Gabi WeberSPD - Bundeswehreinsatz in Afghanistan (Resolute Support)
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kollegen und Kolleginnen! „ Lasst uns jetzt nicht allein!“, so oder so ähnlich lautet der eindringliche Appell gerade vieler junger Menschen in Afghanistan, die in ihrem Land bleiben und sich in ihrem Land für eine gute Entwicklung einsetzen.
Die erste Post-Taliban-Generation kommt mittlerweile aus den Schulen und Universitäten. In dem von der Friedrich-Ebert-Stiftung unterstützten Projekt Young Leaders Forum wurden seit 2004, also seit elf Jahren, circa 280 junge Menschen begleitet, die heute in Afghanistan an verantwortlichen Positionen arbeiten bzw. verantwortliche Menschen beraten. Diese Menschen appellieren an uns, sie nicht alleine zu lassen, und wir müssen ihnen unsere Unterstützung weiterhin anbieten und zukommen lassen.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Ohne durch die von der Resolute Support Mission unterstützten Rahmenbedingungen können sich die progressiven Kräfte der Gesellschaft in Afghanistan nur sehr schwer durchsetzen. Auch deshalb steigern wir die Zahl der einsetzbaren Soldatinnen und Soldaten von 850 auf bis zu 980. Entwicklung braucht Sicherheit!
Ich bin dem Kollegen Kiesewetter sehr dankbar für seinen Hinweis, dass es nicht einfach darum geht, einen Plan abzuarbeiten, sondern dass es darum geht, zu analysieren, wo Veränderungen notwendig sind, und genau an dieser Stelle ziehen wir die richtigen Konsequenzen.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Pessimisten sind immer schnell zur Stelle, wenn es um Afghanistan geht;
(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Echt?)
das hören wir von der linken Seite des Raumes immer wieder. Aber ist Afghanistan wirklich ein Fass ohne Boden?
(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja!)
Nein! Wenn wir überlegen, von welcher Basis aus Afghanistan vor über 35 Jahren gestartet ist, dann können wir heute konstatieren, dass es eine enorme Entwicklung gegeben hat. Man muss nur überlegen, von welcher Basis aus man etwas betrachtet.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Ein Beispiel. Die Nutzung sozialer Medien in Afghanistan steigt spürbar. Für uns ist das etwas völlig Normales; wir ärgern uns manchmal darüber. Für Afghanistan heißt das, dass es junge Menschen gibt, die in der Lage sind, die Medien zu handhaben, und diese kann ich nur handhaben, wenn Bildung voranschreitet. Wenn ich eine Gesellschaft haben will, in der lebendiger Diskurs und Meinungsvielfalt vorhanden sind, dann muss ich weiter in die Bildung investieren. Auch das ist ein Grund, warum wir in Afghanistan bleiben müssen.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Wir sind jetzt im Jahr eins nach dem Ende des ISAF-Einsatzes. Alle haben gewusst, dass dieses Jahr, in dem die afghanischen Sicherheitskräfte die Verantwortung für ihr Land selbst in die Hand genommen haben, ein äußerst schwieriges Jahr werden wird. Mit welchen Schwierigkeiten sie zu kämpfen haben, sehen wir an den Opferzahlen, auch an den Opfern unter den afghanischen Sicherheitskräften. Wöchentlich haben Polizei und Militär viele Verwundete zu beklagen. Das zeigt, woran es hapert. Es muss eine wesentlich engere Verzahnung der Arbeit von Zentralregierung, regional Verantwortlichen, Lokalregierungen und Sicherheitskräften geben. Da besteht ein Riesenmanko. An dieser Stelle ist dringend zu arbeiten.
Die Wahlrechtsreform ist ein weiterer Punkt. Sie kommt sehr schleppend voran. Die elektronischen Personalausweise sind noch nicht eingeführt. Hier steht Herr Ghani, der Präsident Afghanistans, der zurzeit im „Adlon“ ist, in der Verantwortung. Er hat reibungslose Wahlen als Ziel ausgerufen. An dieser Stelle muss er natürlich liefern. Ich denke, da muss unser politischer Druck noch stärker werden.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Was im Zusammenhang mit Afghanistan ganz wichtig ist, ist die regionale Einbindung. Es muss unbedingt regionale Konferenzen von Afghanistan und seinen Nachbarn geben. Insbesondere der Iran und Pakistan müssen einbezogen werden. Der Ausgleich zwischen Pakistan und Afghanistan ist absolut notwendig, wenn sich Pakistan, ein stillschweigender Unterstützer der Taliban, bewegen soll. Dies ist ein weites Feld für die Diplomatie, auf dem gearbeitet werden muss.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, jetzt kommt der entwicklungspolitische Teil meiner Rede – den werde ich Ihnen nicht ersparen –: Zusammengerechnet werden wir nächstes Jahr 580 Millionen Euro in Afghanistan investieren. Ein großer Teil davon wird für die Regierungsführung sein, für die Wirtschafts- und Beschäftigungsförderung, für die Trinkwasserversorgung und die Abwasserentsorgung. Aber auch die Sicherung der Rechtsstaatlichkeit, zum Beispiel durch Unterstützung bei der Durchführung von Wahlen, ist für uns ein wichtiger Punkt.
Mit der Entscheidung, das deutsche Engagement fortzusetzen, senden wir das deutliche Signal an die afghanische Bevölkerung und ihre Regierung, dass Deutschland Afghanistan nicht im Stich lässt. Der Satz aus Afrika, der von den Taliban genutzt wird: „Die internationale Gemeinschaft hat die Uhr, aber wir haben die Zeit“, darf nicht Wirklichkeit werden. Dieses Kalkül müssen wir durchkreuzen. Auch deshalb ist unser Einsatz in Afghanistan weiterhin wichtig und richtig.
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Vielen Dank, Kollegin Weber. – Letzter Redner in dieser Debatte: Dr. Reinhard Brandl für die CDU/CSU-Fraktion.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/6245490 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 143 |
Tagesordnungspunkt | Bundeswehreinsatz in Afghanistan (Resolute Support) |