03.12.2015 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 143 / Tagesordnungspunkt 20

Matthias HeiderCDU/CSU - Abschlussprüferaufsichtsreformgesetz

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Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Es gibt so viele wichtige Entscheidungen, die wir in diesen Tagen treffen, die auch von großer Tragweite sind. Da fällt ein Gesetz zur Regelung eines freien Berufes nicht sofort ins Auge. Dennoch kommt der Berufsaufsicht für Wirtschaftsprüfer eine besondere Bedeutung zu. Wir beschließen deshalb heute das Abschlussprüferaufsichtsreformgesetz, kurz APAReG. Frau Präsidentin, das spricht sich auch viel kürzer.

Der Jahresabschluss ist die wichtigste Informationsquelle über ein Unternehmen für Aktionäre, für Geschäftspartner, für den Kapitalmarkt, für Mitarbeiter und auch für die Öffentlichkeit. Der Jahresabschluss gibt nicht nur Auskunft über die wirtschaftliche Situation eines Unternehmens und ist Grundlage für die Berechnung von Steuern und Gewinnverteilung, auch Informationen zu rechtlichen Verhältnissen und dem Risikomanagement sind enthalten. Das sind Angaben, die in einer sich immer schneller drehenden Wirtschaftswelt von enormer Bedeutung sind.

Der Jahresabschluss hat nach § 264 Absatz 2 HGB unter Beachtung der Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild über die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage eines Unternehmens zu vermitteln. Für bestimmte Unternehmen besteht eine Pflicht zur Prüfung ihres Abschlusses durch den Wirtschaftsprüfer.

Vor dem Hintergrund der Finanzkrise hat die EU für eine besondere Gruppe von Unternehmen von öffentlichem Interesse – das sind alle börsennotierten Unternehmen, Banken und Versicherungen – strenge Regelungen an die Vergabe des Auftrags zur Prüfung des Jahresabschlusses einerseits und an das Berufsrecht des testierenden Wirtschaftsprüfers andererseits gestellt. Herr Ernst, das sind zwei völlig verschiedene Dinge, die haben Sie gerade mal eben in einen Topf geworfen.

Wir beschäftigen uns hier heute nur mit dem Berufsrecht und der Berufsaufsicht, und diese Teile haben wir bis Mitte 2016 umzusetzen. Die Sorge der EU-Kommission dreht sich unter anderem um die Wettbewerbssituation in einer Branche, die von wenigen Wirtschaftsprüfungsgesellschaften dominiert wird. In der Tat hat das Handelsblatt im Juni 2015 noch einmal festgestellt, dass 90 Prozent aller 160 DAX-Unternehmen von den großen vier WP-Gesellschaften geprüft werden, und diese Wirtschaftsprüfungsgesellschaften prüfen auch 85 Prozent aller Unternehmen von öffentlichem Interesse in Europa. Liebe Kolleginnen und Kollegen, daraus müssen nicht, es könnten aber Risiken entstehen, und darauf muss die Berufsaufsicht vorbereitet werden.

Deshalb gilt es auch, die Lage von kleinen, mittleren und großen Wirtschaftsprüfungsgesellschaften und auch von Einzelwirtschaftsprüfern genau zu betrachten. Aufsichts- und Qualitätsregelungen sind wichtig. Solche Regelungen verursachen für die Berufsangehörigen großen Aufwand. Dieser Aufwand muss finanziell und organisatorisch eine tragbare Belastung und auch im Sinne der EU-Richtlinie erforderlich und gerechtfertigt sein.

Wir glauben, dass alle am Wirtschaftsleben Beteiligten ein großes Interesse an diesen Regelungen haben und das Vertrauen in den Berufsstand, seine Arbeit und seine Berufsaufsicht durch das APAReG gestärkt werden kann.

Zu dem Gesetzgebungsverfahren hat es intensive Diskussionen innerhalb der Branche und auch mit uns Abgeordneten gegeben. Die Unionsfraktion hat zu einem frühen Termin eine Informationsveranstaltung durchgeführt. Es haben zahlreiche Fachgespräche mit den Berichterstattern der Koalition stattgefunden. Der Wirtschaftsausschuss hat eine intensive Anhörung zum APAReG mit Vertretern aus Wissenschaft und Praxis durchgeführt.

Zunächst möchte ich mich an dieser Stelle aber ganz herzlich für die gute Zusammenarbeit mit den Kolleginnen und Kollegen aus der SPD-Fraktion bedanken, insbesondere bei Matthias Ilgen. Wir hatten eine komplexe Materie zu beraten, und unter Einbeziehung der Fachleute aus dem BMWi haben wir dort eine ganze Menge Änderungsanträge auf den Weg gebracht. Frau Staatssekretärin, auch den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Ministerium auf diesem Wege unser herzlicher Dank!

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Das Abschlussprüferrecht ist kein Thema für parteipolitisches Gezerre. Ich sehe auch bei den Kolleginnen und Kollegen der Grünen gleiche Ansätze und Erwartungen an die neuen Regeln.

Wir, meine Damen und Herren, sind uns unserer Verantwortung als Parlament für die Berufsaufsicht bewusst. Die CDU/CSU tritt seit jeher für die freien Berufe ein, zu denen auch die Wirtschaftsprüfer gehören. Wir wollen dem Berufsstand mit der Neuordnung der Wirtschaftsprüferordnung eine gute Grundlage geben.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Wir haben die Umsetzung deshalb von Anfang an unter die Leitlinien erstens einer Eins-zu-eins-Umsetzung der europäischen Regelungen, zweitens einer mittelstandsfreundlichen Ausgestaltung und drittens der Gewährleistung einer funktionierenden Selbstverwaltung gestellt.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Die Vorschriften sehen vor, dass die Abschlussprüferaufsicht durch eine berufsstandsunabhängige Behörde durchgeführt werden muss. Wunsch des Ministeriums war es, diese dem Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle anzugliedern. Andere Regelungen wären auch denkbar gewesen; insbesondere hätte ich mir eine beliehene private Gesellschaft vorstellen können. Jedoch erfüllt die gewählte Umsetzungsform in vollem Umfang auch die Anforderungen der europäischen Vorschriften.

Die Besetzung der Leitungspositionen der APAS – so heißt die neue Behörde – erfolgt dem Gesetz nach in einem transparenten und unabhängigen Auswahlverfahren. Für das BMWi bzw. das BAFA gilt es jetzt, die Stellen für qualifiziertes und unabhängiges Leitungspersonal auszuschreiben und entsprechend auszuwählen, damit die Vorgaben der Richtlinie und der Verordnung umgesetzt werden können.

Die Union hat sich für ein Entscheidungsgremium in der APAS nach dem Vorbild der Beschlusskammern des Bundeskartellamtes und der Bundesnetzagentur stark gemacht. Die Einrichtung von Beschlusskammern führt zu mehr Transparenz im Verfahren der Berufsaufsicht und zur Unabhängigkeit der Entscheider. Die Beschlusskammern bestehen aus fünf Mitgliedern. Sie entscheiden mit einfacher Mehrheit über Aufsichtsmaßnahmen.

Ich möchte noch auf einige punktuelle Änderungen der berufsrechtlichen und berufsaufsichtlichen Regelungen zu sprechen kommen: In der Qualitätskontrolle werden die Abschlussprüfer durch den Wegfall der Teilnahmebescheinigung entlastet. Eine darüber hinausgehende Streichung der Registrierungspflicht, wie sie der Berufsstand gern gehabt hätte, war aus europarechtlichen Gründen nicht möglich. Dafür haben wir den Zeitpunkt der Anzeige und der Registrierung der Durchführung von gesetzlichen Abschlussprüfungen auf zwei Wochen nach Annahme des Auftrages verschoben. So müssen Abschlussprüfer sich nicht schon registrieren lassen, wenn sie die bloße Absicht haben, also nur darüber nachdenken, eine Abschlussprüfung durchführen zu wollen.

Außerdem wird die Qualitätskontrolle durch das ­APAReG verschlankt. Gegenstand der Qualitätskontrolle sind nur noch gesetzliche Abschlussprüfungen und die von der BaFin in Auftrag gegebenen Prüfungen.

Der schon im Regierungsentwurf explizit enthaltene Verhältnismäßigkeitsgrundsatz für die Durchführung der Qualitätskontrolle wurde durch unsere Änderungsanträge noch konkretisiert. So soll sich die Intensität der Qualitätskontrollprüfungen an der Anzahl der Mandate sowie der Art und Größe der Praxis orientieren. Auch das erschien uns nur mittelstandsfreundlich und angemessen.

Im berufsaufsichtlichen Verfahren verbleibt die Zu­stän­digkeit für den Erlass eines vorläufigen Tätigkeits- und Berufsverbotes als schärfstes Schwert der Berufsaufsicht – anders als im Regierungsentwurf vorgesehen – beim Gericht. Außerdem haben wir die Voraussetzungen für den Erlass einer Rüge durch die Wirtschaftsprüferkammer und die APAS als Regelbeispiel im Gesetz festgehalten. Damit wird eine Entscheidungshilfe vorgegeben, um festzulegen, in welchen Fällen eine Rüge verhängt werden kann und wann eine Belehrung ausreichend ist. Die im Regierungsentwurf vorgesehene Aufsicht der APAS über die Qualitätskontrollprüfer haben wir gestrichen. Jedoch bedarf es zur Sicherung einer hohen Qualität der Qualitätskontrollprüfungen einer Aufsicht. Diese wird zukünftig durch die Kommission für Qualitätskontrolle durchgeführt. Damit verbleibt die Aufsicht über die Qualitätskontrollprüfer bei der Selbstverwaltung.

Wir erwarten, dass der Berufsstand die neue Arbeitsgrundlage annimmt und von seinen Mitwirkungsrechten und -pflichten regen Gebrauch macht. Der Berufsstand der Wirtschaftsprüfer genießt hohes Ansehen. Allen Berufsträgern, den Verbänden und Institutionen muss bewusst sein, dass sie Verantwortung für ihren Berufsstand tragen. Deshalb sollten sie an diesen Regelungen in bester Weise mitwirken.

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie des Abg. Thomas Lutze [DIE LINKE])

Vielen Dank. – Als nächster Redner spricht Dr. Thomas Gambke für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/6246849
Wahlperiode 18
Sitzung 143
Tagesordnungspunkt Abschlussprüferaufsichtsreformgesetz
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