Oliver GrundmannCDU/CSU - Klimaschutz
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Kollege Krischer, wenn Dampfplauderer CO2 ausstoßen würden, dann wären Sie hier sicherlich der größte CO2‑Emittent im ganzen Hause.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Zurufe von der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Oh! – Weiterer Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Oh Gott, wie peinlich!)
Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir haben in den Bereichen Klimaschutz und Energiewende eine Vorreiterrolle. Wir können Vorbild für viele Länder auf der Welt sein. Wir haben schon ein gutes Stück an Strecke zurückgelegt. Die neuesten Zahlen belegen: Schon heute beträgt der Anteil aus erneuerbaren Energien 33 Prozent – so viel wie in keiner anderen Industrienation der Welt. Das ist etwas, was wir vor wenigen Jahren noch für undenkbar gehalten haben.
Bei aller Euphorie: Wir dürfen uns dabei nicht übernehmen. Vor uns liegt noch eine Marathonstrecke, die wir zu bewältigen haben. Ein radikaler Kohleausstieg, ein Sprint am Anfang der 42 Kilometer, ist – bei aller Ungeduld – die falsche Schrittgeschwindigkeit, wenn wir wirklich erfolgreich ins Ziel kommen wollen. Wenn wir unser industrielles Herz erlahmen ließen, dann wären wir nicht mehr Vorbild, sondern stünden für ein gescheitertes Experiment.
(Marie-Luise Dött [CDU/CSU]: Genau!)
Es nützt niemandem, wenn wir die Konkurrenzfähigkeit unserer Wirtschaft gefährden, um geringste Mengen CO2 einzusparen. Das wäre dann eine schädliche Übertreibung. Wenn wir scheiterten, dann wären wir nicht mehr Vorbild, dann würden uns andere Länder auf der Welt nicht mehr nachfolgen wollen; dann hätten wir eine große Chance vertan, wirkliche Mengen CO2 einzusparen und damit einen wirklichen Beitrag zum Klimaschutz zu leisten.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Ich sage Ihnen, meine sehr geehrten Damen und Herren: Ein zeitgleicher Atom- und Kohleausstieg ist für eine Industrienation wie Deutschland sehr riskant. Wir brauchen auch in Zukunft verlässliche Grundlastträger, zumal uns erforderliche Leitungen und Speicher für erneuerbare Energien in Deutschland noch fehlen. Es ist daher erforderlich, die Kohle als verlässlichen, heimischen Energieträger im Sinne einer Brückentechnologie zumindest mittelfristig weiter zu nutzen, so lange jedenfalls, bis andere Technologien eine sichere und bezahlbare Alternative darstellen.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich begrüße grundsätzlich das Ziel einer Dekarbonisierung; aber ich bin als ehemaliger Geschäftsführer ein Mann der Praxis und kenne den Bereich des Umweltschutzes daher nicht nur aus Anträgen. Ich sage Ihnen: Wir können nicht zwei Schritte vor dem ersten tun. Andernfalls kommen wir ins Straucheln, stolpern und landen dann auf dem Asphalt.
Wir müssen uns einmal die Dimension dieser politischen Frage vor Augen führen. Wir haben immer noch die besten und effizientesten Kohlekraftwerke der Welt; sie können heute bereits Wirkungsgrade von bis zu 46 Prozent erreichen. Diese Technik gilt es fortzuentwickeln. Wir müssen weiterhin technologischer Vorreiter bleiben, bei den erneuerbaren – ja! –, aber genauso bei den konventionellen Energieträgern. Sonst haben wir rein gar nichts gewonnen.
Sie stimmen mir da vielleicht in diesem Hause zu: In China geht bald jede Woche ein neues Kohlekraftwerk ans Netz, –
(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das war einmal! Das ist vorbei! Sie sind nicht mehr auf der Höhe der Zeit!)
gut für das Weltklima ist das mit Sicherheit nicht. Wir können die Chinesen aber auch nicht dazu zwingen, aus der Kohle auszusteigen. Wir können sie wohl aber ermuntern, umzusatteln, indem wir nur wettbewerbsfähige Umwelttechnologien an den Markt bringen. Für das Weltklima ist es in letzter Konsequenz egal, wo wir eine Tonne CO2 einsparen. Genau aus diesem Grund haben wir den Emissionshandel technologieoffen gestaltet. Ich sage Ihnen: Bleibt Deutschland eine führende Industrienation, dann kann der Energiebedarf in unserem Land kaum sinken, wenn unsere Wirtschaft nicht an einer Herzmuskelschwäche erliegen soll.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Annalena Baerbock [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Also keine Energieeffizienz?)
Herr Kollege, es gibt den Wunsch nach einer Zwischenfrage bei Frau Verlinden von den Grünen. Mögen Sie sie zulassen, oder wollen Sie weitersprechen?
Ja, ich lasse sie zu.
Bitte schön.
(Volker Kauder [CDU/CSU]: Na los, Mädel! – Gegenruf der Abg. Monika Lazar [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: So ein Chauvi-Spruch!)
Herr Grundmann, Sie haben eben gesagt, dass Sie grundsätzlich dem Ziel der Dekarbonisierung positiv gegenüberstehen, dass Sie es unterstützen. Sie sagen, Klimaschutz ist wichtig. Aber das beinhaltet doch auch den Ausstieg aus den fossilen Energieträgern.
Sie kommen aus Stade, wo gerade ein Kohlekraftwerk geplant wird. Ich wüsste gerne, wie Sie dazu stehen, vor allen Dingen – was die Bedenken der örtlichen Bevölkerung angeht – in Bezug auf gesundheitliche Aspekte.
Ich habe eine zweite Frage. Sie sitzen doch im Umweltausschuss. Wir haben im Frühjahr eine Anhörung zum sogenannten Fracking-Gesetzespaket durchgeführt. Wir Grüne finden es sehr bedauerlich, dass nach wie vor keine gesetzliche Regelung verabschiedet werden konnte.
Wir Grüne waren nach den im Frühjahr sowohl im Umwelt- wie auch im Wirtschaftsausschuss durchgeführten Anhörungen relativ schnell mit unseren Änderungsanträgen zu dem Gesetzespaket fertig. Wir hätten diese sehr gerne hier im Bundestag diskutiert und zur Abstimmung gestellt. Leider hat die Große Koalition den entsprechenden Tagesordnungspunkt kurzfristig von der Tagesordnung genommen. Ich möchte von Ihnen wissen – Sie sind ja Umweltpolitiker –: Wann sind Sie in der Großen Koalition endlich so weit, dass wir hier über das wichtige Thema Fracking debattieren und abstimmen können?
(Ulrich Petzold [CDU/CSU]: Was hat das denn mit der Debatte hier zu tun?)
Die Mehrheit der Menschen will kein Fracking in Deutschland. Das hat sehr viel mit Klimaschutz zu tun. Denn es geht um die Frage: Wie lange wollen wir das fossile Zeitalter noch fortsetzen?
Sehr geehrte Frau Kollegin Verlinden, auf die von Ihnen genannten Aspekte werde ich im Rahmen meiner Rede noch eingehen. Zu dem von Ihnen genannten Kraftwerk werde ich noch ausführlich Stellung nehmen.
Zum Bereich Fracking-Technologie kann ich Ihnen nur sagen: Das Gesetzgebungsverfahren ist auf den Weg gebracht worden, dann allerdings abrupt zum Stoppen gekommen. Aber ich bin sehr zuversichtlich, dass wir in den nächsten Monaten eine vernünftige und sachgerechte Lösung im Sinne der Menschen in unserem Land finden können.
(Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Echt?)
Meine sehr geehrten Damen und Herren, angesichts der ideologischen Vergrämung konventioneller Energieträger, die in diesem Land stattfindet, habe ich eine Sorge: Wenn das so weitergeht, dann wird in Deutschland überhaupt kein Kraftwerk mehr gebaut, obwohl wir auf diese wichtige Brückentechnologie angewiesen sind. Dann werden wir abhängig von anderen Ländern und Strom beziehen, der auf ganz andere Art und Weise produziert wird, als wir uns das hier in Deutschland wünschen.
(Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir haben einen gigantischen Stromüberschuss! – Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir haben Überkapazitäten!)
Investoren brauchen sichere und verlässliche Rahmenbedingungen. Sie brauchen ein positives Umfeld, damit sie mutig und entschlossen unsere Zukunft anpacken und gestalten können. Ich will Ihnen daher, Frau Kollegin Verlinden, das Beispiel aus meinem Wahlkreis nennen. Es gibt in Stade das größte niedersächsische Chemiewerk, die Dow Chemical. Das Unternehmen braucht für den laufenden Betrieb etwa so viel Strom wie 1 Million Privathaushalte. So ein Unternehmen ist auf eine langfristige, stabile und wettbewerbsfähige Versorgung mit Strom und Wärme angewiesen. Jetzt frage ich Sie: Wie soll ein solches Unternehmen seinen gigantischen Energiebedarf rund um die Uhr, 8 700 Stunden im Jahr, allein aus erneuerbaren Energien decken? Dann wäre mein halber Wahlkreis mit Photovoltaikanlagen zugepflastert, wir bräuchten Hunderte von Windrädern, aber vor allen Dingen bräuchten wir Stromspeicher, die es in Deutschland zurzeit gar nicht gibt.
(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was fordern Sie denn? Neue Kohlekraftwerke?)
Wir haben bei uns nun einmal nicht nur dauerhaften Sonnenschein und steife Brisen; auch wenn ich mir das bei uns im norddeutschen Raum sehr wünschen würde.
(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was erzählen Sie uns denn hier?)
Meine sehr geehrten Damen und Herren, Mittelstand und Bürger stöhnen unter der Last der Energiepreise. Wir sind heute schon europäischer Spitzenreiter bei den Industriestrompreisen.
(Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das stimmt überhaupt nicht!)
Ich hatte erst kürzlich den Dow-Betriebsrat in Berlin bei mir zu Gast. Energieintensive Unternehmen machen sich ernsthafte Sorgen.
(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Welcher Lobbyist hat Ihnen das aufgeschrieben?)
Aber Sorgen alleine helfen nicht weiter. Dow Chemical nimmt seine Zukunft selbst in die Hand und plant ein eigenes hochinnovatives KWK‑Kraftwerk. Durch modernste Technologien könnten dann sowohl fossiles Gas als auch Wasserstoff, Biomasse und Steinkohle als Brennstoffe eingesetzt werden. Da Wasserstoff als Nebenprodukt der Chlorelektrolyseprozesse in großem Umfang anfällt, könnte das in Zukunft sogar der Hauptbrennstoff werden. Bei einem solchen Kraftwerk hätten wir eine Brennstoffeffizienz von bis zu 60 Prozent und würden dann rund 40 Prozent weniger CO2 emittieren.
(Marie-Luise Dött [CDU/CSU]: Genau!)
Ich sage Ja zu erneuerbaren Energien. Auch das ist Zukunft und darf nicht verteufelt werden, wenn wir neue Wege gehen und solche Kraftwerke wie am Standort Stade vorantreiben. Aber dafür brauchen wir Investitionssicherheit, sonst bleibt auch dieses Projekt nur eine schöne Vorstellung der Investoren.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Meine sehr geehrten Damen und Herren, was momentan in diesem Land passiert, betrachte ich mit einer gewissen Sorge: Ein Großprojekt nach dem anderen wird zerredet, verzögert oder ganz auf Eis gelegt. Dies wird versucht bei Autobahnen, beim Kraftwerksbau, bei den Freihandelsabkommen oder auch bei dem Ziel, die Olympischen Spiele in Hamburg auszutragen. „ German Angst“ wird damit zum Mantra der Fortschrittsverweigerer. Dabei gerät ganz aus dem Blick, dass unser Wohlstand nicht vom Naturtourismus auf dem Lande und den Biomärkten in den Großstädten abhängt, sondern vom Fleiß von Abertausenden von Industriearbeitern, Mittelständlern, Handwerkern und Beschäftigten, die täglich aufstehen, arbeiten, ihre Pflicht tun und damit Wohlstand für alle schaffen.
(Beifall bei der CDU/CSU – Sabine Leidig [DIE LINKE]: Das ist ja Steinzeit!)
Dieser im Weltvergleich fast einzigartige Wohlstand hat die Energiewende erst möglich gemacht. Ich warne davor, unserer Wirtschaft immer neue Knüppel zwischen die Beine zu werfen. Ich bin im Gegenteil dafür, die Chancen der Energiewende gemeinsam zu nutzen. Mit Power-to-Gas, Wärmespeichern und intelligenten Netzen sowie im gesamten Bereich der Energieeffizienz, vor allem im Gebäudebereich, bieten sich uns große Chancen. Hier lassen sich riesige Potenziale erschließen, ohne wertvolle Wirtschaftskraft opfern zu müssen. Hier haben wir einen riesigen Schatz, den es zu heben gilt. Wenn wir hier die Goldmedaille erringen, dann stehen wir auf der Siegertreppe und sind ein wirkliches Vorbild für die ganze Welt. Wenn wir Benchmark sind für andere Länder, wenn insbesondere die Chinesen angespornt werden, bei uns abzuschauen, dann können wir dadurch mehr erreichen als durch jeglichen kurzfristigen Aktionismus. Das nenne ich dann eine wirklich nachhaltige Klimapolitik. Dafür setzen wir von der CDU/CSU uns entschlossen ein.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Als nächstem Redner erteile ich das Wort dem Abgeordneten Arno Klare, SPD‑Fraktion.
(Beifall bei der SPD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/6244701 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 143 |
Tagesordnungspunkt | Klimaschutz |