04.12.2015 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 144 / Tagesordnungspunkt 29

Gerhard SchickDIE GRÜNEN - Einsetzung eines Untersuchungsausschusses

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Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Über zehn Jahre lang haben Millionäre und große Banken unsere öffentlichen Kassen geplündert. Über zehn Jahre lang sind sie unbehelligt beim Finanzamt ein- und ausgegangen und haben unter den Augen von Politik und Verwaltung Geld abgezweigt. Diese haben leider zugesehen und den Betrügereien lange kein Ende gesetzt.

Weder haben die damaligen Bundesregierungen rechtzeitig und wirksam gehandelt, obwohl es Hinweise gab, noch haben die Steuerverwaltungen der Länder oder die Finanzaufsicht Alarm geschlagen. Öffentliche Banken, Landesbanken, haben an diesem Skandal sogar mitgewirkt.

Viele fragen sich auch heute noch, was eigentlich Cum-Ex-Geschäfte sind.

(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja!)

Diese Geschäfte beruhen auf einem Konstrukt, das dazu führte, dass eine Steuer zweimal zurückerstattet wurde, obwohl sie nur einmal gezahlt wurde. Dies ist so, als ob Eltern für dasselbe Kind zweimal Kindergeld kassieren – einmal die Mutter und einmal der Vater. Das ist natürlich ungerecht und im Steuergesetz nicht vorgesehen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Matthias Hauer [CDU/CSU])

Für unsere Aufgabe als Abgeordnete steht aber nicht die Technik, also die Art, wie das im Einzelnen arrangiert wurde, im Mittelpunkt, sondern entscheidend ist, was im Ergebnis passiert ist, nämlich ein Schaden für das Gemeinwesen von geschätzt 12 Milliarden Euro. Das ist absolut inakzeptabel. Diese 12 Milliarden Euro fehlten für sinnvolle Ausgaben. Oder übersetzt: Banken und Millionäre konnten jedem einzelnen Bundesbürger 150 Euro aus dem Geldbeutel klauen. So etwas darf sich nie wiederholen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)

Genau deswegen wollen wir Aufklärung.

Obwohl der Schaden so groß ist, haben die Fraktionen der Großen Koalition es abgelehnt, aufzuklären, wie das passieren konnte. Sie haben unseren Antrag auf einen Sonderermittler abgelehnt und somit der Aufklärung leider eine Absage erteilt.

(Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ungeheuerlich!)

Wir haben auch Gespräche geführt, um andere Formen der Aufklärung zu finden und auszuloten, ob wir gemeinsam aufklären können – leider ergebnislos. Für mich und für unsere beiden Fraktionen ist das unverständlich.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN – Lothar Binding [Heidelberg] [SPD]: Wir haben doch einen Untersuchungsausschuss angeregt! Schon vor Monaten!)

Deswegen machen wir von unserem Minderheitenrecht Gebrauch und beantragen einen Untersuchungsausschuss zum Steuerbetrug an den Finanzmärkten mittels Cum-Ex-Geschäften.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Es geht uns nicht darum, einzelne Personen an den Pranger zu stellen, und auch nicht um Parteipolitik,

(Lothar Binding [Heidelberg] [SPD]: Nein, keinesfalls! Das wollen wir doch mal hören!)

sondern es geht darum, sicherzustellen, dass die Bürgerinnen und Bürger nie wieder in diesem Ausmaß abge­zockt werden, wie es hier vorgekommen ist.

Dafür müssen wir wissen, wieso staatliche Institutionen in Bund und Ländern jahrelang untätig blieben, statt das Geld der Bürgerinnen und Bürger zu schützen. Wir müssen wissen, ob heute dieselben Institutionen willens und in der Lage sind, bei ähnlichen Fällen rechtzeitig mit wirksamen Mitteln einzugreifen. Wir müssen wissen, wie es passieren konnte, dass öffentliche Banken am Betrug an den Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern mitgewirkt haben.

Wir sind nämlich schon längst in der nächsten Runde im Hase-und-Igel-Spiel auf dem Finanzmarkt zulasten der Bürger. Mit den sogenannten Cum-Cum-Geschäften stehen erneut Milliarden auf dem Spiel. Auch hier wird dem Treiben auf dem Finanzmarkt schon viel zu lange zugesehen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)

Die Fraktionen Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen laden Sie zu einer parteiübergreifenden sachlichen Arbeit im Interesse aller Steuerzahlerinnen und Steuerzahler ein. Bei einem Schaden dieser Größenordnung für das Gemeinwesen dürfen Demokraten nicht zur Tagesordnung übergehen. Wenn die Bürger den Eindruck gewinnen, dass Staat und Bürger zum Spielzeug von Betrügern auf dem Finanzmarkt werden, und wenn nicht sichtbar wird, dass wir im Parlament alles tun, damit nicht wieder Steuergeld in so großem Umfang von Betrügern auf dem Finanzmarkt abgezweigt wird, dann verlieren die Menschen das Vertrauen in unsere Institutionen. Deswegen müssen wir hier gemeinsam tätig werden.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Sie haben damals zwei Gegenargumente gegen den Antrag auf einen Sonderermittler vorgebracht. Das eine Gegenargument war: Es gibt für einen Sonderermittler keine Rechtsgrundlage.

(Antje Tillmann [CDU/CSU]: Das ist ein komisches Gegenargument!)

Das ist ein sehr merkwürdiges Argument, weil im Saarland unter der Leitung der CDU im Moment genau das stattfindet, was wir hier gefordert haben. Aufgrund eines kläglichen Versagens in der Steuerfahndung wird dort eine externe Sonderermittlerin eingesetzt, um das aufzuklären und um diese Dinge für die Zukunft richtig aufzustellen. – Ihr Gegenargument trägt nicht.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)

Das zweite Gegenargument war: Die Staatsanwaltschaften und die Gerichte sind doch im Moment mit der Aufklärung dieser Fälle beschäftigt. – In der Tat: Zum Glück gibt es da Aufarbeitung vor den Gerichten. Aber diese klären, wer jetzt was zahlen muss und wer bei den Investoren strafrechtlich Verantwortung trägt. Sie klären nicht, was auf staatlicher Seite schiefgelaufen ist. Damit können Sie nicht die Arbeit voranbringen, die unsere Arbeit ist, nämlich dafür zu sorgen, dass sich ein solcher Skandal nie mehr wiederholen kann. Das können nur wir hier tun.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)

Genau deswegen wollen wir jetzt wissen, was schiefgelaufen ist, und zwar nicht nur mit Blick auf die Vergangenheit. Ich wiederhole es: Es geht darum, über die Erkenntnisse der Vergangenheit sicherzustellen, dass es in Zukunft nie wieder passieren kann, dass das Geld, das die kleinen Leute in unserem Land mit ihrer Umsatzsteuer und mit ihrer Einkommensteuer zahlen, unkontrolliert an Trickser und Betrüger am Finanzmarkt abfließt. Das können wir den Menschen nicht zumuten. Deswegen heute der Antrag auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN)

Das Wort hat der Kollege Matthias Hauer für die CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/6249745
Wahlperiode 18
Sitzung 144
Tagesordnungspunkt Einsetzung eines Untersuchungsausschusses
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