Armin SchusterCDU/CSU - Bericht des 2. Untersuchungsausschusses
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich knüpfe nahtlos an, wie Frank Tempel aufgehört hat: Dieser Untersuchungsausschuss wird nicht in die Geschichte eingehen als einer, der nur sehr viele Gesetzesänderungen nach sich zieht, der in irgendeiner Form parlamentarisch produktiv war. Die Auftritte einiger, vor allen Dingen parlamentarisch erfahrener Zeugen waren wahrlich keine Sternstunden des Parlamentarismus. Der Ausschuss hat wohl wie kein zweiter Einblicke in die Seelen und auch menschlichen Schwächen von zahlreichen Beteiligten gewährt. Ich ganz persönlich hätte das nicht gebraucht. Deswegen bin ich dankbar, dass wir diesen Ausschuss einmal nicht bis zum Ende der Legislaturperiode führen, ich glaube, das Untersuchungsausschusssekretariat auch. Trotzdem herzlichen Dank für die starke Leistung! Ich finde es ein tolles Zeichen, dass ihr da oben sitzt.
(Beifall im ganzen Hause)
Aber, meine Damen und Herren, wir haben den Ausschuss nicht auf die leichte Schulter genommen. Wir haben gewissenhaft gearbeitet. Die Union hat alles darangesetzt, die Fragenkomplexe, die im Untersuchungsauftrag vorgesehen waren, aufzuklären. Das kann ich in vier zentrale Erkenntnisse zusammenfassen.
Erstens. Wir haben mit diesem Untersuchungsauftrag einen wertvollen Beitrag geleistet, dass etwa zur gleichen Zeit, Anfang 2015, das Sexualstrafrecht verschärft wurde. Um es kurz zu sagen: Der Fall Edathy und viele andere gleichgelagerte Fälle würden heute nicht mehr so glimpflich ausgehen, nachdem wir den Gesetzentwurf von Herrn Maas hier so angenommen haben. Dieses Verhalten wäre heute eindeutig strafbar, und das ist auch gut so.
Zweitens. Die erschütternden Fallschilderungen vieler Experten – ich lasse die Beispiele jetzt lieber weg – haben wertvolle Erkenntnisse geliefert, warum die Vorratsdatenspeicherung zur Bekämpfung der Kinderpornografie unerlässlich ist.
(Irene Mihalic [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das wollte Herr Frieser doch sagen!)
Die eindeutigen Voten aller Experten konnte man nicht überhören, und wir haben sie nicht überhört. Wir haben den Einstieg in die Mindestspeicherfristen gemacht. Dafür war dieser Ausschuss unglaublich wichtig.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Meine Damen und Herren, ich weiß, dass die mediale Aufmerksamkeit ganz anderen Themen gewidmet ist. Ich komme zu dem zentralen Punkt dieses Ausschusses, den wir nicht unterschätzen dürfen. Wir haben ganz sicher dazu beigetragen, dass es für die Täter in diesem Land wieder schwerer geworden ist, mit dem Leid von Kindern Geschäfte zu machen. Das ist für mich das Ergebnis, das diesen Ausschuss auf Dauer überstrahlen wird.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abgeordneten Uli Grötsch [SPD])
Drittens. Zur Untersuchungsausschussfrage, ob das BKA den Fall einwandfrei behandelt hat, können wir zweifelsfrei feststellen: Die Ermittlungen während des gesamten Verfahrens waren professionell, engagiert, strukturiert und wurden so schnell wie möglich und ohne Ansehen der Person abgearbeitet. Ich glaube, Sie stimmen mir zu, dieses Deliktsfeld ist eines der schwersten, in die man als Ermittler geschickt werden kann. Deshalb verdienen die BKA-Mitarbeiterinnen und ‑Mitarbeiter ganz besonders unsere persönliche Hochachtung, aber nicht, liebe Kollegen von den Linken und den Grünen, dieses oberlehrerhafte Verhalten, wie das in den Innenausschusssitzungen der Fall war.
(Monika Lazar [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das kennen wir von Ihnen so gar nicht!)
Ich spreche das deshalb an, weil Sie es nicht lassen konnten, bei Ihrer Kleinen Anfrage wieder auf den Punkt einzugehen, ob sie auch Zeitung lesen, damit sie ja Edathy erkennen. Ich glaube, Sie haben jetzt auch im Untersuchungsausschuss gemerkt, wie viele Menschen Edathy nicht kannten.
(Michael Frieser [CDU/CSU]: Jetzt kennen sie ihn!)
Wir von der Union nehmen uns nicht so wichtig. Wir haben es nicht seltsam gefunden, dass eine Oberkommissarin des BKA Herrn Edathy nicht kannte. Akzeptieren Sie es, und seien Sie nicht so kleinkrämerisch. Vielleicht nehmen Sie sich auch zu wichtig.
Der Sinn einer Kleinen Anfrage, Frau Mihalic, erschließt sich mir sowieso nicht. Sie hätten all diese Fragen im Ausschuss stellen können. Ich weiß nicht, warum Sie da jetzt nachkarten. Das ist seltsam.
(Irene Mihalic [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die haben wir im Ausschuss gestellt! – Monika Lazar [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es geht doch um die Antworten und nicht um die Fragen!)
Viertens. Zentrales Ziel des Untersuchungsausschusses war es, die Frage zu klären: War Edathy gewarnt? Diesen Auftrag sehen wir als erfüllt an. Für uns steht fest, dass er gewarnt war. Es spricht vieles dafür, unter anderem die Auffindesituation seiner Wohnung. Von wem er diese Information bekam, konnten wir nicht aufklären. Dafür gibt es vier zentrale Gründe.
Erstens. Es mangelte sehr am Erinnerungsvermögen einiger Zeugen. Die Widersprüchlichkeit mancher Aussagen und die eingeschränkte bis offenkundige Verweigerungshaltung einiger Zeugen vor dem Ausschuss waren manchmal schon unerträglich.
Zweitens. Ob Niedersachsen eine entscheidende Rolle im Fall Edathy spielt, bleibt offen. Widerspenstig hat man uns 138 Namen geliefert, die in Niedersachsen Kenntnis von dem Fall hatten, bevor er öffentlich wurde. 138 Personen konnten wir nicht vorladen. Das hätte den Rahmen des Untersuchungsausschusses gesprengt. Da stellt sich die Frage: Braucht Niedersachsen einen solchen Ausschuss, wo ein Innenminister und ein Polizeipräsident als Einzige von 138 sich nicht erinnern können, wann sie über den Fall gesprochen haben wollen, und wo große Teile der Polizei darüber gesprochen haben, aber die Staatssekretäre, Abteilungsleiter Polizei im Innenministerium nicht informiert waren? Das LKA kannte übrigens den Namen Edathy auch nicht. Der LKA-Präsident war Wochen später informiert. Das Justizministerium war ein Stück Geschichte für sich in diesem Ausschuss.
(Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber dann war doch alles nicht so rosig wie der Abschlussbericht!)
Vier Wochen hat es gedauert, bis der zuständige Staatsanwalt überhaupt erst einmal zusätzliche Akten aus dem BKA anfordert. Monate hat es gedauert, bis auf der Hand liegende Vollstreckungsmaßnahmen endlich vollzogen werden.
(Irene Mihalic [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wenn entscheidende Informationen fehlen, ist das auch kein Wunder!)
Währenddessen war der Anwalt Edathys Dauergast dieser Staatsanwaltschaft.
Meine Damen und Herren, die niedersächsische Justiz bis hin zur Ministerin hat im Ausschuss insgesamt einen ziemlich bedenklichen Eindruck hinterlassen.
(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Jetzt will ich mal was zu Herrn Fritsche und Herrn Friedrich wissen, zu deren Rechtsverständnis!)
Das Verhältnis zwischen Ministerium, Generalstaatsanwaltschaft und Staatsanwaltschaft kann man eigentlich nur als zerrüttet bezeichnen, so wie sie aufgetreten sind. Wir wissen bis heute nicht, ob die Leitungsebene des Ministeriums früh oder spät informiert war, weil sich Generalstaatsanwalt und Ministerium komplett widersprechen. Und so weiter und so fort.
(Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die Niedersachsen waren die Einzigen, die keine Kenntnisse hatten! Das ist ja ungeheuerlich!)
Die Akte Niedersachsen sollte man nicht schließen.
Die Schlüsselrolle, warum wir nicht aufklären konnten, wer Edathy gewarnt hat, spielt wirklich der Bundestagsabgeordnete Michael Hartmann. Ich wünschte, er wäre der Empfehlung seines Parteichefs Sigmar Gabriel gefolgt und hätte umfassend ausgesagt. Wir wären dann nicht nur der Aufklärung ein großes Stück näher gekommen. Mir wäre dann auch der Satz erspart geblieben, den ich jetzt sagen muss: dass er von einigen glaubhaft aufgetretenen Zeugen erheblich belastet wird, tatsächlich der gut informierte Tippgeber für Edathy gewesen sein zu können. Diese Aussage-gegen-Aussage-Situation kann nur Michael Hartmann auflösen, tut er aber nicht.
(Irene Mihalic [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sechs zu eins ist nicht Aussage gegen Aussage!)
Dieses Verhalten ist zwar enttäuschend, aber juristisch absolut einwandfrei; das muss man auch einmal sagen. Er hat dieses Recht und darf es in Anspruch nehmen; aber wir kommen deshalb an dieser Stelle auch nicht weiter.
Die fehlende Mitwirkung einiger Zeugen, das Halbdunkel in Niedersachsen, Widersprüchlichkeiten und Aussageverweigerungen hinterlassen genügend Raum für Spekulationen – der eigentliche Grund, warum Sie beide, Linke und Grüne, ein abweichendes Votum abgeben –, die sich in erster Linie auf eine mögliche Beteiligung der SPD-Spitze im Fall Edathy beziehen,
(Frank Tempel [DIE LINKE]: Oder der Niedersachsen!)
also der Herren Gabriel, Steinmeier und Oppermann.
(Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das sind doch keine Spekulationen, das sind Fakten! – Frank Tempel [DIE LINKE]: Im Bereich Niedersachsen spekulieren Sie doch nur!)
Meine Damen und Herren, hier unterscheiden wir uns. In Beweisaufnahmesitzungen darf man, muss man spekulieren, um Hypothesen zu bilden.
(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Man muss fragen, was die Wahrheit ist!)
In einer Abschlussdebatte und in einem Abschlussbericht geht es nicht mehr um Spekulationen. Vielmehr müssen wir zusammentragen, was wir an Tatsachen belegen können.
(Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann können Sie in Ihrer Rede die letzten fünf Minuten zu Niedersachsen streichen!)
Genau das haben wir gemacht. Tatsache ist, dass Edathy gewarnt war. Die Klarheit, durch wen, wurde durch Schweigen und Erinnerungslücken vernebelt. Nebel ist allerdings ein flüchtiger Zustand.
Deshalb schließe ich mit der ersten Strophe eines evangelischen Kirchenliedes von Johann Sebastian Bach
(Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Endlich Substanz! Gott sei Dank! – Weitere Zurufe von der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
– zuhören, Leute, jetzt könnt ihr etwas lernen! –:
Ach wie flüchtig, ach wie nichtig ist der Menschen Leben!
(Monika Lazar [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Singen!)
Wie ein Nebel bald entstehet und auch wieder bald vergehet, so ist unser Leben, sehet!
(Monika Lazar [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Amen!)
Ich danke Ihnen.
(Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Der Schluss war gut!)
Das Wort hat die Kollegin Irene Mihalic für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/6249655 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 144 |
Tagesordnungspunkt | Bericht des 2. Untersuchungsausschusses |