Marcus WeinbergCDU/CSU - Einzelplan 17 Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich gehe fest davon aus, dass die Opposition diesem hervorragenden Haushalt für das Jahr 2016 zustimmt, und will am Anfang die Gelegenheit der Haushaltsdebatte nutzen, einmal die Grundsätze der Politik darzustellen, die sich dann auch im Haushalt abbilden müssen.
Das ist für uns als Union und für uns als Große Koalition eine gute Gelegenheit, noch einmal die wesentlichen Punkte unserer Familienpolitik zu definieren.
Zwei Vorbemerkungen. Es dauert in der Familienpolitik Jahre, bis Maßnahmen Wirkung zeigen. Wir haben den Sachverhalt, dass in Deutschland 30 000 Kinder mehr leben als im letzten Jahr. Die Geburtenrate ist also um fast 5 Prozent gestiegen. Das ist keiner einzelnen Maßnahme geschuldet, sondern das ist einer Politik geschuldet, die seit zehn Jahren Familienpolitik anders definiert. Endlich stehen die Familien in Deutschland im Fokus der Politik. Das merkt man an den Ergebnissen.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Sönke Rix [SPD])
Man fährt auf den Schienen, die Frau von der Leyen vor zehn Jahren gelegt hat. Heute stellen wir hier und da die Weichen noch einmal um. Das ist gut so; denn es ist das Bestreben der Großen Koalition, das zu verbessern, was in Deutschland ohnehin schon gut funktioniert.
Ich will mit dem Thema Integration – Herr Wunderlich, Sie hatten mich angesprochen – beginnen. Ja, wir haben in Deutschland in der Vergangenheit Fehler gemacht. In allen Epochen des Migrationsprozesses haben wir gewisse Aspekte nicht beachtet, zum Beispiel, dass Gastarbeiter möglicherweise nicht nur Gäste sind, sondern dass diese Menschen hierbleiben und sich hier verwirklichen wollen.
Wir werden im Zuge der Integrationsbewegung verbindlicher werden müssen. Ich möchte, dass Menschen, die hier in Deutschland bleiben, eine Integrationsvereinbarung unterschreiben. Sie sollen sich zu unserer Gesellschaft bekennen, wenn sie hier leben und deren Vorteile genießen wollen. Sie müssen auch bereit sein, der Gesellschaft etwas zu geben. Ich glaube, dass mehr Verbindlichkeit wichtig wäre, sowohl für diejenigen, die Integration leisten müssen, die jetzt als Flüchtlinge nach Deutschland kommen, als auch für uns als aufnehmende Gesellschaft, die diese Menschen dringend braucht.
Zu der Frage: Was sind unsere grundsätzlichen Werte und Positionen in der Familienpolitik? Für uns als Christdemokraten und Christsoziale sind zwei Komponenten dominierend. Die Erste ist das Thema der Freiheit. Wir wollen Familien Freiräume zur Gestaltung ihres Lebens geben. Wir wollen sie nicht bevormunden. Wir wollen nicht vorschreiben, wann sie das Kind in die Kita zu geben haben. Wir wollen ihnen Angebote machen. Aber die Freiheit der Familien steht bei uns an erster Stelle. Das ist zentral für die Familienpolitik der Union.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Außerdem wollen wir den verschiedenen Familienmodellen Rechnung tragen. Es gibt über 20 Prozent Alleinerziehende, immer mehr Menschen sind nicht verheiratet und haben Kinder, die in diesen Partnerschaften gut erzogen werden, und es gibt die traditionelle Ehe; das wollen wir nicht bewerten. Wir wollen aber den Familien die Freiheit geben, ihr Leben so zu gestalten, wie sie es möchten; mit so wenig Staat wie möglich und nur dort, wo es nötig ist.
(Ulle Schauws [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dort, wo es nötig ist, machen Sie zu wenig!)
Zur zweiten Komponente unserer Familienpolitik. Wir erkennen durchaus, dass in unserer Gesellschaft nicht alle Menschen stark, reich und klug sind. Nein, wir haben auch schwache Teile der Gesellschaft. Es gibt diejenigen, die nicht so klug sind, und diejenigen, die nicht über entsprechendes Vermögen verfügen. Deswegen ergreifen wir als Große Koalition konkrete Maßnahmen, um die schutzbedürftigen Gruppen zu stärken. Die Familienpflegezeit und die Pflegezeit waren ein Ansatz, um auch denjenigen, die nicht reich sind, die Möglichkeit zu geben, sich um ihre nahen Angehörigen zu kümmern, wenn diese gepflegt werden müssen. Genau das Gleiche gilt bei Vernachlässigung von Kindern und Kindesmissbrauch. Auch hier geht es um Gruppen in der Gesellschaft, die schwach sind.
Deswegen stimme ich der Ministerin zu, wenn sie sagt: Wir dürfen es jetzt im Rahmen der Flüchtlingsdebatte nicht zulassen, dass schwache Gruppen der deutschen Gesellschaft gegen die Gruppe der Flüchtlinge ausgespielt werden.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)
Wenn wir sagen, wir wollen Kinder schützen, dann haben alle Kinder einen Anspruch darauf. Wenn wir sagen, dass wir Frauen vor Gewalt schützen wollen, dann haben alle Frauen einen Anspruch darauf, dass wir als Staat – das ist unsere Kernaufgabe: wir müssen die Schwachen schützen; die Starken kriegen es schon hin – sie schützen. Das wird auch in den nächsten zwei Jahren unser Leitmotiv sein.
Das Prostituiertenschutzgesetz wurde angesprochen. Es geht darum, die schwächsten Prostituierten zu schützen.
(Paul Lehrieder [CDU/CSU]: So ist es!)
Wir dürfen mit Blick auf Bürokratie oder angesichts der Bewältigung neuer Flüchtlingswellen keine Abstufungen vornehmen. Wir wollen nicht die eine schutzbedürftige Gruppe gegen die andere ausspielen.
(Beifall bei der CDU/CSU – Ulle Schauws [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da müssen alle drunter leiden!)
Es wurde bereits gesagt: Wir haben den Etat im Vergleich zum Jahr 2005 verdoppelt. Nun ist Geld nicht alles im Leben – man genießt es, wenn man einmal reden darf, in einer Haushaltsdebatte zwölf Minuten lang darüber zu reden, wie wir Gelder verteilt haben –, aber der Aufwuchs im Haushalt ist schon ein deutliches Zeichen dafür, dass die Familienpolitik auch in Bezug auf Quantität ein anderes Niveau erreicht hat. Dabei übernehmen wir viele Aufgaben der Länder und der Kommunen. In einer solchen Debatte muss es Zeit und Raum dafür geben, darauf hinzuweisen, dass wir vieles stemmen können, dass wir Kommunen und Länder entlasten und unterstützen können, dass es in der Familienpolitik aber weiterhin Kernaufgaben gibt, die den Ländern und den Kommunen zufallen. Aus dieser Verantwortung werden wir sie auch nicht entlassen.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)
Festzustellen ist aber: Wer meint, dass die Familien jetzt die Sparschweine der Nation sind, der irrt sich. Das verdeutlichen die Haushaltszahlen, die gerade mehrfach euphorisch präsentiert wurden.
Es gibt noch einen Punkt, der wichtig ist: In dieser über 90-minütigen Debatte sprechen wir darüber, wie wir das Geld verteilt haben. All die Mittel, die wir für unsere familienpolitischen Maßnahmen verteilen, müssen andere erwirtschaften. Um gute Familienpolitik machen zu können, ist es dringend notwendig, dass es unserem Mittelstand, unseren Unternehmen und unserer Wirtschaft gut geht.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Deswegen ist die Kombination von Erwerbstätigkeit und Familienzeit zentral. Wir sagen: Gemeinsam mit den Mittelständlern und den Handwerkern schaffen wir das. Gute Arbeitnehmer sind glücklich zu Hause und glücklich im Job. – Ich glaube, das dürfen wir niemals außer Acht lassen.
Die zentralen Bausteine der Familienpolitik wurden bereits angesprochen, auch das Elterngeld. Das ist ein Erfolgsmodell, das nachhaltig wirkt. Wir haben an einigen Stellschrauben gedreht, die Weichen etwas anders gestellt und dieses Erfolgsmodell weiterentwickelt. Im ersten Quartal 2015 haben fast 950 000 Eltern das Elterngeld in Anspruch genommen. – Eckhardt Rehberg guckt da ganz bedröppelt, weil er weiß, dass das fast 6 Milliarden Euro kostet. Wir wissen, dass das schwer erkämpftes Geld ist. Es ist aber gut angelegt. Wir stehen zu unserem Versprechen: Es wird keine Absenkung beim Elterngeld geben. Das sei ausdrücklich noch einmal versichert.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)
Ein weiteres Erfolgsmodell ist der Ausbau der Kindertagesbetreuung. An dieser Stelle komme ich noch einmal auf die Kommunen und die Länder zu sprechen. Ja, wir haben uns darauf verständigt, die Kommunen zu entlasten, weil es sich um eine nationale Aufgabe handelt. Damit erreichen wir drei Dinge, zum einen die berühmte Vereinbarkeit von Familie und Beruf, zum anderen die Möglichkeit, frühzeitig Bildungsimplikationen zu gestalten – frühe Bildung ist wichtig; jeder Euro, den ich bei einem Zweijährigen investiere, erspart später viele Euro bei den älteren Kindern; wir reparieren ohnehin zu viel in Deutschland; wir müssen mehr investieren; das ist also unter bildungspolitischen Gesichtspunkten richtig investiertes Geld –, und zum Dritten sorgen wir damit für Gerechtigkeit; denn insbesondere die Alleinerziehenden profitieren vom Ausbau der Kindertagesbetreuung. Insoweit ist das eine gute und richtige Maßnahme. Wir entlasten die Länder und Kommunen dabei tatsächlich mit 945 Millionen Euro. Das ist viel Geld, das muss in dieser Debatte immer wieder betont werden. Das ist fast 1 Milliarde Euro.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)
Aber wir sehen auch die Erfolge: Die Betreuungsquote liegt mittlerweile bei 32 Prozent; 660 000 Kinder unter drei Jahren werden betreut, das ist mehr als doppelt so viel wie im Jahr 2008. Es ist wichtig, dass es dadurch nicht zu Einschränkungen beim Betreuungsschlüssel, der für die Qualität maßgeblich ist, kommt. Wir haben immer gesagt: Wir wollen nicht, dass Kinder betreut werden; wir wollen, dass Kinder gut betreut werden, denn nichts ist schlimmer für ein Kind und eine Familie, als wenn die Betreuung nicht funktioniert. Bei Defiziten hinsichtlich der Qualität müsste man sagen: Das ist kein Erfolgsmodell. Die Zufriedenheit der Eltern bestätigt aber diesen Ansatz. Die Zufriedenheit der Eltern wurde in einer aktuellen Studie noch einmal überprüft. Die Eltern haben gesagt: Wir sind mit der Betreuung zufrieden.
Es ist auch richtig, zu fragen: Wo können wir noch etwas verändern? Die vorgesehenen 100 Millionen Euro für Angebote zu besonderen Zeiten – nachts oder am Wochenende –, als Ausnahme, sind gut und wichtig. Wir werden aber darauf achten, dass wir kein System bekommen, in dem Kinder möglicherweise zu intensiv betreut werden. Wir wollen das als besonderes Angebot gestalten. Wir wollen eine Ausnahmesituation gestalten. Dafür ist dieses Angebot richtig. Genauso richtig sind übrigens die Angebote, die im Rahmen des Programms „Sprach-Kitas“ weiterhin bestehen, weil uns das Thema Integration wichtig ist. Hierfür werden wir weiterhin Gelder einsetzen.
Denken wir an das Dreieck aus Geld, Infrastruktur und Zeit. Über das Kindergeld, die Kinderfreibeträge und den Entlastungsbetrag für Alleinerziehende, der nach zehn Jahren endlich um 600 Euro erhöht wurde – das war dringend notwendig, und wir haben das gemacht –, wurde schon viel gesagt. Wir haben auch das Kindergeld und den Kinderzuschlag erhöht. Damit schaffen wir es, mehr und mehr Familien aus dem Hartz-IV-Bezug zu holen. Wir geben ihnen damit die Möglichkeit, ihr Leben zu gestalten.
Ich möchte zwei, drei Besonderheiten dieses Haushalts ansprechen. Gelegentlich sind es die Kleinigkeiten, die wichtig sind. Ich danke dem Alois ganz herzlich für die große Unterstützung in dieser Frage. Uns als Union waren einige Dinge besonders wichtig.
Stichwort: schutzbedürftige Gruppen. Wir als Staat haben die Aufgabe, diese Gruppen, die es nicht alleine können, zu schützen. Denn sie haben nichts anderes als uns. Einige Erfolge haben wir jetzt auch im Haushalt umsetzen können. Ich will nur zwei, drei Dinge ansprechen.
Das eine ist eine Kinderschutzhotline, die jetzt eingerichtet werden soll.
(Michaela Noll [CDU/CSU]: Sehr gut!)
Das ist keine große Geschichte, aber hier besteht die Möglichkeit, dass wir Medizinern die Chance bieten, wenn zum Beispiel am Wochenende Eltern mit Kindern in die Notfallambulanz kommen, bei denen man nicht genau weiß, was da passiert ist, Unterstützung und Beratung zu bekommen. Wir haben im Jahr 40 000 Inobhutnahmen. Wir haben über 120 000 Gefährdungssituationen von Kindern und Jugendlichen. Bei jedem Kind muss geschaut werden, was dort passiert und wie wir eingreifen können. Deswegen ist es gut und richtig, dass wir diese Kinderschutzhotline jetzt implementieren.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Weiter werden wir Frauen und Flüchtlingsfrauen, die vergewaltigt wurden, die auf der Flucht viel Leid erlebt haben, jetzt mit einem Beratungsangebot unterstützen.
Bereits angesprochen wurde – das finde ich absolut wichtig – die finanzielle Ausgestaltung der Kommission zur Aufarbeitung des Kindesmissbrauchs.
Ehrenamt ist Teil dieser Gesellschaft. Wir erleben gerade etwas Faszinierendes; das wurde von der Kollegin Gottschalck bereits angesprochen. Ehrenamt ist eine gewisse Zeit auch für sich tragend, aber irgendwann muss es Strukturen geben, irgendwann muss es eine Organisation geben. Die 10 000 neuen Stellen sind wichtig. Jetzt wird es darauf ankommen, dass wir uns das Verfahren genau anschauen. Das, was diese Menschen in unserem Land momentan hinsichtlich der Flüchtlingswelle leisten, ist hervorragend, aber es muss jetzt auch gestärkt und längerfristig aufgebaut werden.
Zusammenfassend kann man sagen: Dieser Haushalt bildet tatsächlich das ab, was uns trägt. Wir schaffen ein bisschen mehr Freiheit und Entscheidungsfreiheit für die Familien, und wir generieren Freiräume. Auf der anderen Seite schützen wir die Schwachen. Das, was diese Gesellschaft auszeichnet, das Ehrenamtliche, das Engagement der bürgerlichen Gesellschaft – weg von Politik –, werden wir weiter stärken. Das ist in diesem Haushalt wieder einmal gelungen.
Insoweit kann ich mir gut vorstellen, dass die Opposition diesen Haushalt zumindest nicht ablehnt. Das wäre auch ein Zeichen von Anerkennung. Im Übrigen darf ich diese Anerkennung mit Blick auf die Opposition gerne zurückgeben. Ich finde unsere Haushaltsdebatten inhaltlich wirklich gut. Ich danke an dieser Stelle der Opposition auch für sachliche Kritik. Das hat man nicht überall so. Herzlichen Dank dafür und herzlichen Dank für diesen tollen Entwurf!
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)
Der Kollege Sönke Rix spricht als Nächster für die SPD.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/6215952 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 140 |
Tagesordnungspunkt | Einzelplan 17 Familie, Senioren, Frauen und Jugend |