03.12.2015 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 143 / Tagesordnungspunkt 3

Nicole MaischDIE GRÜNEN - Tierschutz

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Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Minister! Ich finde es schon erstaunlich, dass Sie so stolz auf diesen Bericht sind, dass Sie ihn heute Morgen zur besten Debattenzeit hier der Öffentlichkeit präsentieren wollen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Zuruf von der CDU/CSU: Freuen Sie sich doch!)

Dieser Bericht zeigt auf über 100 Seiten, dass die Große Koalition für den Tierschutz so gut wie nichts erreicht hat.

(Widerspruch bei der CDU/CSU)

Kollegin Vogt, bei allem Respekt: Euphorie über das, was Sie bisher getan haben, sprühte weder aus Ihrem Redebeitrag noch aus den Worten des Ministers. Ich würde sagen, da ist noch deutlich Luft nach oben, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Schauen wir uns den Bericht daraufhin an, welches Gesetz und welche Verordnung auf Ihre Initiative hin erlassen wurden. Sie haben zu den drängenden Problemen im Tierschutz nicht einmal einen Zeitplan. Wir haben eine Kleine Anfrage gestellt und gefragt: Wann wollen Sie endlich eine Nutztierhaltungsverordnung für die Milchkühe, für die Puten, für das Wassergeflügel machen? Wir haben keine Antwort bekommen. Es gibt nicht einmal einen Zeitplan. Ich finde, diese Koalition zeigt sehr deutlich, dass sie nicht viel für den Schutz der Tiere tun will.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich finde es ganz interessant, dass vonseiten der SPD schon wieder gesagt wird: Wir wollen das Tierschutzgesetz anpacken. – Das finde ich super. Der Minister hat gestern in der Presse gesagt: Auf keinen Fall werden wir das Tierschutzgesetz anpacken, weil dann die ganzen nervigen Tierschützer alle möglichen Änderungsvorschläge haben, die uns stören und uns in unserer Behäbigkeit beim Regieren hindern. – Von daher finde ich es interessant, die Auseinandersetzung zwischen Ihnen anzuschauen.

Ja, das Tierschutzgesetz wollen Sie nicht anpacken. Sie haben angekündigt, Sie wollen etwas gegen die Schlachtung trächtiger Kühe und für den Schutz der Pelztiere tun. Das ist durchaus ehrenwert, aber schauen wir uns an, wie Sie das umsetzen wollen. Sie wollen ein Gesetz nutzen, das eigentlich dafür da ist, Robbenprodukte und chinesisches Hundefell vom deutschen Markt fernzuhalten, weil Sie so große Angst davor haben, dass dann, wenn man an das Tierschutzgesetz herangeht, noch alle möglichen anderen Wünsche der Tierschützer aufs Tapet kommen.

Ja, wenn wir das Tierschutzgesetz anpacken, dann müssen wir noch über alle möglichen anderen Dinge reden. Bei trächtigen Kühen und bei den Pelzen sind wir uns vielleicht schnell einig, aber was ist mit den Tierversuchen? Warum haben die Behörden kaum die Möglichkeit, wirklich zwischen Tierschutz und Forschungsinteresse abzuwägen? Herr Schmidt, es ist ja nicht richtig, was Sie gesagt haben. Sie haben hier von diesem Pult aus wörtlich gesagt: „Dem Tierschutz kommt bei jeder Abwägung Gewicht zu.“ Bei den Tierversuchen ist genau das nicht der Fall, und das ist Ihre Schuld, weil Sie das Tierschutzgesetz in der letzten Legislatur im Bereich der Tierversuche einfach nur verhunzt haben.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wenn Sie wirklich etwas für die Versuchstiere tun wollen, dann hinterfragen Sie doch einmal die internen Abläufe in der Milliardenverteilungsmaschine Deutsche Forschungsgemeinschaft. Setzen Sie sich kritisch mit Ihrer Kollegin, der Forschungsministerin, auseinander. Aber dann müssten Sie auch einmal einen Konflikt innerhalb der Koalition und innerhalb des Kabinetts aushalten, und das ist im Tierschutz bisher wirklich nicht Ihr Ding gewesen.

Eine Koalition, die sich nicht einmal traut, beim Tierschutz ihren eigenen Koalitionsvertrag umzusetzen, die sollte wirklich nicht die Backen aufblasen. Sie haben im Koalitionsvertrag versprochen, gewerbliche Tierbörsen für exotische Tiere zu untersagen. Das machen Sie aber nicht. Die Kollegin Menz hat es gesagt: Es gibt jetzt noch einmal ein Forschungsprojekt. – Schlauerweise läuft dieses bis kurz vor der Bundestagswahl. So kann man die Resultate, die dabei herauskommen, nicht mehr umsetzen. Ich finde, das ist sehr hart an der Grenze zur Arbeitsverweigerung.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Sie erkennen die Probleme selbst und benennen sie im Tierschutzbericht. Schauen wir uns die Zirkustiere an. Die Haltung von Wildtieren im Zirkus ist Tierquälerei. Elefanten, Bären, Giraffen, Tiger und sogar ein Flusspferd werden in deutschen Wanderzirkussen herumgekarrt. Wenn man hier von „leuchtenden Kinderaugen“ spricht, wie der Kollege Stier es gern im Ausschuss tut, dann muss ich sagen: Da hat man beim Thema Artenschutz im Biologieunterricht etwas grundsätzlich falsch verstanden.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Ich erwarte von Ihnen, dass Sie dann, wenn Sie hier Schweitzer, Ghandi und alle möglichen Größen aus dem Bereich des Tierschutzes zitieren, endlich verbieten, dass Giraffen, Tiger, Flusspferde und Bären in Wanderzirkussen gequält werden. Wenn Sie das in dieser Legislaturperiode nicht hinkriegen, dann können Sie sich das ganze Gerede zu Ethik und die ganzen Zitate sparen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN – Volker Kauder [CDU/CSU]: Genau!)

Es sind nicht nur die Wildtiere, bei denen Sie versagen. In Ihrem Bericht loben Sie sich dafür, dass es jetzt einen Tierschutzpreis im Reitsport gibt. Das finden wir super, das soll man machen;

(Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Donnerwetter! – Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Hammer!)

aber ich finde: Ein Tierschutzpreis im Reitsport ist gut und schön. Solange es in Deutschland aber legal Verbrennungen dritten Grades auf den Pferdehintern geben kann,

(Beifall der Abg. Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE])

so lange braucht man nicht über Tierschutz im Pferde­sport zu sprechen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN – Zurufe von der CDU/CSU)

Der Schenkelbrand wird im Jahr 2015 betäubungslos ausgeführt und ist weiterhin legal. Das kann nicht Ihr Ernst sein. Das ist keine zivilisatorische Größe. Das ist anachronistisch. Das ist widersinnig, und das muss man beenden.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN – Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Das bleibt auch so!)

– Herr Kauder sagt gerade: Das bleibt auch so.

(Volker Kauder [CDU/CSU]: Nein! Ich habe das nicht gesagt! Falsch zugeordnet!)

– Dann habe ich mich vertan. Aber es war doch die CDU/CSU – Ursula von der Leyen, Dieter Stier –, die sich bis aufs Blut für den Schenkelbrand eingesetzt haben. Ilse Aigner hatte in ihrem Entwurf schon vorgesehen, dass diese anachronistische, brutale Methode verboten werden soll.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Sie haben doch verhindert, dass das endlich beendet wird. Es ist immer noch legal, sogar ohne Betäubung. Das ist absurd, und das muss ein Ende haben.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)

Frau Kollegin.

Aber ich will den Worten des Ministers folgen, der gesagt hat, wir sollen nicht immer nur im Zorn zurückblicken. Das ist richtig. Man muss nach vorne schauen. Man muss es besser machen.

Vor allen Dingen muss man zum Ende kommen, Frau Kollegin.

Das sehe ich durchaus. Deshalb komme ich zum Schluss. – Wir sind nicht nur wütend; wir haben Ihnen auch konstruktive Vorschläge gemacht. Unser Antrag liegt vor. Stimmen Sie ihm zu! Nehmen Sie die Forderungen ernst! Dann fällt der nächste Tierschutzbericht auch nicht mehr so peinlich aus.

Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Nun erhält der Kollege Dieter Stier das Wort für die CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/6244345
Wahlperiode 18
Sitzung 143
Tagesordnungspunkt Tierschutz
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