03.12.2015 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 143 / Tagesordnungspunkt 7

Thomas HitschlerSPD - Antwort auf den Terror

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zur rechtlichen Diskussion empfehle ich das aktuelle Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages, das zu einem relativ klaren Urteil kommt, nämlich zu dem Urteil, dass die Verfahrens- und Vorgehensweise der Bundesregierung juristisch absolut rechtmäßig und korrekt ist.

(Anita Schäfer [Saalstadt] [CDU/CSU]: Richtig! Sehr gut!)

Ich möchte an dieser Stelle ein Stück weit auf die politische Argumentation eingehen. Gestatten Sie, dass ich mit einem kleinen Lob an die Linksfraktion beginne.

(Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Das höre ich gerne!)

Sie greifen in Ihrer Antragsbegründung einige durchaus sinnvolle Einzelmaßnahmen auf: Sie wollen, dass Deutschland diplomatisch auf die Türkei einwirkt. Sie finden, die Finanzierung des IS müsse geschwächt werden. Sie mahnen stärkere soziale Präventionsmaßnahmen an. Das alles können sinnvolle Einzelmaßnahmen sein.

(Heike Hänsel [DIE LINKE]: Ja, genau! Und was machen Sie?)

Sie verpuffen aber, wenn sie nicht in ein Gesamtkonzept eingearbeitet werden.

(Heike Hänsel [DIE LINKE]: Wo ist denn Ihr Gesamtkonzept?)

Dabei nennen Sie einen entscheidenden Punkt leider nicht. Es ist doch unbestritten: Der IS ist mit militärischen Mitteln allein nicht zu besiegen. Gerade deshalb braucht es ein umfassendes und international abgestimmtes Maßnahmenpaket. Deutschland arbeitet bereits genau daran, speziell unser Außenminister Frank-Walter Steinmeier, im Rahmen der Syrien-Kontaktgruppe gemeinsam mit 16 anderen Staaten – erst vor zwei Wochen wurde auf dem Syrien-Gipfel in Wien ein Zeitplan für eine Übergangsregierung und für Wahlen in Syrien verabschiedet – und im Rahmen der internationalen Koalition gemeinsam mit 63 anderen Staaten. Die Unterbrechung der Finanzströme und des Zulaufs ausländischer Kämpfer, eine Kommunikationsstrategie und die Stabilisierung der Region stehen dort schon längst auf der Tagesordnung, liebe Kolleginnen und Kollegen.

Aber die bittere Wahrheit ist auch: Ohne militärische Mittel ist der IS auch nicht zu besiegen. Genau diese wollen Sie aber ausschließen. Sie kritisieren lauthals die Luftangriffe gegen den selbsternannten „Islamischen Staat“. Aber wissen Sie was? Kobane wäre ohne die Luftschläge der USA und ohne die militärische Unterstützung der Peschmerga heute noch in den Händen der Dschihadisten.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Heike Hänsel [DIE LINKE]: Ach ja?)

Haben Sie die fürchterlichen Verbrechen, die in der Region Tag für Tag geschehen, etwa schon vergessen? Die Pappschildsolidarität auf Facebook hilft vielleicht dem eigenen Gewissen, aber ganz bestimmt nicht den Menschen, die unter der Barbarei des sogenannten „Islamischen Staats“ leiden.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

An anderer Stelle argumentierten Sie, dass eine deutsche Beteiligung in Syrien die Terrorgefahr in unserem Land erhöhen würde. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir sind längst im Fadenkreuz der Dschihadisten. Das Freundschaftsspiel zwischen Frankreich und Deutschland war ein ganz bewusst gewähltes Ziel der Terroranschläge von Paris. Seit Monaten gibt es Drohvideos gegen Deutschland im Internet.

Kollege Hitschler, es gibt gleich zwei Wünsche nach einer Frage oder Bemerkung. Als Erste hat sich die Kollegin Dağdelen gemeldet, dann noch der Kollege Ströbele.

Ich würde sie gerne zum Ende beantworten, also nach der Rede.

Nach der Rede, das wird nichts. Nach der Rede haben Sie dann maximal die Möglichkeit, auf eine Kurzintervention zu reagieren.

Ich denke, ich werde das im Laufe der Rede beantworten.

Gut. – Im Moment lassen Sie das also nicht zu. Dann sehen wir einmal, wie sich das entwickelt. Ich lasse die Uhr jetzt weiterlaufen.

Das ist nett; vielen Dank. – Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich komme zu meiner Argumentation zurück. Ich sage: Wir werden bereits angegriffen, unsere Partner, unsere Staatsbürger, unsere Art zu leben, und unsere gemeinsamen Werte. Da müssen wir wachsam sein. Die Dschihadisten werden uns nicht verschonen, nur weil wir sie in Ruhe lassen. Sie bekämpfen nicht nur ihre militärischen Gegner, sie bekämpfen alles, was nicht ihrem kruden Weltbild entspricht.

Der Einsatz militärischer Mittel darf dabei aber kein blinder Aktionismus sein. Dafür braucht es immer gute Gründe, und ich meine, die gibt es in diesem Fall.

Der IS hält große Teile Syriens und des Irak in Geiselhaft. Das neue Pseudokalifat ist sein Propagandakern und maßgeblich für die Rekrutierung und Ausbildung neuer Terroristen. Es ist Rückzugsraum, ein zentraler Bestandteil und Baustein im Wirtschaftssystem des IS und die Basis seiner militärischen Operationen und seiner Raubzüge. Hier ist der IS angreifbar. Hier kann man sein militärisches Potenzial schwächen.

Wer militärische Einsätze aber ausschließt, der schließt auch aus, dem IS dieses Potenzial und diese Basis zu nehmen, der lässt zu, dass der IS weiter Steuern eintreiben kann, dass er über Ölquellen verfügt, dass er einen geschützten Raum hat, in dem sich seine Kämpfer regenerieren können, und der lässt zu, dass die Bevölkerung in diesem Gebiet weiter unter der Terrorherrschaft und unter der Unrechtsjustiz leidet.

Solange der IS weite Teile des syrischen und des irakischen Staatsgebiets kontrolliert, ist ein politischer Frieden in dieser Region nicht zu erreichen. Wo Entwicklungshelfer gezielt exekutiert werden, ist Entwicklungshilfe ohne militärischen Schutz kaum zu verantworten.

Ich sehe auch keine Möglichkeit, wie man mit dem IS diplomatisch umgehen könnte. Wären es „nur“ Islamisten mit lokaler Agenda, dann könnte man sie ja vielleicht noch mit Biegen und Brechen irgendwie in Verhandlungen einbeziehen. Aber bei Dschihadisten mit dem Ziel eines Weltkalifats kann ich keinerlei Verhandlungsmasse ausmachen. Ohne Militär ist dieser IS nicht zu besiegen.

Dazu braucht es eine international abgestimmte, militärische und politische Strategie. Es braucht eine Exit-Strategie, und es braucht ein Konzept dafür, wie es in Syrien und im Irak weitergehen soll. Genau daran arbeiten wir.

In Bezug auf die militärische Strategie halte ich drei weitere Punkte für grundsätzlich notwendig:

Erstens. Ein Kampf aus der Luft allein wird nicht ausreichen. Damit kann man zwar die Expansion des IS aufhalten, aber am Ende brauchen wir verbündete Strukturen am Boden.

Zweitens. Das können aber keine westlichen Boden­truppen sein. Sobald der Westen als Besatzer wahrgenommen wird, spielt das nur der IS-Propaganda in die Hände. Wir brauchen arabisch-sunnitische Verbündete.

Drittens. Das darf nicht Assad sein. Für eine langfristige politische Lösung müssen auch gemäßigte Pro-­Assad-Kräfte an den Tisch geholt werden. Aber an der Seite Assads zu kämpfen, wäre ein Verrat an der syrischen Bevölkerung.

(Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Also Saudi-­Arabien, oder was?)

Deutschland kann einen sinnvollen militärischen Beitrag leisten. Nicht viele Staaten besitzen die Fähigkeit, die wir mit unseren Tornados anbieten. Das ist ein sinnvoller Beitrag zur Aufklärung, ein Beitrag, der dabei helfen kann, Ziele in diesem Bereich zu identifizieren.

Kolleginnen und Kollegen, wir müssen diesen Verbrechern das Handwerk legen. Das erklärte Ziel muss sein: Jeder IS-Kämpfer gehört vor Gericht. Mit der Erreichung dieses Ziels würden wir auch unserer moralischen Verantwortung gerecht werden. Das unterscheidet uns nämlich auch von diesen IS-Schlächtern, und das sollten wir auch deutlich betonen.

Ihr Antrag lautet „Keine militärische Antwort auf Terror“.

(Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Ja!)

Ehrlicherweise hätten Sie ihn gleich „Keine Antwort auf Terror“ nennen können.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Das kann keine Lösung sein. Deshalb kann ich nur empfehlen, diesen Antrag abzulehnen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Zu einer Kurzintervention hat der Kollege Ströbele das Wort.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/6245288
Wahlperiode 18
Sitzung 143
Tagesordnungspunkt Antwort auf den Terror
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