Georg NüßleinCDU/CSU - Einzelplan Gesundheit
Frau Präsidentin! Meine Damen! Meine Herren! Die Kollegin Hinz hat gerade – zu Recht, wie ich meine – die Flüchtlingsthematik als eine Querschnittsthematik beschrieben. Dies trifft uns natürlich auch im Bereich der Gesundheitspolitik. Ich möchte vorab ganz klar festhalten: Es geht hier zuallererst um eine humanitäre Frage und erst dann um die Fragen von Euro und Cent, von Steuerung und Begrenzung,
(Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das wäre gut, wenn Sie das mal beherzigen!)
aber natürlich auch um die Frage von Euro und Cent, so wie bei den gesetzlich Versicherten. Wenn ich sage: „Das Thema hat Relevanz für die Gesundheit“, dann möchte ich hier auf der einen Seite auf berechtigte Sorgen hinweisen, auf der anderen Seite aber auch ganz klar sagen: Es geht nicht darum, unberechtigte Ressentiments zu wecken. Flüchtlinge sind keine Seuchenbringer, überhaupt nicht.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Ganz im Gegenteil: Was solche Themen angeht, produzieren die deutschen Eltern, die ihre Kinder nicht impfen lassen, in dieser Hinsicht ganz andere Risiken; das muss man an der Stelle auch einmal deutlich sagen.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Trotzdem gibt es natürlich Themen wie das der offenen Tbc, die uns umtreiben und die zeigen, wie wichtig es ist, auch aus gesundheitspolitischen Erwägungen die Residenzpflicht durchzusetzen.
(Mechthild Rawert [SPD]: Untersuchungen sind wichtig! – Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die sind meist aus Rumänien!)
Wir haben, was die Versorgung der Flüchtlinge angeht, als Bund das Notwendige getan, beispielsweise durch den Verzicht auf Mengenabschläge bei den Krankenhäusern, in denen Flüchtlinge behandelt werden, um nicht das Risiko einzugehen, dass denen, die viel machen, am Schluss viel abgezogen wird. Wir haben den Ländern die Gesundheitskarte als Option gegeben. Ich gebe offen zu, dass die Unionsfraktion hier durchaus skeptisch war aufgrund einer zu befürchtenden Anreizwirkung.
(Hilde Mattheis [SPD]: Stimmt ja nicht! Das wisst ihr ja jetzt!)
Aber wir wissen auch, dass an dieser Stelle am Schluss die Länder gefordert sind. Bei denen, die den öffentlichen Gesundheitsdienst runtergefahren haben, rächt sich das jetzt. Die sind nämlich gerade in einer schwierigen Situation. Ich möchte all denjenigen Dank und Anerkennung aussprechen, die sich im Gesundheitswesen um dieses angesichts von Sprachbarrieren und Krankheiten schwierige Thema kümmern.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Ich möchte ausdrücklich auch dem zuständigen Minister Gerd Müller Unterstützung zusagen. Er hat recht mit dem Hinweis, dass Gesundheitsvorsorge schon in Flüchtlingscamps im syrischen Umfeld stattfinden muss.
(Hilde Mattheis [SPD]: Die müssen erst mal was zu essen haben!)
Da geht es darum, dass die Bedingungen nicht noch schwieriger werden, als sie ohnehin schon sind. Wir alle wissen mittlerweile, wie schnell uns so etwas dann auch hier in Deutschland trifft. Deshalb ist das das Gebot der Stunde.
Nun hat die Kollegin Hinz auch die EU-Richtlinie gestreift, die wir umsetzen sollen. Ich bin hier skeptisch; das gebe ich ganz offen zu. Diese Richtlinie ist drei Jahre alt. Wenn die Kommission diese Richtlinie aktualisieren würde, könnte sie einmal zeigen, wie nah sie am Thema dran ist. Uns in einer komplett anderen Lage eine alte Richtlinie auf den Tisch zu legen, ist kein gutes Zeugnis, das sie sich an dieser Stelle selber ausstellt.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Ich will Ihnen auch sagen, worum der Streit geht, der sich hier – auch in der Koalition – angedeutet hat. Die Definition von „schutzbedürftigen Personen“ ist zu weitgehend. Man hätte auch gleich „alle“ schreiben können. Wenn man „ältere Menschen“ und „Personen mit schweren körperlichen Erkrankungen“ einbezieht und dies unter Hinweis auf die Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses mit einer Beeinträchtigung der Lebensqualität definiert, umfasst das zum Schluss alle Personen, und diese hätten dann von Anfang an den gleichen Gesundheits- und Versicherungsschutz wie gesetzlich Versicherte.
Wir wollen beim jetzigen Umfang des Asylbewerberleistungsgesetzes bleiben. Am Anfang wollen wir die Leistungen auf das Notwendige beschränken. Der Minister hat richtig gesagt, dass Leistungen für Schwangere beispielsweise bereits davon umfasst sind. Ich wehre mich deshalb dagegen, dass man mit Bildern arbeitet, die nicht der Realität entsprechen. Das erleben wir momentan in den Medien. Dort werden die Schwangeren, die Mütter, die Kinder gezeigt. Aber die vielen jungen Männer, die das Bild eigentlich prägen, sieht man nicht. Auch hier wird mit genau diesen Themen operiert, dass wir Schwangeren nicht helfen. Das ist nicht der Fall. Das ist mit dem Asylbewerberleistungsgesetz erfasst.
Es geht darum, den Leistungsumfang nicht ohne Not auszuweiten.
(Mechthild Rawert [SPD]: Die Not ist aber da!)
Ich halte es mit Blick auf die Anreizwirkung für richtig, aber auch mit Blick auf das, was die gesetzlich Versicherten, die arbeiten und ihre Beiträge zahlen, von uns erwarten. Ich sage Ihnen auch: Es werden finanziell noch etliche Dinge auf uns zukommen, über die man diskutieren muss. Ab 1. Januar nächsten Jahres werden für Arbeitslosengeld-II-Empfänger nur 90 Euro pauschal vom Staat einbezahlt. Wenn es so bleibt, werden die Kosten pro Leistungsempfänger bzw. Patient jedoch bei 250 bis 300 Euro liegen.
(Hilde Mattheis [SPD]: Das nennt man Solidarität!)
Damit haben wir ein programmiertes Defizit in der Krankenversicherung,
(Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Durch Steuern ausgleichen!)
wenn es uns im nächsten Jahr gelingt, was ein großer Erfolg wäre, 500 000 Flüchtlinge als arbeitsfähig zu qualifizieren. Ich würde es mir wünschen. Aber das bedeutet für die gesetzliche Krankenversicherung ein Defizit von bis zu 1 Milliarde Euro jährlich.
Das können wir so nicht hinnehmen. Hier gibt es Handlungsbedarf. Hierüber muss man reden. Die Gespräche zwischen dem Gesundheitsminister und dem BMAS finden statt. Ich weiß, dass am Ende nur die Frage zu beantworten ist, wer es denn zahlt: die Versichertengemeinschaft oder die Steuerzahler? Jedoch macht das insbesondere angesichts dessen, was in der Debatte angeklungen ist, einen Unterschied.
(Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Genau! Das ist das Entscheidende!)
Wir alle wissen, dass nach den aktuellen Schätzungen für das Jahr 2016 die GKV-Ausgaben um 5 Prozent auf 220 Milliarden Euro steigen werden. Der Anstieg des Zusatzbeitrages von 0,9 auf 1,1 Prozent ist programmiert.
(Birgit Wöllert [DIE LINKE]: Ach, guck an!)
– Ja, guck an. – Die 1,1 Prozent sind übrigens ein Durchschnittsbeitrag. Man kann auch in eine Kasse wechseln, die darunterliegt; das muss man auch einmal in aller Deutlichkeit sagen. Der Grund für diesen Anstieg sind nicht unsere kostentreibenden Gesetze, sondern auch die Tatsache, dass die Kassen unter dem Eindruck des Wettbewerbs den Zusatzbeitrag bisher teilweise zu niedrig angesetzt haben. Das zeigt, dass das, was wir gemacht haben, wettbewerbsseitig durchaus Sinn und Zweck hat.
(Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie produzieren nur Chaos!)
Wenn hier Einwände kommen, muss man auch ganz klar sagen, dass wir in der Größenordnung dessen liegen, was von Rot-Grün seinerzeit als Sonderbeitrag beschlossen wurde, der auch einseitig nur von der Arbeitnehmerseite zu finanzieren war.
Ich will durchaus zugestehen, dass wir in den letzten Monaten Gesetze gemacht haben, die am Schluss zu Kosten führen. Beim Pflegestärkungsgesetz haben wir es mit eingepreist und haben formuliert: zweimal 0,2 Prozentpunkte mehr für die Pflegeversicherung. Dieser Beitragsanstieg ist notwendig, um die Aufgaben zu erfüllen, die eine Pflegeversicherung erfüllen soll. Ich glaube, es ist anerkanntermaßen richtig und sinnvoll, dass wir den Pflegebedürftigkeitsbegriff komplett neu definiert haben, was insbesondere Demenzkranken zugutekommt.
Wir haben uns entschlossen, mit dem Krankenhausstrukturgesetz gezielt die Pflege zu fördern. Das war ein richtiger Ansatz, und zwar deshalb, weil uns Ärzte, aber auch Pflegekräfte durchaus mit Fug und Recht gesagt haben: Es wird langsam kritisch für die Patienten. Es war notwendig, an der Stelle etwas zu tun; wir haben das Richtige getan. Aber da sind wir relativ schnell im Bereich von Milliardenausgaben, die uns natürlich belasten, die aber notwendig sind. Man predigt die ganze Zeit, dass Gesundheit ein hohes Gut ist. Aus meiner Sicht muss jedem klar sein, dass dieses hohe Gut am Schluss auch Geld kostet.
Nun gibt es ja ein paar, die verkünden, das mit den Kosten sei ganz einfach; man müsse nur die Bürgerversicherung einführen, und schon sei das Problem gelöst. Ich sehe das nicht so. Ich frage mich schon, inwiefern es eine Lösung ist, dass man, wenn 71 Millionen Versicherte ein Problem haben, 10 Millionen dazunimmt, sodass man auf 81 Millionen Versicherte kommt.
(Hilde Mattheis [SPD]: Sie haben es nicht verstanden!)
Wo ist denn da die Problemlösung? Wenn man berücksichtigt, dass es am Ende, egal wie man es umsetzt, eine Beitragsbemessungsgrenze geben wird, dann ist jetzt schon klar: Sie würden mit solchen Ansätzen nicht die Millionäre erwischen, sondern die kleinen Sparer, die dann zusätzlich etwas bezahlen müssen. Ob das wirklich die Sozialpolitik ist, die die linke Seite des Hauses an dieser Stelle betreiben will, wage ich zu bezweifeln.
(Beifall bei der CDU/CSU – Zurufe von der LINKEN)
Also, machen Sie es sich nicht ganz so einfach. Gucken Sie lieber mal, was wir im Bereich der Gesundheitspolitik in den letzten Wochen und Monaten Großartiges geleistet haben. Wir haben unser Gesundheitswesen unter qualitativen, humanitären und auch unter Solidaritätsgesichtspunkten massiv vorangebracht. Das hat unser Gesundheitsminister betrieben. Ich will mich ausdrücklich bei ihm dafür bedanken, dass er es so offensiv und klar betrieben hat.
Vielen herzlichen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Vielen Dank. – Jetzt hat der Kollege Harald Weinberg, Fraktion Die Linke, das Wort.
(Beifall bei der LINKEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
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Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 140 |
Tagesordnungspunkt | Einzelplan Gesundheit |