Michael FuchsCDU/CSU - Einzelplan Wirtschaft und Energie
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe zunächst überlegt, ob ich auf die Rede des Kollegen Schlecht eingehen soll, aber mir ist dabei schlecht geworden. Ich lasse es deswegen sein;
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Dr. Diether Dehm [DIE LINKE]: Ha, ha! Sie sind der Fuchs im Hühnerstall! – Weiterer Zuruf von der LINKEN: Sehr originell!)
das hat nun wirklich keinen Sinn. Die Aussagen, die er da von sich gegeben hat, mögen bei dem VEB DDR funktioniert haben – wir haben das Resultat 1989 mit dem Zusammenbruch der DDR erlebt –, hier in diesem Parlament brauchen wir das Ganze nicht.
(Dr. Dietmar Bartsch [DIE LINKE]: Er ist aus Baden-Württemberg, Herr Fuchs!)
– Er hat Gott sei Dank in Baden-Württemberg nichts zu sagen, sonst würde es dem Land auch schlechtgehen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, Deutschland geht es gut; die Kanzlerin hat es gestern betont. 43,2 Millionen Erwerbstätige, rund 30 Millionen, die sozialversicherungspflichtig beschäftigt sind: Das ist eine Erfolgsstory. Das können Sie nicht wegdiskutieren, was auch immer Sie damit erreichen wollen.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Nur die Situation jetzt ist so, dass wir vor gewaltigen Herausforderungen stehen. Die Herausforderungen entstehen durch die große Flüchtlingswelle, die wir bewerkstelligen müssen. Wir sind gefordert, Lösungen zu finden. Das heißt auch, dass wir darauf achten müssen, dass es nicht dazu kommt, dass diesen Menschen keine Perspektive in Deutschland eröffnet wird; denn wenn sie keine Perspektive in Deutschland haben, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, dann werden wir eine Situation wie in den französischen Banlieues erleben.
Es ist tragisch, was in Paris passiert ist. Es ist furchtbar, was dort passiert ist. Aber es waren junge Franzosen und junge Belgier, die diese Anschläge verübt haben. Man muss sich bitte überlegen, woher das kommt. Das kommt daher, dass diese jungen Menschen in den Banlieues, in den Vorstädten von Paris und Brüssel, keine Perspektive hatten. Sie haben auch keine Chancen gesehen, dass sich ihre Situation ändert. Deswegen ist es unsere Aufgabe, eine Wirtschaftspolitik zu machen, die Arbeitsplätze schafft, so dafür zu sorgen, dass junge Menschen in Deutschland eine Chance haben. Das ist unsere Aufgabe; die sehe ich auch genau so.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)
Ich bin mir mit Hubertus Heil völlig einig, dass wir jetzt darüber nachdenken müssen, wo Fehler liegen und wie wir diese Fehler beheben können. Ich will bei der Energiepolitik anfangen.
Ich bin gar nicht gegen den Ausbau der Erneuerbaren.
(Dr. Diether Dehm [DIE LINKE]: Doll!)
Nur muss er auch – das haben wir in dieser Koalition beschlossen – berechenbar und planbar sein. Dazu gehört für mich, dass wir unsere Zielvorgaben auch einhalten, aber das tun wir in vielerlei Hinsicht nicht.
(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein, Sie unterschreiten sie!)
Beim Onshore-Windausbau liegen wir round about doppelt so hoch, wie wir es uns einmal vorgenommen haben. Im letzten Jahr sind ungefähr 4,5 Gigawatt aufgestellt worden, geplant waren 2,5 Gigawatt. In diesem Jahr werden es über 5 Gigawatt sein, geplant waren ebenfalls 2,5 Gigawatt. Das führt dazu, dass wir mittlerweile 16 Terawattstunden mehr an Strom haben, als wir geplant hatten, und entsprechende Kosteneffekte dadurch ausgelöst werden. Diese Kosteneffekte – auch diesbezüglich bin ich mit Hubertus Heil völlig einig – müssen wir in den Griff bekommen. Ein Großabnehmer zahlt 150 Euro pro Megawattstunde. Ein Haushalt muss jetzt jährlich rund 250 Euro EEG-Kosten – das waren 2010 noch 80 Euro – tragen und zahlt mittlerweile insgesamt über 1 000 Euro jährlich für den Strom.
(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wer regiert denn hier seit zehn Jahren? – Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist das Resultat Ihrer Politik!)
Das ist zu viel. Damit schöpfen wir Kaufkraft ab, die dann für andere Bereiche nicht zur Verfügung steht.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Es darf auch, meine Damen und Herren, keinen Feldzug gegen die großen EVUs geben, wie ihn Grüne und Linke gerne unternehmen; denn wir brauchen kapitalstarke Unternehmen, die das kapitalintensive System der Stromversorgung in Deutschland garantieren und dafür sorgen, dass wir nach wie vor Versorgungssicherheit haben.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Es ist nun einmal dummerweise so, dass wir das eine oder andere Mal die berühmte Dunkelflaute haben, also weder Wind- noch Sonnenenergie zur Verfügung stehen. Wenn Sie mir das nicht glauben wollen, schauen Sie bitte schlicht und ergreifend aus dem Fenster. Die Grünen wollen zwar erreichen, dass auch nachts die Sonne scheint, bis jetzt sind sie damit aber relativ erfolglos. Deswegen müssen wir Lösungen finden.
(Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU – Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Also, Ihre Argumente haben ein Niveau, das einen wirklich erschüttert! Das ist wirklich erschütternd, was Sie hier erzählen! Das ist peinlich für dieses Haus!)
Eines will ich nicht: Ich will nicht, dass wir ab 2019 gezwungen sind, Atomstrom aus Tschechien und Kohlestrom aus Polen zu importieren. Das würde nämlich die Konsequenz sein. Das Bundeswirtschaftsministerium hat uns schon darauf aufmerksam gemacht, Herr Minister, dass das auf uns zukommen wird.
(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Herr, lass Hirn vom Himmel fallen!)
Meine Damen und Herren, so etwas in Kauf zu nehmen, ist für mich auch nicht glaubwürdig.
Die großen Unternehmen haben immerhin 280 000 Be schäftigte, direkt und indirekt. Ich möchte, dass diese Beschäftigten eine Perspektive in Deutschland haben. Ich möchte nicht, dass diese Arbeitsplätze durch Maßnahmen, die wir hier ergreifen, gefährdet werden.
Ich möchte ein zweites Thema ansprechen. Es geht um Werkverträge und Zeitarbeit. Ich bin sehr froh, dass die Kanzlerin vorgestern bei der Jahrestagung der BDA sehr deutlich gemacht hat, dass wir den Koalitionsvertrag einhalten, aber in keiner Weise über diesen Koalitionsvertrag hinausgehen. Das sollte das Bundesarbeitsministerium bitte berücksichtigen und dafür sorgen, dass das, was vereinbart wurde, genau so gemacht wird und dass man nicht darüber hinausgeht.
Nach einem Entwurf, der in die Diskussion eingebracht wurde, sollen selbstständige Betreiber einer Werkskantine, IT-Servicekräfte oder Mitarbeiter von Wach- und Sicherheitsdiensten rückwirkend – ich betone: rückwirkend – zu Arbeitnehmern des Betriebes bestimmt werden können, ohne dass sie sich dagegen wehren können. Weder der Arbeitgeber noch der Arbeitnehmer sollen die Möglichkeit haben, zu sagen: Das wollen wir nicht. – Das kann nicht sein. Diese Überbestimmung muss zurückgeführt werden. Das ist im Koalitionsvertrag nicht vereinbart worden. Ich bitte das Arbeitsministerium, den Entwurf entsprechend zu verändern, bzw. das Bundeskanzleramt, ihn in dieser Fassung zurückzuweisen.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Es kann auch nicht sein, dass bei Zeitarbeitsverträgen alle Sachleistungen eingerechnet werden müssen und diese dann in geldwerte Vorteile umgerechnet werden sollen. Das ergibt eine Bürokratie, die überhaupt nicht zu bewältigen ist; denn es gibt über 170 mögliche Sachleistungen.
(Zuruf von der LINKEN)
Die können wir nicht alle umrechnen. Das wollen wir nicht haben.
Meine Damen und Herren, die Zeitarbeit und die Werkverträge sind eine Brücke in den ersten Arbeitsmarkt. 63 Prozent der Zeitarbeitnehmer waren vor Eintritt in die Zeitarbeit arbeitslos oder noch nie beschäftigt. Aus diesem Arbeitskräftepool kommen die Zeitarbeitnehmer. Diese Brücke in den ersten Arbeitsmarkt dürfen wir um Gottes willen nicht kaputtmachen. Im Gegenteil: Angesichts der Flüchtlingsproblematik werden wir sie jetzt dringend brauchen.
(Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Quatsch!)
Meine Damen und Herren, ich bin immer gerecht. Deshalb habe ich für jeden etwas mitgebracht, auch für den Bundesjustizminister: Verehrter Herr Maas, ich freue mich, dass Sie hier sind. Ich möchte Sie bitten, den mittelständischen Unternehmen ganz schnell zu helfen. Im Handelsgesetzbuch muss etwas beim deutschen Bilanzrecht passieren. Wir dürfen die Unternehmen nicht für die ultralockere Geldpolitik der letzten Jahre büßen lassen. Sie wissen, was ich meine: Die drastisch gesunkenen Marktzinsen haben dazu geführt, dass sich die Zinssituation verändert hat. Und bei niedrigeren Zinsen sind höhere Rückstellungen notwendig.
(Carsten Schneider [Erfurt] [SPD]: Ja, das ist logisch!)
Diese höheren Rückstellungen führen wiederum zu einer Schwäche bei den Investitionen und wirken sich in der Folge problematisch auf die Pensionen aus; denn viele Unternehmen sagen, dass sie dann keine betrieblichen Pensionen mehr zahlen können.
Wir könnten das relativ schnell heilen. Ich möchte Sie bitten, darüber noch einmal nachzudenken: Wenn wir statt des Bemessungszeitraums von sieben Jahren – das ist jetzt ein bisschen technisch; aber es handelt sich eben um ein technisches Problem, und das muss schnell gelöst werden – einen Bemessungszeitraum von zwölf Jahren ansetzen würden, dann, Herr Minister, hätten wir – da bin ich ziemlich sicher – das Problem gelöst.
(Carsten Schneider [Erfurt] [SPD]: Nein, nein! Hätten wir nicht!)
Der Zwang hoher Rückstellungen wäre dann nicht gegeben. Ich denke, wir sollten gemeinsam noch einmal darüber nachdenken.
(Dr. Diether Dehm [DIE LINKE]: Müssen Sie das nicht in der Koalition ausmachen?)
Last, but not least: Herr Kollege Schlecht, vom Außenhandel haben Sie nicht allzu viel Ahnung. Ich kann nur eins sagen: Wenn wir nicht einen so erfolgreichen Außenhandel hätten, dann wären rund ein Drittel der Arbeitsplätze in Deutschland überhaupt nicht vorhanden oder gefährdet. Deswegen sollten wir alles dafür tun, dass er wächst.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Dazu gehört, dass wir uns mit den Freihandelsabkommen beschäftigen. Für mich sind die Freihandelsabkommen der Schlüssel zu einem erfolgreichen Außenhandel.
(Dr. Diether Dehm [DIE LINKE]: Der Schlüssel zum Niedergang des Mittelstands!)
Das gilt auch für TTIP. Ich bitte Sie, darüber nachzudenken.
(Dr. Diether Dehm [DIE LINKE]: Mittelstandsungeheuer!)
Denn alleine wenn ich höre, dass von gruseligen Umweltstandards in den USA die Rede ist, kann ich Ihnen nur eins empfehlen: Rufen Sie doch einmal bei VW an; die werden Ihnen dazu etwas sagen.
(Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Den Tipp könnten Sie mal Herrn Dobrindt geben! Der sollte mal bei VW anrufen!)
Meine sehr geehrten Damen und Herren, der Außenhandel ist für Deutschland eine große Chance; er muss gestärkt werden. Ich würde mir wünschen, dass die Opposition dabei mitmacht und mithilft.
Danke.
(Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Diether Dehm [DIE LINKE]: Junge, Junge! So viel Unverstand!)
Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat nun die Kollegin Kerstin Andreae das Wort.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/6214679 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 140 |
Tagesordnungspunkt | Einzelplan Wirtschaft und Energie |