Jürgen KlimkeCDU/CSU - Einzelplan Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vor einigen Wochen wurde die deutsche Entwicklungszusammenarbeit durch einen Prüfbericht der OECD untersucht, und ihr wurde ein sehr gutes Zeugnis ausgestellt. Deutschland sei auf dem richtigen Wege, verkündete der Zusammenschluss der wichtigsten Industriestaaten. Der OECD-Bericht legt dar, dass wir es in den letzten Jahren, und zwar insbesondere im Jahr 2010, geschafft haben, durch die Evaluierung eine ganze Reihe von Verbesserungsmaßnahmen im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit auf den Weg zu bringen. So wird hier insbesondere darauf hingewiesen, dass es eine verbesserte Steuerungsfähigkeit des zuständigen Ministeriums gegeben hat. Es sei eine starke Präsenz der Durchführungsorganisationen in den Partnerländern sichergestellt worden. Die Abstimmung mit den multilateralen Akteuren sei in einer sehr viel besseren Form erfolgt. In sämtlichen Bereichen zeigen sich also gute Erfolge. Das ist das Urteil der Prüfkommission.
Das zeigt, dass die Wirksamkeit der deutschen Entwicklungszusammenarbeit in den letzten Jahren schrittweise erhöht worden ist, und das sehr konsequent. Dies geht auch – das muss man deutlich sagen – auf die Effektivierungsmaßnahmen zurück, die unter der letzten Bundesregierung auf den Weg gebracht worden sind.
Unsere heutige Aussprache zum Etat des Ministeriums ist auch eine Fortschreibung dieses Erfolges. Es ist mehrfach gesagt worden: Im kommenden Jahr werden wir rund 7,4 Milliarden Euro für diesen Aufgabenbereich zur Verfügung stellen. Das sind 13,2 Prozent mehr als im laufenden Jahr. Zur historischen Einordnung: Es ist der höchste Etat des Ministeriums seit seinem Bestehen.
7,4 Milliarden Euro und kontinuierliche Verbesserungen im Wirkungsgrad deutscher Entwicklungszusammenarbeit: Das zusammen eröffnet einen sehr viel größeren Handlungsspielraum. Das ist gerade auch aufgrund der Problematik in der Flüchtlingssituation bitter notwendig. Es ist an dieser Stelle schon mehrfach angesprochen worden: Die weltweite Bekämpfung und Beseitigung von Fluchtursachen sehen Minister Müller und die Entwicklungspolitiker in der Koalition als das Thema der Stunde an. Entwicklungspolitik kann und muss ihren Beitrag leisten, um die große Zahl von Flüchtlingen in den kommenden Jahren zu reduzieren. Entwicklungspolitik ist unsere Hilfe, unser Werkzeug für die Arbeit vor Ort. Deswegen begrüße ich den Mittelzuwachs um 190 Millionen Euro auf 300 Millionen Euro für die Sonderinitiative „Fluchtursachen bekämpfen – Flüchtlinge reintegrieren“ ausdrücklich.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Sonja Steffen [SPD])
Machen wir uns noch einmal die Bandbreite bewusst, in der die deutsche Entwicklungspolitik ihre Wirkung entfaltet. Das Europäische Jahr für Entwicklung 2015 neigt sich dem Ende zu. Es war ein entscheidendes Jahr für die große globale Entwicklungsagenda. Deutschland hat diesen Prozess maßgeblich mitgestaltet. Auch hier möchte ich der Bundeskanzlerin noch einmal ausdrücklich Dank für ihren Einsatz im Dienste der Entwicklungspolitik aussprechen. Insbesondere auf dem G-7-Gipfel auf Schloss Elmau im Juni dieses Jahres hat sie entwicklungspolitische Themen propagiert, vorangebracht und ihnen auf diesem Gipfel eine Plattform gegeben. Das ist nicht selbstverständlich. Sie, Minister Müller, haben im Anschluss an dieses Treffen gesagt: So viel Entwicklungspolitik war noch nie. – Das ist völlig richtig.
(Beifall der Abg. Sibylle Pfeiffer [CDU/CSU])
Einen entwicklungspolitischen Meilenstein haben wir dieses Jahr auch mit der Verabschiedung der UN-Nachhaltigkeitsziele erreicht. Die sogenannte Post-2015-Agenda wird Deutschland und die Welt in der Entwicklungszusammenarbeit bis zum Jahr 2030 begleiten. Im Rahmen zukünftiger Debatten über diesen Haushalt wird die Finanzierung der nachhaltigen Entwicklungsziele natürlich auch nachhaltig auf der Agenda stehen. Denn eines muss deutlich kommuniziert werden: Mit den neuen Entwicklungszielen wird der Finanzierungsbedarf enorm steigen, vor allem für Infrastruktur und klimarelevante Investitionen.
Im Juli dieses Jahres konnte ich Minister Müller auf die Financing-for-Development-Konferenz nach Addis Abeba begleiten. Aufbauend auf den Konferenzen in Monterrey und Doha wurde dort über die Grundlagen der internationalen Finanzarchitektur und vor allen Dingen über die Umsetzung der UN-Nachhaltigkeitsziele diskutiert. Von dort konnte ich, konnten wir das Ergebnis mitnehmen, dass ein globaler Konsens darüber besteht, alle Möglichkeiten der Entwicklungs- und Klimafinanzierung zu nutzen und einheitlich zu erfassen, sowohl öffentliche als auch private Ressourcen.
Die Klimakonferenz in Paris wird im Gipfelkalender 2015 nun den Abschluss bilden. Auch hier soll Wegweisendes verkündet und ein Nachfolgeabkommen für das Kioto-Protokoll beschlossen werden. Ich erinnere an dieser Stelle sehr gerne daran, dass das BMZ mit einer Haushaltszuständigkeit für 90 Prozent der globalen Klimamittel Deutschlands eine wachsende Verantwortung trägt; auch das muss hier deutlich gesagt werden. Die Mittel im Kampf gegen die globale Erderwärmung sollen um 250 Millionen Euro steigen. Denn die Folgen des Klimawandels sind vor allem für die Menschen in den Schwellen- und Entwicklungsländern spürbar – Bangladesch ist genannt worden –, und sie werden in absehbarer Zeit viele Tausende Klimaflüchtlinge verursachen, wenn wir nicht handeln, meine Damen und Herren.
Aber auch in Deutschland sind wir einen guten Schritt weitergekommen; das darf ich in einer Bilanz, die im Zusammenhang mit dem Haushalt notwendig ist, deutlich sagen. Das von Minister Müller initiierte Bündnis für nachhaltige Textilien hat seine Mitgliederzahl ein Jahr nach seiner Gründung verfünffacht – eine gute Entwicklung, die uns Hoffnung gibt, dass das Bündnis auch sichtbare Erfolge für die Verbraucher erarbeitet.
Meine Damen und Herren, wie schaffen wir es nun, in diesem breiten Aufgabenfeld mit den uns zur Verfügung stehenden Finanzmitteln möglichst viel zu erreichen? Lassen Sie mich an dieser Stelle auf die von mir bereits angesprochene strategische Ausrichtung der Entwicklungspolitik eingehen. Jedem von uns investierten Euro, der in den betroffenen Ländern für die Bekämpfung von Fluchtursachen, für die Begrenzung des Klimawandels oder zur Förderung der Gleichberechtigung von Frauen in Entwicklungsländern eingesetzt wird, steht ein Mehrwert gegenüber, den wir nicht für die Folgen von Flucht, von Klimaschäden und zur Beseitigung von Ungleichheit aufbringen müssen. Das sind eben Investitionen in die Zukunft; das ist wichtig.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)
Minister Müller hat dies an einem Beispiel deutlich gemacht: 1 Euro, den wir im Libanon investieren, kann dort einen Nutzen von bis zu 30 Euro entfalten. Er nützt dort also 30-mal mehr; das müssen wir sehen.
Doch nicht selten steht die Entwicklungspolitik in der Kritik. Ihr Nutzen wird nicht nur von Politikern, sondern auch von der Bevölkerung – wir alle wissen das – immer wieder hinterfragt. Von einem Fass ohne Boden ist die Rede. „ Kommt das denn eigentlich auch unten an?“, ist die Frage. Die Entwicklungszusammenarbeit und wir als Entwicklungspolitiker, wenn wir an unseren Ständen auf den Märkten stehen, befinden uns in einer besonderen Rechtfertigungssituation und stehen unter einem besonderen Erfolgsdruck. Denn wir geben – oder schleudern; wie auch immer – die Steuergelder ins Ausland.
Die gute Nachricht ist, meine Damen und Herren: Meines Erachtens hat sich in den vergangenen Monaten in der deutschen Öffentlichkeit auch hier eine positivere Einschätzung zur Notwendig von nachhaltiger Entwicklungszusammenarbeit verbreitet. Aus diesem Grunde ist die Politik verpflichtet, mit größter Sorgfalt zu überprüfen, wie wir unsere entwicklungspolitischen Projekte zum größtmöglichen Erfolg führen können. Jeden Tag müssen wir aufs Neue auswerten, was gut läuft und wo Verbesserungen notwendig sind. Um dem Vertrauen in die Entwicklungspolitik ein solides Fundament zu geben, ist es meines Erachtens von großer Bedeutung, aus Erreichtem zu lernen und die richtigen Schlüsse zu ziehen.
2012 haben wir deshalb das Deutsche Evaluierungsinstitut der Entwicklungszusammenarbeit gegründet und damit ein nützliches Instrument geschaffen. Es hat das Potenzial, uns auf unsere Fehler aufmerksam zu machen, unsere Erfolge zu bewerten und die Misserfolge deutlich und transparent zu machen und sachlich zu analysieren. Das DEval kann uns durch seine Evaluierungsempfehlungen eine effektivere Entwicklungszusammenarbeit ermöglichen und uns helfen, zukünftige Projekte auf den richtigen Kurs zu bringen.
Evaluierung erhöht den Druck auf uns, die Nachhaltigkeit von Projekten noch ernster zu nehmen. Doch leider spielt das DEval nicht immer die Rolle, die man ihm bei seiner Gründung zugedacht hat. Bisher ist lediglich eine überschaubare Anzahl an Evaluierungsberichten fertiggestellt worden. Wir nutzen dieses Potenzial des Institutes noch in einem zu geringen Umfang; das muss man auch selbstkritisch sagen.
Neben dem DEval gibt es eine Reihe weiterer Organisationen, zum Beispiel die KfW, die eigenständig eine sehr breit angelegte Evaluation von entwicklungspolitischen Projekten durchführen. Wir brauchen eine stärkere Verzahnung zwischen dem DEval und diesen Organisationen. Wir müssen die Kräfte besser bündeln und koordinieren und einen Weg finden, aus dieser Vielzahl an Evaluationen und Erkenntnissen strategisch zu lernen und einen Mehrwert zu erzielen.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich auch noch einige Sätze zur Flüchtlingsthematik sagen. Derzeit beschäftigen wir uns ja mit dem Thema Obergrenze und damit, wie viele Menschen zu uns kommen und welche Kosten entstehen werden. Das alles ist hier schon mehrfach gesagt worden. Diese Fragen beschäftigen die Menschen natürlich deutschlandweit, und wir müssen Antworten darauf geben. Vor allen Dingen müssen wir die Menschen auch vor Demagogen schützen und deutlich machen, dass sie nicht missbraucht werden dürfen. Beispiele dafür hat es in der jüngsten Zeit ja sehr viele gegeben. Nichtsdestotrotz darf unsere Unterstützung für diese Krisenregion nicht aus dem Fokus verschwinden. Deshalb müssen die Anliegen der Entwicklungszusammenarbeit Gehör finden.
Vergessen wir nicht: Staaten wie die Türkei, der Libanon oder Jordanien haben Hunderttausende Flüchtlinge aus Syrien und dem Irak aufgenommen. Deshalb geht mein Appell hier nochmals in Richtung Intensivierung der Entwicklungszusammenarbeit.
Die politische Ressortabgrenzung in Deutschland gibt vor, dass das Auswärtige Amt für den gesamten Bereich der humanitären Hilfe verantwortlich ist. Der Einzelplan 05 – Auswärtiges Amt – zeigt: Für humanitäre Hilfsmaßnahmen im Ausland sind im kommenden Jahr rund 730 Millionen Euro veranschlagt. Diese Summe ist aufgrund der aktuellen Lage auch dringend notwendig. Wir müssen versuchen, das gemeinsam mit dem Auswärtigen Amt effektiv umzusetzen und hier eine gute Synthese der beiden Ministerien zu erreichen.
Zum Schluss möchte ich noch einmal die Gelegenheit nutzen, auf die historische Steigerung im Haushaltsentwurf hinzuweisen. Dieses Mehr an Entwicklungsmitteln brauchen wir auch dringend, um die maßgeblichen Verbesserungen der Lebensbedingungen der Menschen in den Krisenregionen zu bewirken. Noch einmal: Sie leisten einen wichtigen, wenn nicht sogar den wichtigsten Beitrag dafür, Flucht und Vertreibung abzumildern.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)
Vielen Dank, Herr Kollege Klimke. – Letzte Rednerin in dieser Debatte: Sonja Steffen für die SPD.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/6212234 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 139 |
Tagesordnungspunkt | Einzelplan Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung |