Reinhard BrandlCDU/CSU - Bundeswehreinsatz in Afghanistan (Resolute Support)
Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Für kaum ein anderes Land auf der Welt hat Deutschland so viel Verantwortung übernommen wie für Afghanistan. Wir reden heute über einen Einsatz der Bundeswehr. Gerade eben war ich auf der Webseite des BMZ. Man kann dort über die Projektdatenbank abfragen, wo und wie wir uns weltweit engagieren. Im Moment laufen in Afghanistan 101 Projekte mit einem Volumen von 1,1 Milliarden Euro. Ich betone das, weil wir den Eindruck haben, dass in manchen öffentlichen Debatten unser Engagement in Afghanistan einzig und allein an der Anzahl der Soldatinnen und Soldaten gemessen wird. Der Schwerpunkt unseres Engagements in Afghanistan – das ist die eigentliche Herausforderung – liegt im zivilen Bereich. Wir haben gerade schon einige Beispiele gehört. Die Aussöhnung mit den Taliban, die guten nachbarschaftlichen Beziehungen mit Pakistan – auf der Konferenz von Paris gab es in den letzten Tagen Annäherungen –, Fragen der guten Regierungsführung, der Kampf gegen die Korruption, die Beschäftigungspolitik, die Wirtschaftspolitik, der Aufbau von Infrastruktur, Energie, Wasser, Bildung – das sind die Themen, bei denen Afghanistan vorankommen muss. Der Kollege Kiesewetter hat dargestellt, wie lang der Weg Afghanistans ist, bis es das Niveau eines – in Anführungszeichen – „normalen“ Entwicklungslandes erreicht.
Der ISAF-Einsatz von 2001 bis 2014 hat die Grundlage dafür gelegt, dass diese 101 Projekte heute laufen können. 2001 gab es dort null Projekte. Unser Engagement dort war quasi nicht vorhanden. Das Land war auf dem Weg ins Mittelalter. Diesen Weg haben wir gestoppt. Auch wenn es nur kleine Fortschritte sind, können wir stolz auf das sein, was wir in den letzten Jahren in Afghanistan erreicht haben.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)
Wir reden im Moment auch mit Blick auf Afghanistan viel über die Bekämpfung von Fluchtursachen. Dafür sind zwei Dinge wichtig: Erstens müssen die Menschen eine wirtschaftliche Perspektive in ihrem Land haben, und zweitens müssen sie in Sicherheit leben können. Genau an diesen Punkten arbeiten wir in Afghanistan mit schwankendem Erfolg.
Dass die Afghanen heute die Sicherheitsverantwortung in ihrem Land haben und selbst wahrnehmen, ist natürlich ein Erfolg. Der Resolute Support beschränkt sich nur noch auf die Beratung und Unterstützung höherer Führungsebenen. Die Afghanen und die afghanischen Sicherheitskräfte haben gezeigt, dass sie grundsätzlich in der Lage wären, diese Verantwortung wahrzunehmen. Leider sind sie an manchen Stellen auch krachend gescheitert.
Die Nachrichten aus Kunduz waren natürlich für viele von uns, die sich seit langem mit diesem Land, mit diesem Einsatz beschäftigen, ein Stich ins Herz. Auch den Anstieg der Anzahl der zivilen Opfer haben wir uns natürlich nicht so gewünscht; das haben wir uns nicht so vorgestellt. Aber es wäre die falsche Antwort, jetzt angesichts dieser Lage zu resignieren und zu sagen: Mein Gott, es hat halt nicht funktioniert, wir lassen das Land im Stich. – Wir müssen eine gegenteilige Antwort geben.
Ich bin froh, dass die USA angesichts dieser Rückschläge entschieden haben, länger in Afghanistan und auch mit einer größeren Personalstärke zu bleiben, weil sie damit die Grundlage dafür legen und die Infrastruktur dafür stellen, dass auch wir unser Engagement fortführen können. Wir weiten unsere Mandatsobergrenze jetzt leicht von 850 auf 980 aus. Natürlich ändert das nichts. Es ist eine kleine Anzahl von Soldaten. Aber es hat natürlich eine hohe symbolische Wirkung. Die Wirkung ist, dass wir dem afghanischen Volk demonstrieren, dass wir nicht auf einem automatischen unumkehrbaren Abbaupfad sind, der irgendwann bei null ankommt, sondern dass wir unser Engagement der Lage anpassen. Ich finde dieses Signal wichtig.
Das zweite Signal, das wir in diesen Tagen genauso gut senden müssen, ist, dass wir der afghanischen Regierung sagen: Für diese Leistung, für dieses Entgegenkommen der internationalen Koalition erwarten wir im Gegenzug, dass sie ihren Verpflichtungen, die sie in den letzten Wochen, Monaten und Jahren der internationalen Gemeinschaft immer wieder zugesagt hat, zum Beispiel bei der Frage der Regierungsführung, zum Beispiel im Umgang innerhalb des Landes mit der Koalition, nachkommt.
Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, heute ist ein guter Tag, die beiden Signale zu senden, zum einen hier im Parlament mit der Verlängerung des Mandates und zum anderen in den Gesprächen, die Präsident Ghani im Moment in Berlin führt. Nutzen wir diesen Tag, um Signale zu senden.
Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/6245547 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 143 |
Tagesordnungspunkt | Bundeswehreinsatz in Afghanistan (Resolute Support) |