Roderich KiesewetterCDU/CSU - Bundeswehreinsatz in Afghanistan (Resolute Support)
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion unterstützt das Mandat. Ich möchte bei Bündnis 90/Die Grünen an dieser Stelle ausdrücklich dafür werben. Herr Kollege Schmidt, Sie haben Äpfel mit Birnen verwechselt. Unser Mandat sieht Ausbildung, Beratung und Unterstützung vor und nicht den Kampf. Was Sie ansprechen, ist das gesonderte Sicherheitsabkommen, das die USA mit Afghanistan abgeschlossen haben.
(Dr. Frithjof Schmidt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein, nein!)
Das sollten Sie durchaus unterscheiden; Ziffer 7 unseres Mandatstextes.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, das, was vorhin von den Linken vorgetragen wurde, ist eine furchtbare Stellungnahme, die der Wirklichkeit nicht gerecht wird.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Wir haben im Jahr 2011 als Gastgeber auf dem Petersberg beschlossen, dass das Land Afghanistan bis 2024 auf das Niveau eines normalen Entwicklungslandes zu bringen ist.
(Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Sie haben das beschlossen!)
Das sind noch neun Jahre. Es wird eine schwierige Geburt. Zu der Zeit, als wir dies beraten haben – viele Kollegen waren seinerzeit auf dem Petersberg dabei –, waren auch drei Kolleginnen des Kollegen Gehrcke dort, die sich nicht an den Beratungen beteiligt haben, sondern lautstark vor den Kameras Transparente entrollt haben. Lieber Kollege Gehrcke, ich wünschte mir, dass Ihre drei Kolleginnen wenigstens in Ansätzen die Ernsthaftigkeit ihrer Argumente einmal ventiliert hätten. Selbst das ist bei den Linken nicht erfolgt.
(Beifall bei der CDU/CSU – Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Ich weiß gar nicht, wer das war!)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn wir Afghanistan betrachten, ist es sicherlich für eine Bilanz bei weitem zu früh. Wenn wir Afghanistan mit unseren Maßstäben betrachten, müssen wir auch gewahr sein, dass ein Großteil der Welt nicht so ist, wie wir es uns wünschen. Dass viele Staaten in der Fragilität die Normalität erleben, bedeutet für uns, mitzuhelfen, mitzuwirken, dass diese Staaten sich trotzdem an diplomatischen Verhandlungen beteiligen und sich als verlässliche Nachbarn erweisen. Ich möchte hier Beispiele nennen: Ghana, Burundi, Bangladesch. All diese Staaten beteiligen sich in ihrer Nachbarschaft an Stabilisierungen. Wir müssen versuchen, dass Afghanistan auf dieses Niveau kommt. Afghanistan hat dazu noch einige Jahre Zeit und bedarf unserer Unterstützung. Herr Kollege Schmidt, gerade die Anpassung des Mandats innerhalb eines Jahres zeigt doch, dass die internationale Gemeinschaft nicht stur einen Plan abarbeitet, sondern auf Herausforderungen reagiert. Deshalb ist es so wichtig, dass wir das Mandat angepasst haben. Deshalb stehen die Union und die Koalition hinter dem Mandat.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Wir müssen aber auch Erfolgsbedingungen beschreiben. Dazu gehört zunächst einmal eine grundsätzliche Stabilität innerhalb Afghanistans. Dazu brauchen wir eine legitime Regierung, so wie sie in Afghanistan nach langem Ringen gefunden worden ist. Dazu brauchen wir grundsätzlich eine Art soziale Sicherheit, so wie sie in Afghanistan in weiten Teilen des Landes gegeben ist. Wir brauchen aber auch die Bereitschaft, innerhalb Afghanistans Verantwortung für die Regionen zu übernehmen. Deshalb brauchen wir die Beratungsmission.
Zweitens. Aus unserer Sicht ist es auch ganz entscheidend, dass sich Afghanistan nicht an den Rivalitäten in der Nachbarschaft beteiligt, sondern begonnen hat, diplomatisch ausgleichend zu wirken. Wir haben Rivalitäten zwischen Iran und Pakistan, zwischen Indien und Pakistan. Afghanistan geht einen diplomatischen Weg, und darin müssen wir Afghanistan unterstützen.
Drittens muss uns sehr daran gelegen sein, dass sich USA, Russland und China als Vetomächte im Weltsicherheitsrat bei aller Konkurrenz wenigstens auf eines fokussieren: Der internationale Terrorismus darf in Afghanistan keine Zukunft haben.
Viertens. Die letzte sinnvolle Erfolgsbedingung ist, dass die afghanische Regierung nachhaltig Stabilität gewährleistet.
Herr Kiesewetter, erlauben Sie eine Zwischenfrage oder -bemerkung vom Kollegen Ströbele?
Ich wundere mich, dass er nicht im NSA-Untersuchungsausschuss ist.
Er will Ihnen zuhören.
Wenn er hier mehr zu Wort kommen kann, gerne.
(Sevim Dağdelen [DIE LINKE] Sind Sie jetzt der Sittenwächter, oder was?)
– Nein, ich wundere mich nur.
Bitte schön.
Das war eine zutreffende Bemerkung: Ich wundere mich auch, –
Dass Sie nicht im NSA-Untersuchungsausschuss sind?
– dass ich wegen der von der Union durchgesetzten Regelung zur Redezeit für die kleineren Fraktionen dort tatsächlich viel zu wenig zu Wort komme. Aber das kann man vielleicht an anderer Stelle noch einmal diskutieren. Vielleicht wird sich der Ältestenrat damit beschäftigen.
Ihre Frage, bitte!
Herr Kollege Kiesewetter, ich spreche Sie als Soldaten an.
Bin ich nicht mehr! Ich bin außer Dienst.
Ja, das weiß ich. – Ich kenne auch andere Soldaten, frühere Oberbefehlshaber, Herrn Kujat zum Beispiel, die, nachdem sie aus dem Militärdienst ausgeschieden sind, eine sehr kritische Haltung zu dem äußern, was in Afghanistan passiert und was dort möglich ist. Ich vermisse jetzt bei Ihnen, dass Sie als Militär auch einmal darauf eingehen: Wie stellen Sie sich denn militärisch die Zukunft in Afghanistan vor?
In den letzten Jahren ist die Zahl der Opfer in Afghanistan immer größer geworden – die Zahl der zivilen Opfer, aber auch die Zahl der Opfer in der Armee und in der afghanischen Polizei. In den letzten Jahren ist es in Afghanistan immer unsicherer geworden. Wie lange soll der Bundeswehreinsatz nach Ihrer Meinung jetzt noch dauern? Man muss als Soldat ja auch ans Ende denken. Wann kann das zu Ende gehen? Geht es noch 2 Jahre, noch 14 Jahre oder noch 28 Jahre weiter? Wie lange soll es noch weitergehen? Dazu erbitte ich von Ihnen eine Äußerung.
Sagen Sie mir bitte auch: Warum wird eigentlich in Afghanistan gekämpft? Wir haben in Afghanistan keine al-Qaida mehr. Ihr galt ursprünglich der Krieg. Wir haben dort Taliban. Die Taliban haben noch nie Deutsche, Europäer oder US-Amerikaner außerhalb ihres Landes in irgendeiner Weise bedroht. Warum wird der Krieg trotzdem noch geführt?
Wenn Sie sich so für den Kampf gegen den internationalen Terrorismus einsetzen, müssen Sie auch zur Kenntnis nehmen, dass der internationale Terrorismus in Gestalt des IS in Afghanistan immer stärker wird und eher die Gefahr besteht, dass der IS eine deutliche Alternative zu den Taliban in Afghanistan wird. Wie können Sie unter diesen Voraussetzungen den Krieg fortsetzen?
Jetzt erhält Herr Kiesewetter das Wort zu einer kurzen Antwort auf eine lange Frage.
Nein, ich werde mir schon Zeit nehmen. Die haben wir ja auch.
Schaun mer mal!
Lieber Herr Kollege Ströbele, zunächst einmal: Ich hätte mir gewünscht, dass die vielen Generäle, die sich, zehn Jahre nachdem sie in den Ruhestand versetzt wurden, öffentlich äußern, das während ihrer aktiven Dienstzeit gemacht hätten.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)
So viel Zivilcourage gehört dazu.
Zweitens. Ich maße mir nicht an, militärische Vorgänge im Nachhinein zu bewerten. Ich habe mich als alter Oberstleutnant, kurz bevor ich zum Oberst befördert wurde, sehr stark dafür eingesetzt, dass wir in Afghanistan geschützte Fahrzeuge bekommen. Seinerzeit haben viele Offiziere mit ihrer praktischen Erfahrung sehr viel dazu beigetragen, dass die politische Führung des Verteidigungsministeriums sich für geschützte Fahrzeuge in Afghanistan einsetzt. Dann gab es einen parlamentarischen Prozess, und das Parlament hat dem zugestimmt. So stelle ich mir eine gute Zusammenarbeit vor. Über andere Dinge möchte ich hier nicht mutmaßen.
Allerdings möchte ich zu unserem Einsatz sagen: Wir sind uns, glaube ich, einig, dass die Herbeiführung einer Lösung in Afghanistan militärisch nur unterstützt werden kann. Die Gesamtlösung muss tatsächlich in einem Aufbauprojekt unter politischer Begleitung erfolgen. Genau den Fehler, den wir anfangs in Afghanistan gemacht haben, nämlich der Öffentlichkeit zu suggerieren, dass wir Teil eines friedlichen Wiederaufbaus sind, nur weil wir im ruhigen Norden waren, wiederholen wir nicht bei der Terrorbekämpfung in Syrien und im Irak und bei der Stabilisierung des Libanon und Jordaniens, die auf uns zukommen wird, Herr Kollege Ströbele. Deshalb möchte ich auch Sie auffordern, anzuerkennen, dass Militär nur ein Teilinstrument, aber notwendig ist, und dass wir gemeinsam an einer übergeordneten Strategie arbeiten.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie mich abschließend denjenigen danken, die mehr als zehn Jahre für eine grundsätzliche Herbeiführung von Stabilität gekämpft und vielfach mit Leben und Gesundheit dafür bezahlt haben: unseren Soldatinnen und Soldaten. Es ist auch unseren Soldatinnen und Soldaten in Afghanistan zu verdanken, dass der Terror in bestimmten Regionen massiv eingedämmt wurde
(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wo denn?)
und dass die Situation in Teilen Nordafghanistans und auch in anderen Bereichen inzwischen vergleichbar ist mit Neapel bei Tag.
Wir müssen uns darauf einstellen, dass der Einsatz – das bezieht sich noch einmal auf die Frage des Kollegen Ströbele – noch viele Jahre dauern wird. Es wäre ein schlechtes Zeichen, wenn wir das nicht offen ansprechen. Es ist Aufgabe dieses Parlaments, jährlich über den Einsatz zu beraten und ihn zu bewilligen. Aber wir alle sollten uns bewusst sein, dass manches mehrere Legislaturperioden überdauert. Wir werden morgen Gelegenheit haben, über diese Thematik mit Blick auf Syrien und Irak noch ausführlich zu beraten.
Die Union jedenfalls steht hinter dem Einsatz. Wir hoffen, dass die zivilen und auch die sozialen Kräfte in Afghanistan gestärkt werden, weil Militär für Sicherheit sorgt.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Vielen Dank, Herr Kollege Kiesewetter. – Die nächste Rednerin: Gabi Weber für die SPD.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/6245489 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 143 |
Tagesordnungspunkt | Bundeswehreinsatz in Afghanistan (Resolute Support) |