Karin ThissenSPD - Tierschutz
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Kolleginnen und Kollegen! Wir mussten eine Weile auf den Tierschutzbericht der Bundesregierung warten. Aber das ist in Ordnung. Gut Ding will schließlich Weile haben.
(Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Schlecht Ding auch!)
Ich hätte mich gefreut, wenn die Seiten nummeriert gewesen wären. So ist es ein bisschen schwierig, darin zu lesen. Aber prinzipiell finde ich gut, dass er da ist.
Ich finde auch gut, dass der Tierschutz in Deutschland in den letzten 50 Jahren zunehmend an Bedeutung gewonnen hat, dass sich das Thema Tierschutz inzwischen in den Wahlprogrammen fast aller Parteien wiederfindet und dass das Staatsziel Tierschutz 2002 in das Grundgesetz aufgenommen wurde.
(Beifall bei der SPD)
Eine Verbesserung des Tierschutzes ist somit politisch gewollt. Das finden wir gut. Die Kollegin Vogt hat es vorhin schon gesagt: Die SPD wird sich als Koalitionspartner vehement dafür einsetzen, dass es den Tieren am Ende der Legislatur besser geht als jetzt.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da sind wir mal gespannt!)
Auch wenn vieles noch vage ist, so nimmt doch vieles schon Formen an. Ich möchte ein positives Beispiel aus dem Tierschutzbericht hervorheben. Es geht um das Kapitel, das sich mit dem Verbot der Schlachtung tragender Tiere beschäftigt. Ich habe mich beim Lesen darüber gefreut, dass konsequent der Begriff „tragende Tiere“ verwendet wird. Denn immer, wenn in den letzten Monaten darüber gesprochen wurde – wir haben es vorhin in der Rede der Kollegin Maisch und in der Rede des Kollegen Stier gehört –, ging es lediglich um das Verbot der Schlachtung tragender Rinder. Aber es betrifft genauso die Sauen.
(Dieter Stier [CDU/CSU]: Ich hatte leider nicht mehr Redezeit! Ich hätte Ihnen gerne noch mehr erzählt!)
– Ach, Sie hatten keine Zeit, auch noch die Sauen zu erwähnen. Die Zeit nehme ich mir.
(Heiterkeit und Beifall bei der SPD – Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE]: Und Pferde und Schafe!)
– Ja, aber bei Pferden und Schafen kommt das viel seltener vor.
Ich habe auf einem Schlachthof gearbeitet. Es ist noch gar nicht so lange her, da wurde ich von einer Kollegin angerufen, die schon seit 25 Jahren auf dem Schlachthof arbeitet. Sie sagte mir: Morgen kriegen wir eine Lieferung von 80 hochtragenden Sauen, die geschlachtet werden. Karin, tu was! – Ich sagte: Was soll ich tun? Es ist nicht verboten. – 80 hochtragende Sauen, das bedeutet, dass 800 bis 1 200 Feten im Mutterleib ersticken.
(Zuruf von der SPD: Wahnsinn!)
Ich habe übrigens bewusst Feten und nicht Ferkel gesagt, obwohl sie wie Ferkel aussehen. Das muss man sich einmal genau vorstellen und sich dabei überlegen, wie sich die Menschen fühlen, die an der Schlachtlinie stehen. Ich sagte zu meiner Kollegin: Ich kann nichts tun, es ist nicht verboten. Sie sagte: Dann sorge doch bitte dafür, dass es verboten wird.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der Abg. Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE])
Ich möchte nicht nur auf den vorliegenden Tierschutzbericht eingehen – das haben meine Vorredner schon gemacht –, ich möchte auch auf den vorliegenden Antrag von Bündnis 90/Die Grünen eingehen; das hat bis jetzt kaum jemand gemacht. Der Antrag der Grünen enthält einen Satz, der mir ein bisschen sauer aufstößt. Da heißt es: Die Bundesregierung soll aufgefordert werden, Tieren in der Landwirtschaft – ich zitiere – „ein würdiges Dasein“ zu ermöglichen. Mit diesem „würdigen Dasein“ habe ich so meine Probleme.
(Friedrich Ostendorff [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir nicht!)
Ich finde es grenzwertig, den Begriff „Menschenwürde“ auf Tiere zu übertragen. Das ist anthropozentrischer Tierschutz.
(Abg. Nicole Maisch [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] meldet sich zu einer Zwischenfrage)
Herr Präsident, wie läuft das jetzt? Sie machen das jetzt?
So ist es.
Gut. – Ich bin auch noch Anfängerin. Ich bin noch im ersten Lehrjahr.
Aber ich habe den Eindruck, dass Sie die Zwischenfrage zulassen wollen.
Ja, ich bin zwar noch nicht fertig, aber von mir aus.
Frau Maisch, bitte sehr.
Frau Kollegin, danke, dass Sie meine Frage zulassen. – Sind Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, dass es in der Debatte um Würde mehrerer Würdebegriffe jenseits des Begriffes der Menschenwürde gibt? Vielleicht haben Sie unseren Entwurf eines Tierschutzgesetzes aus der letzten Legislatur gelesen, in dem wir von der „Würde als Tier“ sprechen. Wir verwehren uns gegen die Behauptung, dass wir in unseren Diskussionsbeiträgen die Menschenwürde mit einem würdevollen Dasein für Tiere gleichsetzen. Ich würde mich sehr freuen, wenn auch Sie das nicht weiter behaupten würden.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Ich habe das nicht behauptet. Ich habe gesagt: Ich habe ein Problem damit, dass die Würde – –
(Abg. Nicole Maisch [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] nimmt wieder Platz)
– Sie können sich ruhig hinsetzen.
(Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)
Nein, nein, nein. Sie veranstalten hier keine private Teestunde.
Ich habe nichts dagegen. Und ich rede nicht nur über den Schutz schwangerer Tiere, sondern auch schwangerer Menschen. Ich habe nichts dagegen, wenn Sie sich hinsetzen.
Ja, ich aber.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Ach so, gut. – Sorry.
Wenn Sie sich privat zum Tee treffen, dann können Sie das halten, wie Sie wollen, aber wenn Sie hier im Bundestag miteinander kommunizieren, sollten wir gewisse Standards gemeinsam aufrechterhalten.
(Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Ich bitte untertänigst um Entschuldigung. Ich dachte nur an den Zustand der Kollegin.
(Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE]: Sie ist nicht krank! Sie ist schwanger!)
– Gut, alles klar. – Jetzt weiß ich nicht mehr, was ich sagen wollte.
(Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD, der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Nicole Maisch [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann kann ich mich ja setzen!)
Genau. Ich habe es zur Kenntnis genommen. Ich habe trotzdem Probleme damit. Ich weiß, dass es unterschiedliche Definitionen des Begriffes „Würde“ gibt. Trotzdem habe ich Probleme damit, wenn man eine anthropozentrische Sichtweise zugrunde legt. Das führt meines Erachtens nicht zu einer Verbesserung des Tierschutzes.
(Max Straubinger [CDU/CSU]: So ist es!)
Ich lege Wert darauf, festzuhalten: Wenn ich über Tierschutz rede, dann meine ich wissenschaftlichen Tierschutz, der nach der Devise „Wissen schützt Tiere“ handelt. Dazu zähle ich auch den ethischen Tierschutz; denn auch Ethik ist Wissenschaft.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU sowie der Abg. Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE])
Ich möchte noch ein Beispiel aus Ihrem Antrag bringen, warum Wissen Tiere schützt. Sie fordern – ich zitiere wieder –, „das Tierleid auf Deutschlands Straßen und in den Schlachthöfen zu beenden“. Dazu muss man wissen, dass es auf jedem Schlachthof, wenn die Tiere angeliefert werden, einen Tierarzt gibt, der darüber entscheidet, ob die Tiere geschlachtet werden dürfen; das kann auch eine Tierärztin sein, aber ich gender das jetzt nicht alles. Er entscheidet darüber, ob ein Tier geschlachtet werden darf; denn nur gesunde Tiere dürfen geschlachtet werden.
(Nicole Maisch [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, aber gegen die Schlachtung der trächtigen Säue konnten Sie nichts machen!)
– Darf ich jetzt erst einmal reden? – Er beurteilt auch, ob der Transport tierschutzkonform erfolgt ist und ob auf dem Schlachthof tierschutzkonform gearbeitet wird. Diese Tierärzte werden an der Ausübung ihrer Arbeit massiv gehindert.
(Nicole Maisch [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber doch nicht von den Grünen!)
– Das habe ich nicht behauptet. Das betrifft uns alle. Ich kann ja ruhig zur SPD gucken, wenn Ihnen das lieber ist.
(Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Das ist eher ein arbeitsrechtliches Problem, und das Arbeitsrecht ist ja ein originäres SPD-Thema.
Man muss einfach wissen, dass die Tierärzte, die letztendlich dafür da sind, das umzusetzen, was wir hier beschließen, massiv an der Ausübung ihrer Arbeit gehindert werden. Wir müssen uns einfach einmal überlegen, wie wir diesen Menschen helfen können. Dabei geht es nicht nur um die Tierärzte, sondern grundsätzlich um Menschen, die ihren Lebensunterhalt mit Tieren verdienen und dabei anständig bleiben wollen. Denen wird das Leben immer noch sehr schwer gemacht. Sie werden jetzt sagen: Wir sind die Legislative und nicht die Exekutive. Ich denke, man kann sich trotzdem des Problems bewusst werden und es anpacken. Das ist eine Sache, die auf Länderebene umgesetzt werden muss, aber wir alle sind gefordert, uns zu überlegen, was man da machen kann.
(Beifall bei der SPD)
Ich bedanke mich bei der Kollegen Thissen für den vorbildlichen Beitrag zur Einhaltung der Gesamtredezeit unserer Debatte
(Beifall bei der SPD)
und freue mich, wenn der Kollege Holzenkamp diesem leuchtenden Beispiel folgt.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE]: Wenn der Inhalt dann auch stimmt! – Gegenruf des Abg. Max Straubinger [CDU/CSU]: Der Inhalt stimmt!)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/6244496 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 143 |
Tagesordnungspunkt | Tierschutz |