26.11.2015 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 140 / Tagesordnungspunkt I.16

Beate Walter-RosenheimerDIE GRÜNEN - Einzelplan 17 Familie, Senioren, Frauen und Jugend

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Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Frau Ministerin! Liebe Gäste und Zuhörerinnen! Gestern wurde die neue OECD-Studie „Bildung auf einen Blick 2015“ veröffentlicht. Die erfreuliche Nachricht: Mehr als die Hälfte der Kinder, die unter zwei Jahre alt sind, wird in Deutschland in Kitas betreut.

Was mich genauso überrascht und freut, ist die gemeinsame Erklärung von Ministerin Wanka und KMK-Präsidentin Kurth. Darin bekennen sich die beiden CDU-Frauen ganz klar zur frühkindlichen Betreuung, weil gerade die ersten Jahre – das ist jetzt ein sinngemäßes Zitat – so besonders wichtig seien für einen erfolgreichen Bildungsweg und das besonders für Kinder mit Migrationshintergrund und für Flüchtlingskinder gelte. Hier offenbart sich, dass die CDU in der Mitte der Gesellschaft angekommen ist. Dazu herzlichen Glückwunsch!

(Marcus Weinberg [Hamburg] [CDU/CSU]: Wir sind die Mitte!)

Ich wünsche mir, dass Sie das Ihren Freundinnen und Freunden in Bayern, der CSU, mitteilen, damit sich das Thema Betreuungsgeld, Herr Lehrieder, bald erledigt.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN – Zuruf des Abg. Paul Lehrieder [CDU/CSU])

– Kommen Sie heim.

Aber selbst ein solches Bekenntnis kann über eines nicht hinwegtäuschen: Es ist viel passiert auf diesem Gebiet – das sagen wir auch –, aber, Frau Ministerin, Sie bleiben hinter Ihren eigenen Ansprüchen zurück. Wir finden, dass im Haushalt Ihres Ministeriums Belege für Anstrengungen fehlen, die Kindertagesbetreuung wirklich fit für die Zukunft zu machen. Es stimmt, dass sich Bund, Länder und Kommunen in den letzten Jahren sehr stark bemüht haben. Richtig ist aber leider auch, dass gerade im Westen der Republik noch 185 000 Plätze für diese Kinder fehlen. Das, sehr geehrte Frau Ministerin, sollte auch Ihnen zu denken geben.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es geht bei der frühkindlichen Betreuung aber nicht nur darum, wie groß, sondern ganz entscheidend auch darum, wie gut dieses Angebot ist. Gerade weil wir wissen und die CDU es jetzt auch weiß, dass die Betreuung in den ersten Lebensjahren so wichtig ist, muss die Qualität der Betreuung deutlich steigen. Diese Aufgabe können aber Länder und Kommunen nicht alleine übernehmen. Dies ist natürlich auch Aufgabe des Bundes.

Wir brauchen einen besseren Betreuungsschlüssel, einen Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung und bundesweit einheitliche Qualitätsstandards. Ich wünsche mir hier einfach ein bisschen mehr Durchsetzungskraft der SPD dem Koalitionspartner gegenüber.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Sönke Rix [SPD]: Das kriegen wir hin!)

Auf meine Fraktion können Sie dabei sicher zählen.

Viele Kommunen ächzen jetzt schon unter den hohen finanziellen Belastungen. Wir fordern deshalb in unserem Änderungsantrag zusätzlich 1 Milliarde Euro für den Ausbau und die Qualitätssicherung von Kitas und eine weitere Milliarde für eine breite Bildungsoffensive von der Kita bis zur Hochschule. Ich finde, in Ihrem Haushaltsentwurf ist noch Luft nach oben.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf der Abg. Astrid Timmermann-Fechter [CDU/CSU])

Dass wir schon heute für morgen investieren müssen, gilt natürlich für jede vorausschauende und gerechte Politik. Wie wichtig aber gerade in diesen Tagen mutige Zukunftsinvestitionen sind – es geht ja um die Unterstützung durch den Bund, Frau Kollegin, und nicht um die Länder –, zeigen die vielen jungen Flüchtlinge noch einmal ganz besonders deutlich. Hunderttausende Kinder und Jugendliche – wir haben es heute schon gehört – brauchen neben einer guten Versorgung und Unterbringung natürlich Zugang zu Bildung, aber auch zu den Leistungen der Jugendhilfe. Hier tun Sie aus unserer Sicht eindeutig zu wenig. Die Jugendhilfe ist seit Jahren chronisch unterfinanziert. Durch die vielen minderjährigen Flüchtlinge stehen die Jugendämter und die freien Träger der Jugendhilfe vor einer gewaltigen Herausforderung. Die Betreuung und Begleitung, die Übernahme von Vormundschaften und – nicht zu vergessen – die ganz regulären Aufgaben, die nach wie vor zu bewältigen sind, binden Ressourcen und kosten viel Geld. Wir bezweifeln, dass die zusätzlich eingestellten 350 Millionen Euro dafür ausreichen werden.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wenn wir alle ehrlich sind, müssen wir feststellen: Ohne die beeindruckende Unterstützung durch die vielen Ehrenamtlichen – wir haben es heute oft gehört – würde vieles nicht mehr laufen. Man kann es daher nicht oft genug sagen, dass diesen Menschen unser Dank gebührt.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Sönke Rix [SPD])

Dieses große ehrenamtliche Engagement ist zugleich eine deutliche Handlungsaufforderung an die Politik. Uns muss klar sein, dass wir die Ehrenamtlichen nicht alleinlassen können, dass die Arbeit der Ehrenamtlichen nicht zur Ausrede dafür werden kann, dass sich die politisch Verantwortlichen vor der Verantwortung drücken.

Es ist gut, Frau Ministerin, dass Sie Geld für die Unterstützung des freiwilligen Engagements in die Hand nehmen. Das möchte ich ausdrücklich betonen. Ich verstehe aber nicht, warum Sie nur den Bundesfreiwilligendienst fördern wollen und nicht zum Beispiel auch die Träger des Freiwilligen Sozialen Jahres. Wir wünschen uns, dass Sie die Netzwerkstrukturen der Zivilgesellschaft und deren Ausbau fördern und dass Sie dafür sorgen, dass auch die Helferinnen und Helfer Zugang zu Hilfe und Unterstützung bekommen; denn sonst geht ihnen irgendwann die Luft aus.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Auch dafür, sehr geehrte Frau Ministerin, braucht es Geld – das weiß ich – und gut geschultes Personal. Wir finden im Haushaltsentwurf dazu zu wenig.

Die große Willkommenskultur – auch das haben wir schon gehört – hat leider nicht nur Freunde. Deshalb muss sie verteidigt werden. Den Feinden von Vielfalt, Toleranz und Demokratie – das sage ich in aller Deutlichkeit – müssen wir uns entschieden in den Weg stellen. In Zeiten, in denen Flüchtlingsunterkünfte brennen, ist es wichtiger denn je, Programme gegen jede Form von Ausgrenzung und Rassismus zu unterstützen. Da sollten wir nicht darüber streiten, was von rechts und was von links kommt, sondern es anpacken. Sehr geehrte Frau Ministerin, ich weiß, dass Ihnen das ein großes Anliegen ist und Sie da Geld in die Hand genommen haben.

Lassen Sie uns gemeinsam dafür sorgen, dass unser Land in Zukunft ein bunteres, ein gerechteres und ein toleranteres Land sein wird.

Danke.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Die Kollegin Ulrike Gottschalck spricht jetzt für die SPD.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/6215906
Wahlperiode 18
Sitzung 140
Tagesordnungspunkt Einzelplan 17 Familie, Senioren, Frauen und Jugend
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