Ewald SchurerSPD - Einzelplan Arbeit und Soziales
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Der Einzelplan 11 ist gerade von meinem Kollegen Fischer in seinen Bestandteilen und seiner Wirkungsmächtigkeit hinreichend beschrieben worden. Wenn wir uns vergegenwärtigen, dass wir am Freitag einen Bundeshaushalt mit einer Größenordnung von 317 Milliarden Euro verabschieden und der Einzelplan 11 ein Volumen von knapp 130 Milliarden Euro hat, also mehr als 40 Prozent umfasst, dann erkennen wir die gesellschaftliche und ökonomische Bedeutung dieses Haushalts.
Gegenwärtig findet ja eine aufgeregte Debatte statt. Klar ist, dass in der gegenwärtigen Situation Migration, Asyl und Integration in die Gesellschaft die bestimmenden Themen sind. Es gibt keinen einzigen Einzelplan, bei dem diese Themen nicht zu Recht in den Mittelpunkt gerückt werden. Das muss auch so sein.
Ich sage Ihnen: Die für den Bereich Arbeit und Soziales für Arbeitsförderung vorgesehenen 34,5 Milliarden Euro bedeuten, dass dieser Haushalt – das ist meine These; das ist meine Interpretation dieses Einzelplans im Rahmen der zweiten und dritten Lesung des Bundeshaushalts – der größte Investitionshaushalt ist, den der Bundeshaushalt aufzuweisen hat; und zwar geht es dabei um Investitionen in Menschen. Für Investitionen draußen im Land haben wir nominell gute 10 Prozent der Haushaltsmittel vorgesehen; aber wir sollten das dazurechnen, was wir über Arbeitsförderung in die Menschen investieren. Ich sage Ihnen: Diese Mittel, diese Investitionen in die Menschen werden sich rentieren; denn diese aktiv in die Integration der Menschen in den Arbeitsmarkt investierten Mittel – wir haben natürlich auch passive Mittel; ich nenne das Stichwort „Versorgung“ – werden sich in den nächsten Jahren positiv auswirken.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Mit dem Haushalt für Arbeit und Soziales haben wir die große Chance, eine Diskussion, die draußen zum Teil mit Angst, Polemik, auch mit politischen Absichten so oder so geführt wird, zu versachlichen. Bei vielen laufenden Programmen geht es um Integration; das ist das, was wir jetzt investieren. Das geschieht natürlich, lieber Kollege Fischer, in Koordination und Kooperation mit der Bundesagentur für Arbeit. Sie erhält zusammen mit den Jobcentern einige Tausend neuer Stellen. Das ist notwendig, damit sie die Mehrarbeit erledigen kann.
Der technische Begriff lautet: flüchtlingsinduziert. Ich möchte dieses Wort „flüchtlingsinduziert“ einmal mit Leben erfüllen: Durch Flucht und Vertreibung kommen Menschen mit Bedürfnissen zu uns, aber auch Menschen mit besonderen Persönlichkeitsprofilen, mit Talenten, mit Fähigkeiten. Nicht ohne Grund hat die Frau Ministerin gesagt, dass über die Hälfte dieser Menschen unter 25 Jahre alt ist; laut Statistik sind zwei Drittel unter 30 Jahre alt. Das heißt, da gibt es ein riesiges Potenzial für den Arbeitsmarkt.
Es gibt einen Dreiklang: Das Erste ist – das ist schon gesagt worden – die Sprache. Über Bildung und Sprache können die Menschen einen Zugang zu unserer Kultur, auch zu unserer Arbeitskultur, bekommen. Das Zweite ist die Ausbildung, das Dritte die Aufnahme der Erwerbsarbeit. Das sind enorme Schritte, die wir gehen müssen.
Es gibt dazu noch nicht sehr viel dezidiertes wissenschaftliches Material oder Evaluierungen; aber es gibt schon Fakten, die zeigen, dass es uns gelingen kann, mit einem gezielten Aufwand in den nächsten zwei – das ist das Minimum, weil man so lange braucht, um die nötigen Sprachkenntnisse zu erwerben – bis acht Jahren die Hälfte aller Menschen, die zu uns kommen, in Erwerbsarbeit zu bringen, durch die sie in der Lage sind, ihren Lebensunterhalt – weit über der Armutsgrenze – selbst zu tragen und, wenn sie in dieser Gesellschaft eine Bleibeoption haben, eine Wohnung zu haben, also über Arbeit in der Gesellschaft integriert zu sein. Das wäre auch mein persönliches Ziel: dass wir es schaffen, mindestens die Hälfte der Menschen, die bisher gekommen sind, in den nächsten Jahren aktiv in den Arbeitsmarkt zu integrieren.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Damit relativieren sich auch die Ängste, die zum Teil politisch bewusst mit der Aussage geschürt werden: Wir schaffen das nicht. – Wenn wir diese Fördermaßnahmen am Arbeitsmarkt gezielt umsetzen, in Koordination mit der BA, mit den Jobcentern, haben wir alle Chancen dieser Welt, die Integration dieser Menschen nachhaltig zu erreichen.
(Beifall bei der SPD)
Das wird keine leichte Aufgabe werden. Die BA hat im Jahre 2011 in einem Report mit dem Titel „Perspektive 2025“ geschrieben: Was wir brauchen, ist eine allgemeingesellschaftliche Qualifizierungsoffensive. – Wir wissen doch alle, dass sich der Arbeitsmarkt in allen wichtigen Branchen verändern wird – nicht nur aufgrund von Industrie 4.0, nicht nur aufgrund der heutzutage höheren Ansprüche in fast allen Berufsbildern der Dienstleistungswelt, des Gewerbes und der Industrie, sondern auch durch manifeste gesellschaftliche Veränderungen. In diese Veränderungen können vor allen Dingen die jungen Menschen, die zu uns kommen, hineinwachsen.
Es wird ja immer von einem – auch das ist ein sehr technischer Begriff, den ich nicht mag, weil er so technokratisch klingt – Geburtenunterschuss in unserer Gesellschaft gesprochen. Dazu gibt es evidente wissenschaftliche Studien. Wir sind in diesem Land in der Lage, jedes Jahr 300 000 bis 400 000 Menschen über den Prozess Bildung und Arbeit in die Gesellschaft zu integrieren. Das würde einen enormen gesellschaftlichen Mehrwert bedeuten, auch für die Leistungsfähigkeit und die Wertschöpfung dieser Gesellschaft, meine lieben Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall bei der SPD)
Die Ministerin hat gesagt, dass bei der Aufnahme und Registrierung die Profile und Biografien der Menschen schnell testiert werden müssen, damit bereits in einer frühen Phase die Talente der Menschen erkannt werden können; das soll proaktiv und in einem vernünftigen zeitlichen Rahmen geschehen. Wenn wir das schaffen, werden die Gelder, die wir heute für Arbeitsfördermaßnahmen in den Haushalt einstellen, morgen sowohl individuell für die Menschen, die sich dadurch selbst tragen können, als auch für die ganze Gesellschaft ein großer Gewinn sein.
Insofern sage ich: Wer ins Gelingen verliebt ist, der muss auf diese Menschen mit ihren Ansprüchen, Hoffnungen und Fähigkeiten setzen. Das ist die positivste Form der Integration in die Gesellschaft, verbunden mit einem ökonomischen Erfolg. Darauf möchte ich setzen.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Als nächster Redner spricht Klaus Ernst von der Fraktion Die Linke.
(Beifall bei der LINKEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/6215425 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 140 |
Tagesordnungspunkt | Einzelplan Arbeit und Soziales |