Ursula von der Leyen - Bundeswehreinsatz gegen Terrororganisation IS
Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Chers amis français ! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lieber Herr Bartsch, Sie haben das eben als ein Abenteuer bezeichnet, in das wir die Soldatinnen und Soldaten schicken.
(Zuruf von der CDU/CSU: Unmöglich!)
Ich empfinde das als unmöglich. Das ist bitterer Ernst. Das ist kein Abenteuer.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD – Dr. Petra Sitte [DIE LINKE]: Diese Bundesregierung treibt Hasardeurspiele auf Kosten der Menschen!)
Sie haben zu Recht die grauenvollen Taten geschildert, die der IS anrichtet. Sie haben zu Recht geschildert, wie die Jesiden abgeschlachtet worden sind, wie Frauen und Kinder auf den Basaren jeden Freitag in dem vom IS eroberten Gebiet verkauft werden. Sie haben nicht erwähnt – aber auch das gehört dazu – die Massengräber, die jetzt in Sindschar gefunden worden sind: 120 Tote in dem sechsten Massengrab, vorwiegend ältere Frauen, weil der IS sie nicht mehr gebrauchen konnte. Wenn ich mir diese Gedankenwelt vor Augen führe und Sie dann sagen – zu Recht –, man müsse diesen Barbaren das Handwerk legen, dann erwarte ich auch, dass Sie sagen, wie. Dazu haben Sie kein einziges Wort gesagt, kein einziges Wort. Sie werden mit dem IS nicht einfach nur verhandeln können.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD – Zuruf von der LINKEN: Flinten-Uschi!)
Es gibt noch einen weiteren Punkt, der mich wirklich ärgert. Wenn Sie hier sagen – zu Recht –, dass es eine perfide Propaganda des IS ist, das als Kreuzzug gegen alle Muslime zu bezeichnen, und uns dann gleichzeitig sagen, wir müssten aufpassen, dass wir diese nicht auch noch nähren, dann gehen Sie doch genau dieser Propaganda auf den Leim. Sie überhöhen sie doch, Sie tragen sie doch ins Land hinein. Wir kuschen davor nicht.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie der Abg. Dr. Franziska Brantner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] – Abg. Christine Buchholz [DIE LINKE] meldet sich zu einer Zwischenfrage)
Frau Ministerin.
Meine Damen und Herren, dieses Mandat zu erteilen, fällt uns nicht leicht. Es ist eine schwere Entscheidung. Wir werden einen langen Atem brauchen, und es ist ein gefährlicher Einsatz.
Wir tun das auch in Solidarität mit unseren französischen Freunden, weiß Gott, aber nicht nur; es ist auch in unserem eigenen Interesse. Paris hat uns doch gezeigt, dass wir längst im Fadenkreuz des IS stehen; machen wir uns da doch nichts vor. Es sind die Kreuzfahrernationen, die bei den Anschlägen während des deutsch-französischen Fußballspiels angesprochen gewesen sind. Die Aussage des IS war doch eindeutig: Ihr sollt euch nirgends mehr sicher fühlen, weder in den Fußballstadien noch in den Cafés, in den Theatern, den Museen, am Strand, in Flugzeugen oder Zügen. Aber, meine Damen und Herren, das ist auch eine klare Ansage und Antwort darauf: Wir lassen uns nicht einschüchtern! Wir lassen uns unsere freie Art, zu leben, nicht nehmen!
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)
Ich erinnere mich noch sehr gut, welche Debatten wir im vergangenen Jahr an dieser Stelle hier geführt haben mit Blick auf das Irakmandat: Kann es richtig sein, von der Regel abzuweichen, Waffen in Konfliktgebiete zu entsenden? Was für einen Nutzen hat die Ausbildung der Peschmerga? Sind sie überhaupt in der Lage, den IS zu bekämpfen? Das waren und sind alles berechtigte Fragen; gar kein Zweifel.
Wir haben uns damals entschlossen, diesen Schritt zu gehen, den uns viele übrigens nicht zugetraut haben. Ich höre heute fast niemanden mehr, der noch am Sinn der Unterstützung der Peschmerga zweifelt. Sie haben ihr Gebiet zurückerobert. Sie haben den IS gestoppt. Sie haben Millionen Flüchtlingen Zuflucht gegeben: 1,5 Millionen Flüchtlinge leben im Gebiet der Kurden, die selbst dort nur 5 Millionen sind. Sie haben dem IS – ja, auch dank der MILAN – empfindliche Verluste zugefügt. Die Peschmerga haben sich als die wirksamsten Bodentruppen herausgestellt.
Heute ist klar, dass Deutschland zu Recht von Beginn an die Koalitionen gegen den Terror unterstützt hat, und zwar nicht nur militärisch, sondern auch politisch. Es war eine richtige Entscheidung.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Zuruf des Abg. Wolfgang Gehrcke [ Die Linke ])
Deshalb gilt es, heute zu handeln. Ich bin dem Außenminister dankbar, dass er den politischen Prozess, der von vorneherein auch im Irak da war, ausführlich geschildert hat. Von vorneherein war das Bestreben – es ist bisher erfolgreich gewesen –, diesen fragilen Irak in seiner Einheit zusammenzuhalten. Sunniten, Schiiten, Kurden – von vorneherein hat Deutschland die Stabilisierungsbemühungen, wenn Gebiete zurückerobert worden sind, unterstützt. Tikrit ist wieder erobert worden. Deutschland ist dort gewesen und hat den Wiederaufbau, die Versöhnungsarbeit nach dem militärischen Einsatz unterstützt. Meine Damen und Herren, man kann nicht behaupten, dass das hier nur eine militärische Aktivität sei. Diese Aktivität ist eingebettet in einen sinnvollen politischen Prozess, und dafür stehen wir mit ganzer Kraft.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)
Auch dieser zusätzliche Beitrag ist sinnvoll. Es eilt. Wir müssen eine entschlossene Antwort auf das, was in Paris geschehen ist, geben. Unsere Fähigkeiten werden dringend gebraucht. Man kann gar nicht genügend Aufklärung in diesem Gebiet leisten. Wir haben ja einen doppelten Auftrag: Ja, er ist einerseits die Bekämpfung des IS; das muss man auch so klar aussprechen, mit aller Konsequenz. Aber es gilt genauso, am Boden Zivilisten zu schützen, die, die auf unserer Seite kämpfen, zu schützen. Das heißt, man muss stündlich, minütlich eine genaue Kenntnis über das, was am Boden in einem unübersichtlichen Gebiet geschieht, haben. Deshalb sind die Fähigkeiten der Satellitentechnik und der Recce-Tornados sinnvoll und richtig. Auch die Fregatte ist ein starkes Zeichen der Solidarität an unsere französischen Freundinnen und Freunde.
Die vielen Fragen, die gestellt werden, sind legitim – das will ich ganz deutlich in den Raum stellen –; aber ich glaube, wir sind an einem Punkt, an dem wir uns sagen müssen: Nicht nur durch Handeln kann man sich schuldig machen, sondern auch durch Nichthandeln kann man schwere Fehler begehen.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD – Dr. Petra Sitte [DIE LINKE]: Wer will denn das?)
Legitim ist auch die Frage: Kann die Bundeswehr, kann Deutschland diesen Kampf aufnehmen? Übernehmen wir uns nicht an einer hochkomplexen, gefährlichen Aufgabe, an der schon weit größere Länder zu scheitern drohten? Auch viele andere Länder nehmen dies auf sich. Sie sind bereits zu Lande, zu Wasser, aus der Luft gegen den IS vorgegangen, und sie leisten damit einen Beitrag zum Gelingen des Ganzen. Das ist ein weltweiter Kampf gegen den IS und dessen Phänomene. Die Niederlande, Belgien, Großbritannien, Italien, Dänemark, Frankreich – keines der genannten Länder hat es sich leicht gemacht. Ja, es ist schwer, ja, es braucht Courage – von uns allen hier im Hohen Hause, aber auch von den Soldatinnen und Soldaten, die wir in diesen Einsatz schicken werden. Meine Damen und Herren, ich glaube, das Hohe Haus ist gemeinsam der Meinung: Es hat unseren hohen Respekt und unsere Anerkennung, wie die Soldatinnen und Soldaten im Einsatz für uns diese Leistung meistern.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Viele der genannten Länder haben diese Risiken und Anstrengungen schon seit geraumer Zeit auf sich genommen. Deutschland ist fest verankert in seinen Bündnissen. Es ist ein verlässlicher Partner. Zuverlässig zeigen wir Solidarität. So wie wir Solidarität einfordern, so müssen wir sie auch leisten, auch in schwierigen Zeiten, auch militärisch.
Wegen der Behauptung, es gäbe kein Ziel, wiederhole ich hier, was ich schon in der Befragung der Bundesregierung gesagt habe: Unser Ziel nennt die Resolution 2249 sehr klar, nämlich den IS bekämpfen – mit allen Mitteln. Dazu gehört das Militärische. Dazu gehört aber vor allem der politische Prozess. Dazu gehört der wirtschaftliche Prozess, nämlich die Finanzströme trockenzulegen; das hat der Gipfel von Antalya mit sich gebracht. Es geht darum, dem IS die Rückzugsräume zu zerstören. Es geht darum, zu verhindern, dass er von Syrien und Irak aus weiterhin auch terroristische Operationen weltweit steuern kann.
Aber es geht noch um mehr. Es geht darum, den politischen Einigungsprozess, den Versöhnungsprozess in Syrien und Irak vorzubereiten – für die Zeit nach IS, wenn wir IS erfolgreich bekämpft haben; denn die Menschen, die dort vor dem IS gelebt haben, haben in der grauenhaften Zeit der letzten Jahre tiefe Narben erlitten, weil zwischen Ethnien, die bis dahin friedlich zusammengelebt haben, Verletzung, Enttäuschung, Verrat stattgefunden haben. Wir werden auch die Versöhnungsarbeit mit begleiten. Nachdem wir den militärischen Kampf geschlagen haben werden, kommt eigentlich die echte Bewährungsprobe auf uns zu: wie es in Syrien und Irak weitergeht.
(Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Nachher ist es zu spät!)
Unser Ziel ist, daran zu arbeiten, dass wir – dazu ist die Welt aufgefordert – den IS bekämpfen: nicht nur militärisch – aber auch –, sondern dies auch politisch, humanitär und wirtschaftlich flankieren, indem wir seine Öleinnahmen und andere Finanzquellen versiegen lassen. Die Gedankenwelt des IS ist teuflisch; ich glaube, darüber besteht gar kein Zweifel in diesem Hohen Haus. Wir müssen ihn bekämpfen, und wir wollen ihn bekämpfen. Dazu soll dieses Mandat einen Baustein nur, aber einen wichtigen Baustein liefern, und dafür bitten wir um Ihre Zustimmung.
Danke schön.
(Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU – Beifall bei der SPD)
Vielen Dank, Frau Dr. von der Leyen. – Das Wort zu einer Kurzintervention hat Christine Buchholz.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/6240945 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 142 |
Tagesordnungspunkt | Bundeswehreinsatz gegen Terrororganisation IS |