Fritz FelgentreuSPD - Lebenssituation von Alleinerziehenden
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Linke bringt heute einen Antrag ein, der einen weiten Bogen schlägt, um die Lebenssituation von Alleinerziehenden zu verbessern. Alleinerziehende, ihre Sorgen und Nöte sowie die Frage, wie die Politik ihnen helfen kann, das Leben zu meistern, waren in dieser Legislaturperiode mit Recht schon mehrfach Gegenstand unserer Beratungen. „ Helden des Alltags“ haben wir die Alleinerziehenden genannt, weil sie all das irgendwie alleine hinkriegen müssen, was andere partnerschaftlich organisieren können. Die Koalition hat das erkannt und deshalb auch schon einiges auf den Weg gebracht.
Vor allem haben wir den Entlastungsbetrag bei der Einkommensteuer – endlich, muss man sagen, nach über zehnjährigem Auf-der-Stelle-Treten – um fast 50 Prozent erhöht.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Außerdem wird jedes Geschwisterkind mit zusätzlichen 240 Euro Entlastung bei der Einkommensteuer berücksichtigt. Auch die Erhöhung des Unterhaltsvorschusses um gut 10 Euro im letzten Jahr war hilfreich und richtig. Dazu kommen allgemeine Verbesserungen, von denen Alleinerziehende überproportional profitieren. Ab Juli wächst der Kinderzuschlag um 20 Euro auf, eine Unterstützungsleistung, die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mit niedrigem Einkommen erreicht, und das sind Alleinerziehende alleine schon deshalb sehr oft, weil viele von ihnen in Teilzeit arbeiten.
Die aus Sicht der SPD-Fraktion wichtigste Hilfe – gerade für Alleinerziehende – ist aber natürlich der Ausbau der Betreuungsangebote. Die unterschiedlichen Maßnahmen des Bundes zur Ausweitung und Verbesserung der Kinderbetreuung in Kitas und Schulhorten erreichen 2017 ein Gesamtvolumen von knapp 3 Milliarden Euro. Das ist eine große, lohnende Anstrengung. Kinder und Familie fördern wir generell am besten durch erstklassige Kitas und Schulen.
(Beifall bei der SPD)
Aber für Alleinerziehende gilt dieser Grundsatz in besonderem Maße.
In diesem Zusammenhang verweise ich deshalb besonders gerne auf das Modellprogramm „KitaPlus“, das den Kindergärten helfen soll, auch früh morgens oder spät abends und am Wochenende ihre Türen zu öffnen. Eine Kita, in der es auch mal Abendbrot oder sogar ein Bettchen für die Nacht gibt: Das ist das, was eine alleinerziehende Krankenschwester oder ein alleinerziehender Taxifahrer braucht, um Schichtdienst und Familienleben vernünftig zusammenzubringen. 100 Millionen Euro wird der Bund dafür ab dem nächsten Ersten zur Verfügung stellen. Eine wunderbare Initiative, für die ich Ihnen und Ihrem Haus, Frau Staatssekretärin Marks, für die SPD-Fraktion sehr herzlich danke.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Ich bin aber auch Ihnen von der Fraktion der Linken durchaus dafür dankbar, dass Sie das Interesse am Thema Alleinerziehende mit Ihrem aktuellen Antrag weiter wachhalten. Ihr Antrag enthält eine ganze Reihe von Anregungen, über die es sich zu diskutieren lohnt.
(Alexander Ulrich [DIE LINKE]: Das sind gute Anträge!)
Allerdings verstehe ich immer noch nicht, warum Sie sich bei dem durchaus sinnvollen Plan, die Bezugsdauer des Unterhaltsvorschusses über das 12. Lebensjahr eines Kindes hinaus auszudehnen, mechanisch an die Zahl 18 klammern. Logisch wäre es doch, die Bezugsdauer von der Dauer der Unterhaltsverpflichtung des getrennt lebenden Elternteils abhängig zu machen. Oder um es einmal etwas platter zu formulieren: Wenn, wie es leider meistens der Fall ist, der Vater sich verdünnisiert hat, sodass Vater Staat einspringen muss, dann doch bitte eine Bezugsdauer bis zum Abschluss der ersten Ausbildung, also genau so lange, wie der biologische Vater Alimente zahlen müsste.
(Jörn Wunderlich [DIE LINKE]: Machen wir auch mit! Stellt einen Änderungsantrag! Super!)
Wir wissen aber alle, warum wir, Kollege Wunderlich, das eben nicht durch einen Federstrich so vernünftig regeln können, weil es nämlich viel Geld kostet, das wir erst einmal auftreiben müssen,
(Jörn Wunderlich [DIE LINKE]: Deswegen haben wir gesagt: Bis zur Volljährigkeit!)
und weil etwa zwei Drittel davon die Länder zahlen, sodass wir den Unterhaltsvorschuss auch nicht über deren Köpfe hinweg reformieren können.
In diesem Zusammenhang, Kollege Wunderlich, haben Sie eben etwas gemacht, bei dem ich denken musste: Sie kritisieren hier oft einen billigen Populismus von rechts, es gibt aber auch so etwas wie einen billigen Populismus von links.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Alexander Ulrich [DIE LINKE]: Nein, das gibt es nicht! – Jörn Wunderlich [DIE LINKE]: 134 Millionen sind ganz schön teuer, finde ich!)
Wenn man die Ausgaben für den Unterhaltsvorschuss in einen direkten Zusammenhang mit den Ausgaben für den geplanten Syrien-Einsatz stellt, dann haben wir genau da ein Beispiel für einen solchen Populismus von links.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Jörn Wunderlich [DIE LINKE]: Aber dafür ist das Geld da! Seit zehn Jahren höre ich: Dafür haben wir kein Geld! Aber für Kriegseinsätze!)
Das ist die gleiche Art wie die, die Kosten für Polizeieinsätze gegen die für Kinderbetreuung aufzurechnen. Kollege Wunderlich, mein guter Rat: Lassen Sie es einfach bleiben, solche Bezüge herzustellen! In den Augen derjenigen, an die wir heute am allermeisten denken müssen, in den Augen unserer französischen Freunde, in den Augen der Angehörigen der Opfer von Paris und der Überlebenden hört sich das nicht wie billiger Populismus, sondern wie übelster Zynismus an. Lassen Sie das einfach sein!
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Aber auch der Ärger über solche Bezüge sollte uns nicht davon abhalten, sinnvolle Reformschritte zumindest zu entwerfen und hier zu diskutieren, um für den Zeitpunkt vorbereitet zu sein, an dem wir sie durchsetzen können.
In dem Punkt finde ich Ihren Antrag, Kollege Wunderlich, inkonsequent. In anderen Punkten wiederum haben Sie es dafür mit der Konsequenz ein bisschen übertrieben. In einem Antrag, der dazu führen soll, die Situation Alleinerziehender zu verbessern, hätten Sie besser nicht alles hineingeschrieben, was der Linken jemals zum Thema Hartz IV eingefallen ist. Die Abschaffung des Arbeitslosengeldes II und die Einführung einer allgemeinen Grundsicherung sind ein so weit gespannter Reformvorschlag, dass er den Rahmen Ihres Antrags nicht nur verbiegt, sondern sprengt, einmal ganz abgesehen davon, dass das mit der SPD nicht zu machen ist.
(Jörn Wunderlich [DIE LINKE]: Schade!)
Insofern also mein Appell: Schuster, bleib bei deinen Leisten! Familienpolitiker, bleib bei der Familienpolitik!
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU – Jörn Wunderlich [DIE LINKE]: Die SPD wäre besser bei der Sozialpolitik geblieben!)
Lassen Sie uns gemeinsam diskutieren, was wir für Alleinerziehende weiter tun können, zum Beispiel im Zuge der Einführung einer Familienarbeitszeit oder eines Familiensplittings, mit dem alle Formen von Familie wertgeschätzt und gefördert werden. Auf diese Debatte können wir uns dann wirklich freuen.
In der Zwischenzeit bedanke ich mich für Ihre Aufmerksamkeit, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Vielen Dank. – Als letzte Rednerin in der Debatte hat Ingrid Pahlmann von der CDU/CSU-Fraktion das Wort.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/6245858 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 143 |
Tagesordnungspunkt | Lebenssituation von Alleinerziehenden |