Alexander UlrichDIE LINKE - Regierungserklärung zum Europäischen Rat
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es wurde bereits von mehreren Rednern angesprochen, dass in Europa die eine Krise die nächste jagt. Dass die deutsche Europapolitik zur immer weiteren Verschärfung dieser Krisen beigetragen hat, ist ja ganz offenkundig.
Frau Merkel, Sie lassen sich hier oftmals für zehn Jahre Kanzlerschaft feiern. Wenn in Europa eine Krise die nächste jagt, dann müssen auch Sie sich die Frage stellen, was Sie dazu beigetragen haben, dass Europa in diesem ständigen Krisenmodus ist. Es ist ja deutlich geworden – zum Beispiel bei der Wirtschafts- und Finanzkrise –, dass Sie mit Ihrer beispiellosen Kürzungspolitik, die Sie europaweit verordnet haben, mit dazu beigetragen haben, dass gerade in Südeuropa viele Menschen in eine Perspektivlosigkeit verfallen sind, dass die Jugendarbeitslosigkeit steigt und dass sich diese Länder in einer tiefen Rezession befinden. Europas Krisen sind auch Ihre Krisen, Frau Merkel.
(Beifall bei der LINKEN)
Sehen Sie endlich ein, dass man mit Kürzungen die Krisen nicht löst, dass man die Einnahmen steigern und investieren muss. Anstatt endlich einmal die Verursacher der Krise zur Kasse zu bitten, wird nun auch noch die Finanztransaktionsteuer zu Grabe getragen.
Herr Oppermann, da Sie hier zugegeben haben, dass die Verursacher der Krise noch nichts bezahlt haben, darf ich daran erinnern, dass beim Ausbruch der Finanz- und Wirtschaftskrise der Finanzminister von der SPD kam und dass Sie auch jetzt wieder an der Regierung beteiligt sind. Durch die Art, wie Sie mit der Finanz- und Wirtschaftskrise umgehen, geben Sie ihr selbst ein sehr schlechtes Zeugnis.
(Beifall bei der LINKEN)
Herr Oppermann, da Sie beklagen, dass wir noch keine Finanztransaktionsteuer haben, darf ich Sie auch daran erinnern: Als der Fiskalpakt hier im Bundestag verabschiedet worden ist, hat die SPD es zur Bedingung gemacht, dass die Finanztransaktionsteuer umgesetzt wird. Wo ist sie denn?
(Thomas Oppermann [SPD]: Wir haben daran gearbeitet!)
Sie haben zugestimmt, ohne eine Gegenleistung einzufordern. Jetzt hätten Sie es ja in der Hand, mit dafür zu sorgen, dass es eine solche Steuer gibt. Sie sind mit Ihrer SPD-Politik gescheitert und haben die Bürgerinnen und Bürger immer wieder auch belogen.
(Beifall bei der LINKEN – Axel Schäfer [Bochum] [SPD]: Unsinn! Das ist falsch!)
Herr Kauder, weil Sie europäische Regeln einfordern, möchte ich Sie einmal fragen: Wie gehen Sie denn mit europäischen Regeln um, wenn es um die Türkei geht? Wir haben uns im Europaausschuss sehr intensiv mit den Fortschrittsberichten beschäftigt. Bei der Türkei ist es ein Rückschrittsbericht. Es gibt nach europäischen Regeln überhaupt keinen Grund, irgendein Beitrittskapitel mit der Türkei zu öffnen. Warum machen Sie das? Sie brechen jetzt auch europäische Regeln.
(Volker Kauder [CDU/CSU]: Nein, das stimmt doch gar nicht! Das ist doch noch gar nicht verhandelt!)
In Bezug auf die Türkei muss man auch einmal sagen: Vorgestern wurden Beitrittskapitel eröffnet, und gestern wurden in Diyarbakir Dutzende Menschen durch Panzerbeschuss getötet. Das ist Ihre Politik in Europa. Sie unterstützen einen Terrorpaten wie Erdogan, und das kann nicht sein; das lehnen wir als Linke ab.
(Beifall bei der LINKEN)
Frau Bundeskanzlerin – ich komme zum Schluss –, die Bürgerinnen und Bürger in diesem Land werden es Ihnen nicht mehr abnehmen, dass Sie die Fluchtursachen bekämpfen wollen; denn man bekämpft keine Fluchtursachen, indem man Erdogan 3 Milliarden Euro gibt und Frontex aufrüstet, die unmenschlich gegen die Flüchtlinge vorgehen.
(Gunther Krichbaum [CDU/CSU]: Sie gehen an die Flüchtlinge, nicht an Erdogan!)
Das ist keine Fluchtursachenbekämpfung, sondern Flüchtlingsbekämpfung.
(Beifall bei der LINKEN)
Die Bürgerinnen und Bürger werden deshalb bald merken, dass Sie hier eigentlich doch auf die Order von Seehofer eingeschwenkt sind, auch wenn Sie heute versucht haben, das rhetorisch anders darzustellen. Im Prinzip betreiben Sie eine Politik gegen die Menschen. Das sieht man an Ihrem Handeln gegenüber der Türkei und gegenüber Frontex, und deshalb wäre es besser, die 3 Milliarden Euro dem Welternährungsprogramm zur Verfügung zu stellen.
Vielen Dank.
(Beifall bei der LINKEN)
Vielen Dank, Kollege Ulrich. – Die nächste Rednerin in der Debatte: Gerda Hasselfeldt für die CDU/CSU-Fraktion.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/6299753 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 145 |
Tagesordnungspunkt | Regierungserklärung zum Europäischen Rat |