04.12.2015 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 144 / Tagesordnungspunkt 24

Annalena BaerbockDIE GRÜNEN - Regierungserklärung zur UN-Klimakonferenz in Paris

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Frau Präsidentin! Liebe Frau Umweltministerin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Weisgerber, es geht ja nicht darum, dass wir jetzt auch einmal anerkennen, dass die Bundesregierung etwas tut. Natürlich wissen wir, Herr Kollege Miersch, dass es nicht schön ist, mit Saudi-Arabien, einem Dauerblockierer, auf der Klimakonferenz zu verhandeln. Aber als ich gestern Abend meine Sachen für unsere Delegationsreise packte, habe ich auch die kleinen Babysachen von meiner gerade geborenen Tochter mit eingepackt; denn sie muss nächste Woche mit nach Paris. Dann habe ich mir überlegt: Sie wird im Jahr 2050 – über dieses Jahr reden wir gerade – genauso alt sein wie ich jetzt. Wenn sie dann selbst eine kleine Tochter hat, wird sie mich fragen: Habt ihr damals in 2015 eigentlich alles dafür getan, diesen Klimakollaps zu verhindern? Ich glaube, das ist die entscheidende Frage, die Sie sich und die wir als Grüne uns stellen müssen: Tun wir wirklich alles dafür, dass wir diese größte Katastrophe, wie Ban Ki-moon es nannte, wirklich verhindern?

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Stefan Liebich [DIE LINKE])

Deswegen ist es für uns entscheidend, dass wir uns in Paris nicht mit Ländern wie Saudi-Arabien oder Indien messen. Vielmehr müssen wir uns daran messen, was die Vorreiter tun. Wir müssen auch dafür sorgen, dass Deutschland wieder zu einem Vorreiter wird.

Lieber Frank Schwabe, auch du weißt: Es macht einen großen Unterschied, ob wir den Kohleausstieg früher oder später machen. Denn CO2 summiert sich in der Luft. Das ist das Entscheidende. Wenn wir es jetzt mit Karacho rausblasen, dann ist es da oben, dann können wir es nicht mehr zurückholen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es macht einen großen Unterschied, ob wir bei 2 Grad, 2,1 Grad oder 3,5 Grad landen. Denn die Inseln, die angesprochen wurden, gehen in dem einen Fall unter und in dem anderen Fall werden sie gerade noch gerettet.

Daher ist auch für uns als Opposition nicht nur wichtig, dass die Verhandlerinnen und Verhandler aus dem BMUB, die in Paris sicher alles geben werden, um jedes Wort und um jedes Komma in diesem Klimavertrag kämpfen, sondern auch, dass Sie als Bundesregierung hier vor Ort, also zu Hause, um jede eingesparte Tonne CO2 kämpfen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Es macht auch einen großen Unterschied, liebe Frau Hendricks, wann der Kohleausstieg kommt. Am Dienstag säuseln Sie im Hintergrund davon, der Kohleausstieg könne in 20 bis 25 Jahren gelingen, und am Sonntag im Deutschlandfunk sagen Sie plötzlich: Na ja, oder vielleicht auch erst 2050. – Es macht einen Riesenunterschied, ob er zehn Jahre früher oder zehn Jahre später kommt.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Daran wollen wir Sie messen, und daran messen wir Sie auch bei Ihrem Handeln im Ausland.

Es ist natürlich sehr gut, wenn Sie sagen: Wir investieren jetzt 3 Milliarden Euro in erneuerbare Energien in Afrika. – Klammer auf: Diese Gelder waren schon in den Haushalt eingestellt; man fokussiert sie nun noch. – Nur, was hilft es uns, wenn wir die Erneuerbaren auf der einen Seite ausbauen und sie auf der anderen Seite mit dem Allerwertesten einreißen? Denn einerseits stecken wir 3 Milliarden Euro in Erneuerbare. Andererseits steht gleichzeitig eine Anfrage bezüglich einer Hermesbürgschaft aus Südafrika bei Ihnen auf dem Tableau, bei der es um eine neue Kohlefinanzierung geht. Wenn wir dieser Hermesbürgschaft zustimmen, dann heißt das, dass wir den fossilen Pfad für 30, 40 Jahre manifestieren. Das macht all das zunichte, was Sie unter anderem in Form von Solarparks in Marokko aufbauen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Es gibt einen Grund, warum wir so sehr auf den Hermesbürgschaften und den KfW-Krediten herumreiten. Als sie gestern angesprochen wurden, hieß es: Meine Güte, es geht um 3,3 Milliarden Euro. Das macht doch gar nichts aus. Dem stehen 177 Milliarden Euro für den Klimaschutz gegenüber. – Doch, es macht etwas aus, und es macht gerade in diesen Zeiten etwas aus. Sie haben es angesprochen: Wenn Sie die Rockefeller-Stiftung, den norwegischen Pensionsfonds und die Allianz loben, die sagen: „Wir investieren nicht mehr in diesen Bereich“, dann ist es doch ein dramatischer Unterschied, ob ein Land wie Deutschland sagt: „Aber wir stellen nach wie vor Hermesbürgschaften zur Verfügung, damit in Südafrika Kohlekraftwerke gebaut werden können“, oder nicht. Wenn Sie diese Akteure loben, dann müssen Sie ihrem Beispiel folgen und aus der Kohleauslandsfinanzierung aussteigen, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Ein letzter Punkt: zum Ambitionsmechanismus. Sie haben gesagt: Wir wollen ihn völkerrechtlich verankern; leider klappt das nicht. – Das stimmt. Deutschland kann sich auf den Kopf stellen; das wird nicht klappen. Was Sie aber tun können, ist, einen Ambitionsmechanismus auf nationaler Ebene zu verankern. Deswegen fordern wir ein nationales Klimagesetz, und deswegen fordern wir Sie auf, das europäische INDC-Ziel nachzuschärfen. Das Europäische Parlament ist vorangegangen, hat einen Beschluss gefasst und gesagt: Nach Paris muss das ­EU-Ziel nachgeschärft werden. – Wir haben Ihnen angeboten, die EP-Resolution zur Klimakonferenz gemeinsam im Deutschen Bundestag hier und heute zu beschließen. Von Ihrer Seite kam aber leider: Das geht nicht; im Koalitionsvertrag haben wir etwas anderes vereinbart.

(Dr. Anja Weisgerber [CDU/CSU]: Wir haben unseren eigenen Antrag! Einen sehr guten!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, es kann doch nicht sein, dass sich die Welt weiterdreht und hier in Deutschland ewig der Koalitionsvertrag gilt. So werden wir die Zukunft unserer Kinder nicht retten können.

Herzlichen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Vielen Dank, Annalena Baerbock. – Nächster Redner in der Debatte: Matern von Marschall für die CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/6249212
Wahlperiode 18
Sitzung 144
Tagesordnungspunkt Regierungserklärung zur UN-Klimakonferenz in Paris
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