Andreas MattfeldtCDU/CSU - Einzelplan Wirtschaft und Energie
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Meine vergangenen Reden zum Abschluss der Haushaltsberatungen zum Wirtschaftsministerium waren immer von den wirtschaftlichen Rahmendaten geprägt. Fast schon erfolgsverwöhnt konnten wir uns über eine langanhaltende, aber vor allen Dingen auch anständige wirtschaftliche Entwicklung freuen, von der vor allem der Arbeitsmarkt und infolgedessen auch die Haushalte von Bund, Ländern, aber auch Kommunen durch sprudelnde Steuereinnahmen profitierten. Dies gilt auch für das Haushaltsjahr 2016.
Meine Damen und Herren, diesem Land geht es nunmehr seit einigen Jahren sehr gut. Durch unsere wirtschaftliche Stärke haben wir uns große Aufgaben zugetraut. So haben wir beschlossen, eine Energiewende einzuleiten, die in Art und Umfang für eine Volkswirtschaft unserer Größenordnung einmalig ist und die bei Erfolg auch für andere Nationen beispielhaft sein kann. Auch die Bewältigung der Verschuldungskrise im Euro-Raum wäre ohne die wirtschaftliche Stärke Deutschlands, so bin ich sicher, nur schwerlich zu bewältigen gewesen. Aber auch erhebliche Mehrausgaben für soziale Wohltaten wie zum Beispiel bei der Rente oder auch die massive Entlastung der Kommunen konnte der Bund scheinbar mühelos schultern.
(Ulrich Freese [SPD]: Leg mal eine neue Schallplatte auf!)
Mehrausgaben bei Infrastrukturprojekten wie zum Beispiel für den immer noch nicht fertiggestellten Flughafen in Berlin-Schönefeld kann dieses Land anscheinend spielend verkraften. – Damit habe ich nur ganz wenige ausgaberelevante Themen genannt.
Die größte Herausforderung – da müssen wir, glaube ich, jetzt aufpassen, dass wir uns nicht verheben – steht uns erst noch bevor. Das Thema der Bewältigung der bisher größten Fluchtbewegung bestimmte deshalb nicht nur diese Woche die Debatten, sondern auch die gesamten Haushaltsberatungen. Die Flüchtlingsbewegung wird ganz sicher unser politisches Handeln auch in den kommenden Jahren noch bestimmen. Dabei mag ich mir gar nicht vorstellen, wie die Situation in Deutschland aussehen würde, wenn wir die derzeitigen Flüchtlingszahlen bei wirtschaftlicher Rezession, bei Haushaltsdefiziten, bei hoher Arbeitslosigkeit bewältigen müssten. Schon hieran sehen Sie, dass die Bewältigung des Flüchtlingsstroms – neben allen sozialen Problemen – vor allem auch ein großes Wirtschaftsthema ist.
Ja, Herr Vizekanzler, dieses Land ist stark. Bei unserer demografischen Entwicklung kann dieses Land sicherlich auch Zuwanderung verkraften; nein, ich bin mir sicher: Diese Zuwanderung ist sogar notwendig, um unsere großen sozialen Aufgaben auch in den kommenden Jahrzehnten bewältigen zu können.
(Kerstin Andreae [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist ja mal eine Ansage!)
Was wir aber nicht bewältigen können, das ist die Geschwindigkeit, und das ist die Anzahl der zu uns kommenden Menschen. Bei dieser Geschwindigkeit und bei dieser Anzahl ist eine Integration in unser gesellschaftliches System und in den Arbeitsmarkt nach meiner festen Überzeugung nahezu unmöglich.
Herr Vizekanzler, ich bin seit über 25 Jahren an vorderster Front in der Politik aktiv, sowohl im kommunalen Bereich wie auch auf bundespolitischer Ebene, 15 Jahre davon hauptberuflich. Jede politische Herausforderung, jedes Gesetz habe ich, ob es mir nun passte oder nicht, vor allem auch als Bürgermeister, umgesetzt – ganz nach dem Motto: Man jammert nicht; man löst das Problem.
(Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Man ist demokratisch!)
Das erste Mal habe ich als politischer Entscheidungsträger in diesen Monaten den Eindruck, dass wir als Staatsgewalt die Kontrolle in der Flüchtlingskrise verloren haben.
(Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann abdanken!)
Wir haben die Kontrolle verloren, vielleicht auch, weil wir uns nicht trauen, unpopuläre Dinge auszusprechen und durchzusetzen, zum Beispiel, dass die Aufnahmekapazität von Flüchtlingen in diesem Land überschritten sein dürfte
(Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ist das jetzt die Gegenrede zu gestern, zu Merkel?)
und auch Rückweisungen kein Tabu mehr sein dürfen
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein! Auf keinen Fall! – Zurufe von der LINKEN)
– Sie dürfen sich gerne melden; ich bin gerne bereit, Zwischenfragen zu beantworten; dann hören das auch alle –, aber auch – da schaue ich auf die leider sehr spärlich besetzte Länderbank –, dass wir Rückführungen von nicht bleibeberechtigten Personen in nennenswerter Anzahl derzeit einfach nicht umsetzen.
(Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sind Sie eigentlich in der Opposition rechts von Frau Merkel? Oder sind Sie noch Regierungsfraktion? – Weitere Zurufe von der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Liebe Kollegen aus den Ländern, das ist Ihre Aufgabe, und ich fordere Sie eindringlich auf, Rückführungen konsequent durchzuführen, damit wir auch zukünftig den wirklich von Verfolgung bedrohten Menschen Hilfe bieten können. Wir brauchen zwingend und dringend ein solches Signal.
Meine Damen und Herren, wir dürfen unser Land nicht überfordern. Gerade deshalb ist es wichtig, dass wir bei der Aufstellung von Haushalten auch zukünftig maßhalten. Leider habe ich den Eindruck, dass in nahezu allen Ressorts die Flüchtlingskrise dazu genutzt wird, um erheblichen Stellenaufwuchs und Mehrausgaben zu begründen.
(Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Also, das würde ich nicht sagen!)
Ich habe schon die Befürchtung, dass dauerhaft durch ein solches Verhalten alle Dämme brechen und eine Politik der schwarzen Null im Haushaltsbereich aufgegeben werden soll. Ich halte das für den absolut falschen Weg.
Als Berichterstatter für das Wirtschaftsministerium möchte ich dazu beitragen, dass es uns gelingt, die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen auch zukünftig positiv auszugestalten, damit zum Beispiel gerade die wirtschaftlich wichtigste Säule und der Stabilitätsfaktor unserer Volkswirtschaft, nämlich der Mittelstand, auch zukünftig erfolgreich ist. Eine Eintrübung der wirtschaftlichen Lage können wir in den kommenden Jahren weiß Gott nicht mehr bewältigen. Deshalb kommt diesem Wirtschaftsetat eine besondere, ja sogar außergewöhnliche Bedeutung zu. Insgesamt umfasst der Haushalt von Minister Gabriel im Jahr 2016 7,622 Milliarden Euro und erfährt damit einen Aufwuchs in Höhe von über 95 Millionen Euro gegenüber dem eingebrachten Regierungsentwurf. Ein Großteil hiervon, nämlich über 40 Millionen Euro, fließt sogar in das CO2-Gebäudesanierungsprogramm.
Ganz wichtig, meine Damen und Herren, war uns die Ausweitung der Fördermittel für den Mittelstand. Hier haben wir insgesamt 21 Millionen Euro mehr bereitgestellt, als vom Ministerium ursprünglich beantragt war. Ich möchte gar nicht weiter darauf eingehen, wie wichtig der Mittelstand für die Wirtschaftskraft unseres Landes und für Arbeitsplätze ist. Das hören die jeden Tag. Sagen darf ich aber, dass ich mich sehr gefreut habe, dass ein Unternehmen aus meinem Wahlkreis durch unsere Unterstützung einen sogenannten Tankreinigungsroboter – der Arbeitsname T-REX gefiel mir sehr gut – entwickeln konnte. Dadurch konnten nicht nur Arbeitsplätze in erheblichem Umfang geschaffen werden, sondern dies hat dem Unternehmen sogar auch den Deutschen Arbeitsschutzpreis 2015 eingebracht. Auch dies ist, wie ich meine, ein schöner Nebeneffekt unserer Förderung; denn gerade Arbeitsschutz wird auch heute noch zu wenig in den Blickpunkt gerückt und manches Mal leider vernachlässigt.
Außerdem war es uns wichtig, die Gelder für die Unterstützung der Wirtschaft bei Auslandsmessen wieder anzuheben. Hier wurde eine Kürzung in Höhe von circa 0,5 Millionen Euro zurückgenommen. Ich habe mich gefreut, dass dies auch mein Koalitionskollege und Mitberichterstatter – lieber Thomas, herzlichen Dank dafür – so gesehen hat. Wir konnten durch kluge Umschichtungen sogar circa 2 Millionen Euro mehr für Auslandsmessen bereitstellen. Gerade die Präsenz des Wirtschaftsministeriums auf Messen im Ausland bietet für kleine und für mittelständische Unternehmen die Möglichkeit, sich mit sehr geringem Aufwand zu präsentieren und so Umsatz- und Marktanteile weltweit zu sichern.
Als Norddeutscher habe ich mich gefreut, dass es uns gelungen ist, die maritime Wirtschaft und die damit verbundenen Chancen für die Schaffung und den Erhalt von Arbeitsplätzen in den Blickpunkt zu rücken. Insgesamt haben wir für den Schiffbau 10 Millionen Euro zusätzliche Fördermittel für technische Innovationen bereitgestellt. Ich bedaure sehr, dass mein Heimatland Niedersachsen die maritime Wirtschaft nunmehr schon seit einigen Jahren sehr stiefmütterlich behandelt, obwohl gerade Niedersachsen von diesen Mitteln massiv profitieren könnte.
(Thomas Oppermann [SPD]: Sie waren wohl schon lange nicht mehr da, oder? Das ist seit drei Jahren besser geworden!)
Leider hat sich Niedersachsen, gerade in den letzten drei Jahren, geweigert, die notwendige Kofinanzierung der Förderung mitzutragen,
(Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Was ist denn das hier für eine Rede heute?)
sodass niedersächsische Schiffbauunternehmen hiervon nicht profitierten.
(Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Wir sind heute nicht im Ortsrat!)
Ich hoffe sehr, da auch noch der Länderbeitrag von uns Haushältern massiv gesenkt wurde und er ab nächstem Jahr nur noch ein Drittel – vormals waren es 50 Prozent – beträgt, dass sich Niedersachen seiner Verantwortung bewusst wird und die Blockadehaltung aufgibt. Herr Minister, vielleicht können auch Sie mit Ihren niedersächsischen Verbindungen noch einmal vermitteln.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Zuruf des Abg. Thomas Jurk [SPD])
Eine weitere Branche, die ich für wichtig halte und über die viele in unserem Land am liebsten gar nicht sprechen, ist die Rüstungsindustrie. Dabei verkennt man, dass auch hier inklusive der Zulieferbetriebe nahezu 350 000 Menschen Beschäftigung finden, die mit ihrem Know-how auch die Verteidigungsfähigkeit unseres Landes und der westlichen Wertegemeinschaft sichern.
(Zuruf des Abg. Dr. Diether Dehm [DIE LINKE])
Herr Minister, ich glaube, wir sollten uns schnell darüber unterhalten, ob wir mit der auch von Ihrer Seite verbal unterstrichenen restriktiven Rüstungspolitik nicht über das Ziel hinauslaufen.
(Zurufe von der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Hiermit meine ich keinesfalls die Diskussion um Panzerlieferungen in problematische Regionen, sondern erheblich unproblematischer gelagerte Fälle. Es kann doch nicht sein, dass Mitarbeiter im Ministerium und im BAFA mittlerweile so verunsichert sind, dass selbst der Export von gepanzerten Limousinen für die UNO nur schwerlich möglich ist
(Zurufe der Abg. Dr. Diether Dehm [DIE LINKE] und Kerstin Andreae [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
oder Genehmigungen für Sonargeräte zur Küstensicherung in unproblematischen Ländern nur nach heftigster Intervention von Parlamentariern erfolgen. Von viel zu spät gelieferten schusssicheren Westen in die Ukraine mag ich schon gar nicht mehr sprechen.
Im Ausland wird von der Konkurrenz schon mit dem Label „german-free product“ geworben, sodass ich befürchte, dass Arbeitsplätze massiv gefährdet sind und ins Ausland verlagert werden. Ich jedenfalls halte das für gefährlich, meine Damen und Herren.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Dr. Diether Dehm [DIE LINKE]: Dann kriegen Sie noch mehr Flüchtlinge!)
Eine besondere Bedeutung für die deutsche Wirtschaft hat natürlich auch die Luftfahrt. Hier haben wir vor kurzem erneut gute Nachrichten aus dem Hause Airbus gehört. Die Chinesen haben 130 Flugzeuge vom Typ A320 und A330 bestellt. Aber gleichzeitig bekommt Airbus – das haben wir auch gelesen – enorme Konkurrenz aus China, das bekanntlich ein eigenes Mittelstreckenflugzeug entwickelt und demnächst in Serie bauen will. Airbus hat damit weitere ernstzunehmende Konkurrenz bekommen. Aber wir kennen das Unternehmen: Die werden sich mit Sicherheit noch mehr ins Zeug legen; denn Wettbewerb belebt bekanntlich das Geschäft. Und ich bin sicher, dass der Deutsche Bundestag dieses erfolgreiche Unternehmen, an dem wir als Bundesrepublik Deutschland nicht unerheblich beteiligt sind, auch zukünftig im Rahmen der notwendigen Möglichkeiten unterstützen wird.
Meine Damen und Herren, zum Schluss meiner Rede möchte ich Danke sagen, Danke sagen Ihnen ganz persönlich, Herr Minister,
(Dr. Diether Dehm [DIE LINKE]: Da freut er sich!)
aber ganz besonders auch Ihrem Staatsekretär Rainer Sontowski sowie dem gesamten Haushaltsreferat. Ich danke auch den Kolleginnen und Kollegen Berichterstatter für den Einzelplan 09. Die Haushaltsberatungen haben trotz der Arbeitsintensivität Spaß gemacht, und das liegt nicht zuletzt am guten Miteinander, das wir pflegen. Ich bitte um Zustimmung zum Einzelplan, dem auch die Opposition mit ruhigem Gewissen zustimmen könnte.
Danke schön.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Thomas Jurk [SPD] – Dr. Dietmar Bartsch [DIE LINKE]: „Könnte“!)
Für die SPD-Fraktion erhält nun der Kollege Hubertus Heil das Wort.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wenn noch einer sagt, man habe die Kontrolle verloren, dann flippe ich aus!)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/6214613 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 140 |
Tagesordnungspunkt | Einzelplan Wirtschaft und Energie |