04.12.2015 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 144 / Zusatzpunkt 5

Roderich KiesewetterCDU/CSU - Bundeswehreinsatz gegen Terrororganisation IS

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Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die heutige Einsatzentscheidung ist ein Zeichen der Entschlossenheit, und sie ist wohlüberlegt. Heute vor drei Wochen, am 13. November, haben die fürchterlichen Anschläge in Paris stattgefunden. Sie haben auch uns gegolten, nicht nur unserer Nationalmannschaft, sondern unserer westlichen Lebensweise. Deshalb ist dieses Zeichen der Entschlossenheit auch dadurch geprägt, dass es Parlament und Regierung gelungen ist, innerhalb von drei Wochen ein Zeichen zu setzen, ein Zeichen gegen den Terror, ein entschlossenes Zeichen im Kampf gegen den Terrorismus gegen unsere westliche Welt.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Trotzdem – ich habe viel Verständnis für die Kollegen, die mit Demut auf die Entscheidungen schauen – müssen wir uns bewusst sein, dass wir es uns in der Vergangenheit nicht immer einfach gemacht haben, so auch heute. Zu diesem Zeichen der Entschlossenheit gehört eine kurzfristige militärische Aktion. Aber genauso gehört dazu, alle Anstrengungen darauf auszurichten, mittelfristig ein Mandat der Vereinten Nationen zu erzielen und auf weitere Sicht ein Mandat zu erzielen, das Bodentruppen aus der Region umfasst, die für eine Befriedung, für die Trennung der Konfliktparteien und für eine Stabilisierung des Wiederaufbaus sorgen. Um dies zu erreichen, ist die heutige Entscheidung die erste Voraussetzung. Sie ist notwendig, aber bei weitem noch nicht hinreichend.

Ich möchte deshalb einen Blick auf die Instrumente werfen, die wir einsetzen. Lieber Herr Kollege Hofreiter, es ist nicht hilfreich, wenn Sie sagen, es sei ein entgrenztes Mandat. Gerade der Blick auf das Mandatsgebiet zeigt, wie ernst uns der politische Prozess ist: Es gehören Syrien und Irak dazu, es gehören das östliche Mittelmeer, das Rote Meer und der Persische Golf dazu. Wir müssen die Konfliktregionen insgesamt betrachten. Es geht hier nicht nur um Syrien.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Heike Hänsel [DIE LINKE]: Eine Entgrenzung des Krieges!)

Ich möchte zuerst auf die diplomatischen Mittel eingehen. Bevor es zu diesem Einsatz kam, wurde in Wien die Voraussetzung dafür geschaffen, einen politischen Prozess anzustrengen. Das Einzigartige des Wiener Prozesses ist es doch – das sollten Sie anerkennen –, dass sowohl Russland als auch die USA am Tisch sind, dass Saudi-Arabien und Iran am Tisch sind, dass wir eine internationale Koalition schmieden, die mittelfristig dazu in der Lage ist, alle Vorbehalte, die von der einen oder anderen Seite gegen ein UN-Mandat angeführt werden, zu überwinden. Das ist die Arbeit unserer Bundeskanzlerin Angela Merkel und unseres Außenministers Frank-Walter Steinmeier. Unterstützen wir sie mit dem Mandat dabei! Wir müssen mit der heutigen Abstimmung ein klares Zeichen setzen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, zu dem politischen Prozess gehören auch Anstrengungen in der Entwicklungszusammenarbeit. Gerade der Gipfel mit der Türkei hat gezeigt, dass wir etwas spät auf die Entwicklungen in der Region reagiert haben, aber nicht zu spät. Die Stabilisierungsmaßnahmen der Türkei, die mit der Aufnahme von Millionen von Flüchtlingen geleistet werden, helfen auch uns in Europa. Wir müssen das bei allen innenpolitischen Problemen, die die Türkei hat und auch uns bereitet, wertschätzen. Aber es kann nicht reichen, dass wir nur auf die Türkei schauen.

Diejenigen von uns, die in den Flüchtlingslagern in der Türkei oder auch im Libanon oder – wie ich unlängst – in Jordanien waren, wissen, dass die Flüchtlinge dort gebannt darauf warten, dass die Europäische Union bereit ist, mehr zu tun und mitzuhelfen. Wir haben jetzt mit der Bereitstellung von erheblich mehr Mitteln für die Entwicklungszusammenarbeit und für die Maßnahmen des Welternährungsprogramms in den Flüchtlingslagern die entscheidende Wende erreicht.

Wichtig ist aber, auch darauf zu schauen, dass Staaten wie Libanon und Jordanien nicht überfordert werden. Ein Viertel der Bevölkerung dieser Länder besteht aus Flüchtlingen. Wir sollten uns klar vor Augen führen, dass wir hier gefordert sein werden, nicht nur im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit, und dass dieses Mandat möglicherweise – das sage ich in aller Demut – einen Einstieg der Europäischen Union in einen weiteren Zusammenhang, in eine weitere Stabilisierung bedeuten muss.

(Heike Hänsel [DIE LINKE]: „Eine weitere Stabilisierung“, was heißt das?)

Wir müssen den Blick auch darauf richten, wie wir es schaffen, dass die Region selber Verantwortung übernimmt. Hier reichen entwicklungspolitische Maßnahmen nicht aus.

Das führt mich zum dritten Punkt: zur Frage der Stabilisierung und Aussöhnung. In Kurdistan, im Irak beginnt gerade eine ganz vorsichtige Aussöhnung zwischen den zerstrittenen Parteien der Sunniten, Schiiten und Kurden. Das ist ein sehr langfristiger Prozess. Die Kurden übernehmen in einer bestimmten Region Verantwortung, auch dank deutscher Unterstützung und Beratung. Wir werden uns dort jahrelang engagieren müssen.

Ein weiterer Blick, der aus meiner Sicht erforderlich ist, richtet sich darauf, dass sich ISIS zurzeit in Libyen festbeißt. Der Libyen-Einsatz 2011 zeigt, dass eine isolierte Betrachtung und ein ausschließlicher Einsatz militärischer Mittel nicht zielführend sind. Hier liegt es in der Verantwortung der Europäischen Union, aus den Fehlern von 2011 zu lernen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Wir müssen es schaffen, als Europäer gemeinsam ein Zeichen zu setzen.

In der Europäischen Sicherheitsstrategie aus dem Jahr 2003 hieß es, dass Europa von einem Ring stabiler Staaten umgeben sein sollte. Diese Forderung haben wir nicht umsetzen können. Das wird die entscheidende Herausforderung der nächsten Jahre werden.

Wir warten gespannt nicht nur auf das Weißbuch der Bundesregierung, sondern wir warten gespannt auch auf die europäische außen- und sicherheitspolitische Strategie, die im Sommer nächsten Jahres verabschiedet werden soll. Über unser europäisches Engagement und unsere deutsche Verantwortung nachzudenken und zu debattieren, wäre aller Anstrengungen in diesem Hohen Hause wert. Wir können nicht von Entgrenzung reden, Herr Kollege Hofreiter, schon gar nicht sollten wir von einer Unterstützung des Terrorismus durch Enthaltung, so wie Sie es machen, oder durch Ablehnung reden, sondern wir müssen uns stärker in der Region engagieren und uns darüber in diesem Hause unterhalten.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Damit komme ich zur militärischen Komponente. Jeder Militäreinsatz ist ein sehr schwieriger Einsatz, weil er auch Gewissensfragen umfasst. Aber ausschließlich den Einsatz westlicher Armeen zu verdammen, kein Wort über die Verbrechen, die Russland in verschiedenen Bereichen durchführt, zu verlieren und immer den Westen anzugreifen, das spricht für eine Verblendung. Das ist ein falsches Bild, das unserer Öffentlichkeit hier aus dem Parlament übermittelt wird.

Jeder Einsatz muss in ein politisches Konzept eingebettet sein. Das ist das, was deutsche Außenpolitik ausmacht. Das sind unsere Lehren aus dem Afghanistan-Einsatz und aus dem Irakkrieg von 2003. Deshalb war es gerade so wichtig, dass die Bundesregierung, aber auch unser Parlament so stark darauf gedrungen haben, dass der politische Prozess in Wien nach Abschluss der Verhandlungen mit dem Iran vorangetrieben wird.

Noch eines: Dieser Prozess bietet der Europäischen Union endlich die Chance, Bewegung in den Nahostkonflikt zu bringen. Mit einer Stabilisierung von Jordanien und dem Libanon leisten wir einen Beitrag zur Unterstützung Israels und damit auch einen Beitrag zur viel beschworenen Staatsräson, die wir erbringen müssen, um in der Region zu helfen und um Israel in einem stabilen Umfeld zu bewahren. Darüber haben wir überhaupt noch nicht nachgedacht. Deshalb appelliere ich an die Grünen:

(Volker Kauder [CDU/CSU]: Das hat keinen Sinn!)

Geben Sie sich einen Ruck, und denken Sie nicht nur an die Bekämpfung des Terrors! Denken Sie auch an die Bekämpfung und Überwindung des Nahostkonflikts. Wir brauchen eine stabile Region, auch im Südosten Europas.

Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Johann Wadephul ist der letzte Redner in dieser Debatte für die CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/6248949
Wahlperiode 18
Sitzung 144
Tagesordnungspunkt Bundeswehreinsatz gegen Terrororganisation IS
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