04.12.2015 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 144 / Tagesordnungspunkt 29

Matthias HauerCDU/CSU - Einsetzung eines Untersuchungsausschusses

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Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir beraten heute über den Antrag der Fraktionen Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen, die Cum-Ex-Geschäfte im Zeitraum von 1999 bis 2012 durch einen Untersuchungsausschuss zu beleuchten.

Worum geht es dabei? Bei den Cum-Ex-Geschäften haben vermeintlich findige Banken und Investoren Aktiengeschäfte allein mit dem Ziel getätigt, sich Kapital­ertragsteuer zweimal erstatten zu lassen, die nur einmal gezahlt wurde. Grundlage dieses kriminellen Geschäfts war ein Aktienhandel rund um den Dividendentermin, nämlich kurz davor Cum-Dividende und kurz danach Ex-Dividende.

Durch Leerverkäufe und das gezielte Ausnutzen von Fristen fielen der rechtliche und der wirtschaftliche Eigentümer der Aktie auseinander. Mit großer krimineller Energie gelang es so, die Abführung der Kapitalertragsteuer doppelt bescheinigt zu bekommen. Das war damals noch möglich, weil es nicht dieselbe Stelle war, die den Steuerabzug vornahm und die die Steuerbescheinigung ausstellte.

Die Grünen haben in ihrem Antrag zum gleichen Thema im Januar die Geschäfte als „zumindest illegitim“ bezeichnet. Im aktuellen Antrag sprechen Linke und Grüne von „Steuergestaltung“. Wieso so zurückhaltend? Nennen wir es doch gemeinsam beim Namen: Ein solches Vorgehen ist nicht nur illegitim, sondern schlichtweg rechtswidrig und kriminell.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Bei diesen Cum-Ex-Geschäften hat es sich nie um ein Steuergestaltungsmodell gehandelt. Die Rechtsauffassung des Bundesfinanzministeriums ist unverändert: Diese Gestaltung der Cum-Ex-Geschäfte war schon immer unzulässig. Einmal abgeführte Kapitalertragsteuer darf nur einmal bescheinigt und auch nur einmal erstattet werden.

(Beifall des Abg. Lothar Binding [Heidelberg] [SPD] – Lothar Binding [Heidelberg] [SPD]: Das versteht sich von selbst!)

Nachdem tatsächlich durchgeführte Cum-Ex-Geschäfte bekannt wurden, hat die Politik reagiert. Im Jahr 2007 hat der Gesetzgeber die Abwicklung der Geschäfte über inländische Banken unterbunden. Das gelang, indem die inländische Bank des Leerverkäufers zur Abführung der Kapitalertragsteuer verpflichtet wurde. Dadurch wurde sichergestellt, dass auch die Kompensationszahlungen des Leerverkäufers unter Nutzung inländischer Abwicklungsbanken mit Kapitalertragsteuer belastet waren und keine unberechtigte Steuerbescheinigung erstellt wurde.

Konkrete Hinweise auf die Abwicklung über ausländische Banken gab es dann im Jahr 2009. Das Bundesfinanzministerium hat reagiert und besondere Erfordernisse an Steuerbescheinigungen im Zusammenhang mit Leerverkäufen über ausländische Kreditinstitute formuliert. Es wurde geregelt, dass alle Steuerbescheinigungen, bei denen Aktien rund um den Dividendenstichtag erworben wurden, besonders gekennzeichnet werden müssen. Diese Regelung wurde durch zwei Schreiben des Bundesfinanzministeriums in den Jahren 2010 und 2011 ergänzt.

Ende 2010 erfolgte mit der OGAW-IV-Umsetzung die vollständige Umstellung der Erhebung der Kapitalertragsteuer auf Dividendenzahlungen deutscher Aktien. Durch die neue Systematik wird die Kapitalertragsteuer nunmehr durch das Kreditinstitut, das die Dividende auszahlt, sowohl abgeführt als auch bescheinigt. Beides liegt also in einer Hand; denn das Auseinanderfallen beider Stellen war die Basis der rechtswidrigen Geschäfte in der Vergangenheit.

Seit Inkrafttreten 2012 werden die Cum-Ex-Geschäfte auch über ausländische Banken somit verhindert. Der Gesetzgeber und das Bundesfinanzministerium unter Minister Wolfgang Schäuble haben dem Cum-Ex-Modell also in mehreren Schritten nachhaltig die Grundlage entzogen und die missbräuchlichen Geschäfte erfolgreich unterbunden. Deshalb sind Cum-Ex-Geschäfte heute zum Glück nicht mehr möglich.

(Zuruf von der CDU/CSU: So ist das!)

Was wir jetzt brauchen, sind eine konsequente Aufdeckung und strafrechtliche Verfolgung der Altfälle. Wer solche Geschäfte auf Kosten der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler gemacht hat, der muss zur Rechenschaft gezogen werden.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Unsere Gewaltenteilung legt eine solche strafrechtliche Aufarbeitung aber nicht in die Hände des Parlaments und auch nicht in die Hände eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses.

(Dr. Thomas Gambke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es geht aber um die politische Aufarbeitung!)

Hier sind vielmehr die Finanzverwaltung, die Strafverfolgungsbehörden und die Gerichtsbarkeit gefordert, und mehrere Verfahren laufen bereits.

Sie haben gerade dazwischengerufen, es gehe um die politische Aufarbeitung.

(Dr. Thomas Gambke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: So ist es!)

Sie haben auch letztens noch erklärt, es seien keine Konsequenzen gezogen worden. Dass sehr wohl Konsequenzen gezogen wurden, habe ich gerade dargelegt. Die Cum-Ex-Geschäfte sind mittlerweile unterbunden, und dass es keine politische Aufarbeitung gegeben habe, ist auch unzutreffend. Ich habe Ihnen gerade die Gesetzgebungsverfahren dargelegt. In all diese Verfahren war der Gesetzgeber, waren alle Fraktionen, auch Bündnis 90/Die Grünen und Linke, eingebunden. Darüber hinaus hat das Bundesfinanzministerium detailliert und schriftlich die von Ihnen, von den Grünen und von den Linken, gestellten Kleinen Anfragen der Opposition beantwortet und die Erkenntnisse der Bundesregierung darin einfließen lassen.

Auch in diesem Jahr haben wir uns mit den Cum-Ex-Geschäften in diesem Hause beschäftigt. Nach Debatten im Januar und im September geschieht dies heute zum dritten Mal in 2015. Es trifft also nicht zu, dass es keine politische Aufarbeitung gegeben habe.

(Dr. Gerhard Schick [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was hat denn Ihre Fraktion dazu gemacht?)

– Sie schreien, deshalb komme ich jetzt direkt zu Ihnen. Herr Dr. Schick, Sie stützen sich ja vor allem auf ein Schreiben aus dem Jahr 2002. Dazu hatten Sie sich in Ihrer Rede im September noch empört – ich zitiere –:

Die Bundesregierung ignorierte dieses Schreiben fünf Jahre lang. Warum? … sollte aus Gründen der Finanzmarktförderung möglichst nicht gegengesteuert werden?

Dazu sage ich Ihnen, den Kolleginnen und Kollegen von den Grünen: Anstatt mit dem Finger auf andere zu zeigen, sollten Sie vor Ihrer eigenen Haustür kehren. Am besten hätten Sie mit der Untersuchung in Ihren eigenen Reihen angefangen. Immerhin waren Bündnis 90/Die Grünen bis 2005 Teil der damaligen Bundesregierung, und Sie stellten 2002 sogar den Vorsitz im Finanzausschuss.

(Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Gerhard Schick [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Vorsicht mit dieser Äußerung! Sonst reden wir über Sachen auf Landesebene!)

Aber die Geschäfte waren eben auch für Sie nicht so einfach zu erkennen, wie sie jetzt manchmal versuchen, den Eindruck zu erwecken, weil sie hochkomplex waren. Außerdem haben die beteiligten Banken, Berater und Investoren erhebliche Anstrengungen unternommen, um diese Handlungen zu verschleiern. Um die Beziehungen zwischen den Vertragspartnern intransparent zu machen, haben sie zusätzliche, oft im Ausland ansässige Marktteilnehmer dazwischengeschaltet. Unter anderem aus diesem Grund wurden die Geschäfte leider nur zeitlich verzögert bekannt.

Deshalb gab es in den ersten Jahren auch kein Gegensteuern, weder durch die damaligen Regierungen noch durch die Fraktionen in den Parlamenten. Es ist gut, dass durch das Einschreiten von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble und des Gesetzgebers diese Geschäfte heute nicht mehr möglich sind.

(Zuruf von der CDU/CSU: So ist es!)

Wir können daher im Augenblick nicht erkennen, warum es dieses Untersuchungsausschusses bedarf, den Linke und Grüne einsetzen wollen. Dennoch respektieren wir natürlich die parlamentarischen Rechte der Opposition. Wenn wir schon einen Untersuchungsausschuss einsetzen, dann – darauf können Sie sich verlassen – werden wir auch konstruktiv darin mitarbeiten und die Thematik noch einmal im Detail durchsprechen.

Der nun beantragte Untersuchungsausschuss wirft den Blick vor allem zurück. Er bindet Ressourcen, um bereits gelöste Probleme erneut zu beleuchten. Wir sollten stattdessen die heutigen Herausforderungen angehen, nämlich bestehende Regelungen verbessern und sie wetterfest für die Zukunft machen. Das werden wir, die Union, gemeinsam mit unserem Koalitionspartner auch tun.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Das Wort hat der Kollege Richard Pitterle für die Fraktion Die Linke.

(Beifall bei der LINKEN)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/6249807
Wahlperiode 18
Sitzung 144
Tagesordnungspunkt Einsetzung eines Untersuchungsausschusses
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