27.11.2015 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 141 / Tagesordnungspunkt II

Tobias LindnerDIE GRÜNEN - Haushaltsgesetz 2016

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Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir debattieren diesen Bundeshaushalt angesichts drei großer Herausforderungen, vor denen unser Land in diesen Tagen steht: Wir müssen mutig sein, damit die Integration der Menschen, die zu uns geflüchtet sind, nicht nur schnell, sondern vor allem gut und erfolgreich gelingt. Wir brauchen einen Plan, aus dem hervorgeht, wie wir der internationalen Klimakrise wirksam begegnen und den Klimaschutz ernsthaft vorantreiben können. Und wir müssen uns ein Herz fassen, damit der Investitionsstau in Deutschland endlich ein Ende hat und Haushaltspolitik nicht mehr auf Kosten der Substanz betrieben wird.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Mit dem vorliegenden Haushalt, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Großen Koalition, werden Sie all diesen drei Herausforderungen nicht gerecht. Sie schauen eben nur auf die nächsten Monate, aber nicht in die Zukunft. Sie investieren zu wenig, Sie investieren falsch, und Sie verschwenden das Geld der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Johannes Kahrs [SPD]: Tobias!)

Meine Damen und Herren von der Großen Koalition, lieber Johannes Kahrs, wir erkennen durchaus an, dass ihr in der Integrationspolitik nicht nichts tut.

(Johannes Kahrs [SPD]: Ein bisschen mehr ist es schon!)

Wir haben auch einigen eurer Anträge im Haushaltsverfahren zugestimmt. Aber wir fühlen uns dabei auf böse Weise an das Agieren dieser Bundesregierung in der Finanz- bzw. Euro-Krise erinnert.

(Johannes Kahrs [SPD]: Aber Sie haben doch zugestimmt!)

Was Sie unternehmen, das ist oft zu wenig, das kommt zu spät, das ist zu halbherzig, und das ist mutlos.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sie offenbaren viele Leerstellen, wenn es darum geht, dass Integration auch im zweiten und dritten Schritt gelingt. Sie stellen nicht genug Mittel für Integrationskurse bereit, und Sie haben beim sozialen Wohnungsbau nicht den Weitblick, den es brauchte. Man müsste heute schon Geld in die Hand nehmen,

(Johannes Kahrs [SPD]: 4 Milliarden!)

damit morgen und übermorgen auch der Wohnraum, der benötigt wird, bereitsteht. Sie machen eben nicht ernst mit der Vermeidung von Fluchtursachen, wenn Sie die Mittel für humanitäre Hilfe und Entwicklungspolitik

(Johannes Kahrs [SPD]: Aufgestockt!)

zwar aufstocken, diese aber angesichts der dramatischen Bedarfe weltweit deutlich hinter den Bedürfnissen zurückbleiben, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Großen Koalition.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Ihr „Fahren auf Sicht“ wird am Ende diese Herausforderungen nicht bewältigen. Wir Grüne haben Ihnen mit unseren Anträgen gezeigt, was weitblickende Haushaltspolitik wirklich bedeutet. Das will ich auch sagen, weil der Klimagipfel in Paris vor der Tür steht.

Wir haben in den letzten Monaten viel über die Verantwortung Deutschlands in der Welt debattiert. Wir Grüne sagen ganz klar: Zur Verantwortung Deutschlands für diese Welt gehört gerade auch ein mutiges Eintreten für internationalen Klimaschutz. Wer, wenn nicht wir als große und starke Industrienation, soll denn mutig voranschreiten und ein Beispiel geben, wenn es um die Bewahrung unserer natürlichen Lebensgrundlagen geht?

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE])

Wir haben eine Menge Vorschläge gemacht, zum Beispiel einen Energiesparfonds einzurichten, wir haben mehr Mittel für Wärmespeicher und für internationalen Klimaschutz beantragt. Sie haben diese Anträge mir nichts, dir nichts vom Tisch gewischt.

(Johannes Kahrs [SPD]: Die waren ja auch schlecht! – Gegenruf des Abg. Dr. André Hahn [DIE LINKE]: Nicht alle!)

Sie werden Ihrer Verantwortung damit nicht gerecht, Sie haben keinen Plan zur Bewältigung der Klimakrise. Weil heute schon viele hier in diesem Haus unter Beweis gestellt haben, wie bibelfest sie sind, will auch ich Ihnen zum Thema Verantwortung aus dem Evangelium des heiligen Lukas zurufen:

Denn wem viel gegeben ist, bei dem wird man viel suchen; wem viel anvertraut ist, von dem wird man umso mehr fordern.

Ja, recht hat der heilige Lukas.

Aber Sie investieren nicht nur falsch, Sie investieren auch deutlich zu wenig. Die Investitionen bleiben im einstelligen Bereich und damit historisch niedrig. Ihre viel gepriesene und hochgelobte schwarze Null erreichen Sie doch nicht dadurch, dass Sie im Haushalt wirklich umschichten und arbeiten, nein, Sie erreichen sie nur dadurch, dass Sie seit Jahren dieses Land und seine öffentliche Infrastruktur auf Verschleiß fahren. Wir Grüne sagen: So geht das nicht.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Johannes Kahrs [SPD]: Das war jetzt nicht sehr bibelfest!)

Wissen Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Großen Koalition: Eigentlich habe ich mir gedacht, dass nach dem letzten Jahr die Nullverschuldungsfestspielwochen hier in diesem Hohen Hause zu Ende sind und diese letztes Jahr nur am Glühwein gelegen hätte. Aber was Sie diese Woche hier aufgeführt haben, war eine glatte Fortsetzung der Party. Ich sage Ihnen: Der Kater nach der Party wird kommen, und dann werden auch Sie von Union und SPD merken, dass zu einem guten Haushalt eben nicht nur einzig und allein der Summenstrich am Ende gehört, dass ein guter Haushalt eben nicht nur einzig und allein aus einer Null darunter besteht. Es kommt doch vor allem auf die Zahlen dazwischen an, darauf, woher das Geld kommt, und vor allem darauf, wofür es ausgegeben wird. Da haben Sie kläglich versagt.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sie fahren mit diesem Haushalt auf Sicht, Herr Schäuble. Das haben Sie am Dienstag hier offen zugegeben. Wenn Sie einmal oder zweimal auf Sicht fahren würden, weil der Weg holprig oder die Sicht schlecht ist, würde ich das noch verstehen. Nur, bei Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist das Auf-Sicht-Fahren zum Politikkonzept geworden.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Sie fahren doch nicht auf Sicht, weil der Weg schwierig ist, nein, Sie fahren auf Sicht, weil Sie nicht wissen, wohin Sie eigentlich wollen – und das angesichts der großen Herausforderungen, vor denen unser Land steht.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Wir Grüne haben in diesen Haushaltsberatungen mit rund 400 Anträgen gezeigt, wie man ohne neue Schulden auskommt und dennoch Verschwendung stoppen kann,

(Johannes Kahrs [SPD]: Die waren alle vernebelt!)

wie man Gelder sinnvoll umschichtet und unnötige Subventionen streicht. Vor allem werden wir den drei Herausforderungen unserer Tage, nämlich Integration, Klimaschutz und Zukunftsinvestitionen, gerecht. Wir finanzieren dies nachhaltig.

Sie haben gezeigt, dass Sie nicht nur kein Herz für den internationalen Klimaschutz haben; Sie haben auch keinen Plan für Zukunftsinvestitionen. Ihnen fehlt der Mut, bei der Integration in Deutschland entschlossen voranzugehen. Sie mögen vielleicht bibelfest sein; zukunftsfest ist Ihr Haushalt nicht.

Herzlichen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Als nächste Rednerin hat Kerstin Radomski von der CDU/CSU-Fraktion das Wort.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Sonja Steffen [SPD])


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/6219155
Wahlperiode 18
Sitzung 141
Tagesordnungspunkt Haushaltsgesetz 2016
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