04.12.2015 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 144 / Tagesordnungspunkt 24

Matthias MierschSPD - Regierungserklärung zur UN-Klimakonferenz in Paris

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Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Toni Hofreiter, es ist natürlich klar und auch richtig, dass die Opposition angreift. Wenn wir aber hier vor einer Klimakonferenz miteinander streiten, dann gehört es meines Erachtens auch zur Wahrheit, dass wir als Delegation, die die Bundesumweltministerin bei den Verhandlungen in Paris unterstützen wird, heute Abend durchaus sehr stolz nach Paris fahren können, weil die Energiewende in der Bundesrepublik Deutschland im internationalen Kontext beispiellos ist und Deutschland nach wie vor eine Vorreiterrolle einnimmt.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU – Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es wäre ja schön, wenn es stimmen würde!)

Dass vieles von dem, was Sie gesagt haben, diskutabel ist, ist keine Frage. Aber dass diese Bundesregierung das erste Mal überhaupt ein Aktionsprogramm Klimaschutz 2020 vorlegt und auch die Diskussion darüber zulässt – denn die Expertenkommission ist nur möglich, weil es klare Ziele und das vereinbarte Monitoring gibt –, ist ein wirklicher Erfolg.

(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die Ziele, Matthias, gab es schon vorher!)

Das kann auch nur ein Erfolg sein, wenn das auf internationaler Ebene vereinbart wird. Insofern: Das ist ein ganz wichtiger Fortschritt dieser Bundesregierung.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Ich will nicht darüber philosophieren. Wenn wir uns aber beispielsweise den Zubau bei der Windenergie anschauen, dann stimmt es einfach nicht, was Sie sagen: dass die Erneuerbaren an dieser Stelle abgewürgt werden.

(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was ist mit Bioenergie? Was ist mit Photovoltaik?)

Ich will auch darauf hinweisen, liebe Frau Kipping, weil Sie hier Kapitalismuskritik geübt haben: Da sind wir an der einen oder anderen Stelle möglicherweise sogar einer Meinung.

(Eva Bulling-Schröter [DIE LINKE]: Sehr gut!)

Aber wenn ich mir die Vertreter der Staaten auf den internationalen Konferenzen anschaue, die sich als Sozialisten bezeichnen, und dann die Umweltpolitik dieser Staaten betrachte, dann muss ich sagen, dass Sie mit dieser Behauptung absolut auf dem Holzweg sind.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Im Übrigen wissen Sie doch auch – das erleben Sie, wo Sie Verantwortung tragen; das gilt auch für die Grünen in Nordrhein-Westfalen, in Brandenburg –, dass das Thema Kohle nicht einfach ist.

(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das behauptet auch keiner!)

Deswegen sage ich: Es ist ein Fortschritt, dass die Bundesumweltministerin im Zusammenhang mit dem Klimaschutzplan 2050 angemahnt hat, dass wir einen Kohleausstiegspfad verlässlich – auch unter sozialen Gesichtspunkten – abbilden. Das ist eine Herkulesaufgabe,

(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: 20 bis 25 Jahre!)

und da unterstützen wir sie nach allen Kräften.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Matthias, du lässt den entscheidenden Punkt weg!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wie immer, wenn man sich die Presse anschaut, werden vor einem Gipfel Worte gebraucht wie: „Das ist die letzte Chance“ und: „Danach geht nichts mehr“ oder euphorisch: „Wir müssen die Welt jetzt retten“. Das alles birgt eine große Gefahr: dass es letztlich zu einer Übereinkunft kommt, aber es kein Regulativ gibt, das die Überprüfung dieser Ziele sicherstellt.

(Ulrich Petzold [CDU/CSU]: Das ist der Punkt!)

Deswegen ist der eigentliche Erfolg dieser Pariser Konferenz, wenn es nicht nur dazu kommt, dass die Staaten dieser Welt aufgefordert werden, zu liefern – das haben viele gemacht –, sondern gleichzeitig auch ein Monitoring, ein Überprüfungsmechanismus, wie wir es jetzt hier in Deutschland haben, eingeführt wird, damit die, die dann nach fünf Jahren sagen: „Wir konnten nicht liefern“, öffentlich am Pranger stehen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Das ist wahrscheinlich der einzige und wichtige Erfolg von Paris. Die Arbeit beginnt erst nach Paris, und da, glaube ich, müssen wir generell überlegen, wie wir Politik organisieren – auch in der Bundesrepublik Deutschland. Ich habe die große Befürchtung, wenn ich die Debatten um den Klimaschutzplan 2050 sehe, dass es dann doch wieder nur bestimmte Ressorts sind, die liefern,

(Beifall der Abg. Ulli Nissen [SPD] – Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist heute schon so!)

und andere blockieren. Wir haben eine interdisziplinäre Arbeitsgruppe in unserer Fraktion eingerichtet,

(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Matthias, jetzt den Mut, zu sagen: „Mehr!“!)

in der alle Fachdisziplinen miteinander arbeiten, um parlamentarisch dieses Verfahren zu begleiten. Herr Krischer, ich nenne Ihnen ein Beispiel: Ich meine, dass der Verkehrssektor einen elementaren Beitrag leisten muss. Davon sind wir aber meilenweit entfernt.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Wenn ich einige Wirtschaftspolitiker meines Koalitionspartners höre, die sagen: „Wir dürfen die Wirtschaft nicht überfordern“,

(Marie-Luise Dött [CDU/CSU]: Das sagen Ihre auch!)

dann sage ich: Wir sollten uns als Erstes darauf verständigen, dass wir diesen Planeten nicht überfordern dürfen, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Ralph Lenkert [DIE LINKE])

Können wir uns darauf verständigen, dass die Bundesumweltministerin recht hat, wenn sie sagt: „Gute Umweltpolitik ist Friedenspolitik, ist Gerechtigkeitspolitik“?

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Aber es ist auch eine gute Wirtschaftspolitik, weil wir wissen, dass in Zukunft die Maschinen gefragt sind, die wenig Energie brauchen. Deswegen: Wer auf die Wirtschaft setzt, muss eine gute Umweltpolitik machen, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der SPD – Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Davon hat Sigmar Gabriel auch noch nichts gehört!)

Wir werden in diesem Jahr, wenn es dazu kommt, zwei internationale Vereinbarungen erreicht haben, nämlich die SDGs, die Nachhaltigkeitsziele, die vor wenigen Monaten verabschiedet worden sind, und hoffentlich ein verbindliches Klimaabkommen. Diese beiden Abkommen müssen die Grundlage unseres Handelns hier sein. Sie dürfen nicht nur Papier sein. Das Abkommen von Montreal hat gezeigt, dass internationale Vereinbarungen – es ging um das Ozonloch – Wirkung entfalten können, wenn alle Staaten mitmachen.

Ich habe das Vertrauen, dass wir Parlamentarier und diese Bundesregierung einen großen Schritt tun können, wenn wir es ernst meinen. Ich bitte und lade alle dazu ein, mit uns darüber zu streiten, wie wir diese Ziele miteinander erreichen. Ich glaube, dass die internationale Politik in den nächsten Tagen eine gute Vorlage bieten wird.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Vielen Dank, Kollege Matthias Miersch. – Nächste Rednerin: Dr. Anja Weisgerber für die CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/6249133
Wahlperiode 18
Sitzung 144
Tagesordnungspunkt Regierungserklärung zur UN-Klimakonferenz in Paris
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