden aber eine Visa­liberalisierung nur vornehmen, wenn die Türkei bereit ist, Flüchtlinge zurückzunehmen, die von der Türkei aus in andere Länder der Europäischen Union eingewandert sind. Das sollte deutlich gemacht werden, wenn wir der Türkei Hilfe leisten. Das ist auch in meinem Gespräch mit dem Kabinettschef von Herrn Hahn einvernehmlich so ausgedrückt worden.

Frau Hänsel, Sie dürfen jetzt gerne Ihre Zwischenfrage stellen. Oder hat sie sich erledigt?

Frau Hänsel hat eine Kurzintervention angemeldet. Sie können also entspannt zu Ende sprechen.

Dann werde ich entspannt zu Ende sprechen.

Ich will eines klarmachen: Wenn Deutschland, Frankreich, Großbritannien und Italien zwei Drittel der finanziellen Lasten des Pakets, das nun die Europäische Union schnürt, tragen, dann wird auch klar, dass diese Länder maßgeblich die Zukunft der europäischen Außenpolitik mitbestimmen müssen, solange wir keine wirkungsvolle gemeinsame Außenpolitik haben. Da ist Bundeskanzlerin Merkel die Beste, die das vorantreiben kann.

Danke.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Zu einer Kurzintervention erteile ich das Wort der Abgeordneten Hänsel, Fraktion Die Linke.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/6211506
Wahlperiode 18
Sitzung 139
Tagesordnungspunkt Einzelplan Auswärtiges Amt
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