17.12.2015 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 146 / Zusatzpunkt 4

Barbara Hendricks - Aktuelle Stunde zu den Ergebnissen der Klimakonferenz in Paris

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Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe es auch an anderer Stelle schon gesagt: Ich neige nicht zu großen Worten, aber dieser 12. Dezember des Jahres 2015 wird uns in Erinnerung bleiben. Es ist ein historisches Datum, an dem wir erreicht haben, dass sich alle Länder der Welt dazu verpflichtet haben, dem Klimawandel zu begegnen. Dies ist so über mehr als 20 Jahre bisher nicht gelungen.

Daran haben viele mitgewirkt, auch aus diesem Haus und über verschiedene Bundesregierungen und über verschiedene parteipolitische Färbungen hinweg. Wir waren jetzt in der glücklichen Lage, mit all der Anstrengung, die nicht zuletzt auch aus meinem Ministerium über viele Jahre geleistet worden ist, die Ernte einer langen Vorbereitungszeit einzufahren und dieses Abkommen jetzt nach Hause zu bringen.

(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das gibt der Welt ein Hoffnungszeichen. Wir haben es in der Tat mit sehr vielen durchaus großen Herausforderungen in der Welt zu tun. Beim Tagesordnungspunkt zuvor haben wir über die Bekämpfung von Fluchtursachen gesprochen. Auch die Bekämpfung des Klimawandels ist eine Bekämpfung von Fluchtursachen; das möchte ich in diesem Zusammenhang deutlich sagen.

Es ist jetzt trotz dieser großen und zahlreichen Herausforderungen und der vielen Unsicherheiten, mit denen wir es in der Welt zu tun haben, gelungen, dass sich die Weltgemeinschaft auf ein großes Vorhaben geeinigt hat, nämlich dafür zu sorgen, dass es uns gelingt, bis spätestens zum Ende des Jahrhunderts keinesfalls mehr, sondern deutlich weniger als 2 Grad Erderwärmung zu haben. Außerdem gibt es das Bestreben, es sogar besser zu machen und es noch nicht einmal mehr als 1,5 Grad werden zu lassen. Das war in der Tat eine neue Herausforderung, die wir auch angenommen haben. Ich weiß, es ist schwer. Unter 2 Grad zu bleiben, ist eine völkerrechtlich verbindliche Zusage, die alle Länder der Welt eingegangen sind, auch wir. Wir alle haben auch – aber ohne völkerrechtliche Bindung – gesagt: Wir wollen uns gleichwohl noch mehr anstrengen und dafür sorgen, dass es sogar bei nur – in Anführungszeichen – 1,5 Grad Erd­erwärmung bleibt.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Wir haben – das sieht man an diesem Beispiel, aber auch an den anderen Beispielen, die ich noch nennen werde – tatsächlich alle Ziele erreicht, die wir in den Verhandlungen erreichen wollten. Wir haben, wie ich gerade ausgeführt habe, dieses Langfristziel völkerrechtlich verbindlich festgelegt. Es war nicht selbstverständlich, dass sich alle 195 Staaten der Erde, die ja höchst unterschiedliche Interessen vertreten, diesem Ziel würden verpflichten wollen und können. Dies ist geschehen.

Wir haben festgelegt, dass wir alle fünf Jahre überprüfen, wie wir denn noch besser werden können, wie wir noch ehrgeiziger werden können. Wir haben im Zusammenhang mit dem vereinbarten Ambitionsmechanismus versprochen, dass wir – auch vor dem Hintergrund von technologischer Entwicklung – auf jeden Fall besser werden können. Wir wollen einander alle fünf Jahre gegenseitig dartun, wie es denn gelingt, noch besser zu werden.

Wir werden übrigens auch die Jahre bis 2020 – dann wird dieses Abkommen formal in Kraft treten – nicht einfach verstreichen lassen, sondern wir haben uns gegenseitig zugesagt, dass wir auch in den Jahren bis dahin besser, ehrgeiziger werden. Wir haben dies hier auf der deutschen Ebene durch den Aktionsplan Klimaschutz in die Wege geleitet. Wir als Deutschland sind da nicht säumig, sondern – im Gegenteil – wir sind gut aufgestellt und können das, was wir jetzt in Paris zugesagt haben, mit den Maßnahmen, die wir schon eingeleitet haben, auch tatsächlich voranbringen. Wir können immer noch besser werden, aber wir sind auf dem richtigen Weg.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Wir haben klare Transparenzregeln eingezogen. Es war uns ganz besonders wichtig, dass gegenseitig überprüfbar ist, was die einzelnen Länder tun. Das, was die Länder vorgelegt haben, sind ja im Prinzip nationale Klimaschutzpläne. Diese nationalen Klimaschutzpläne werden wir, wiederum alle fünf Jahre, transparent und aggregiert überprüfen und feststellen: Haben wir das eingehalten, was wir zugesagt haben?

Es ist zugleich auch bestimmt worden, dass man keinesfalls schlechter werden darf, sondern immer nur besser werden muss. Wenn es einem nicht gelingt, besser zu werden, dann muss man mindestens genauso gut sein, wie man es versprochen hatte. Schlechter werden darf man also nicht. Auch das ist völkerrechtlich verbindlich festgelegt worden.

Insgesamt ist es ein faires Abkommen, das auch die Verantwortung der Industrieländer in besonderer Weise hervorhebt. Es war uns klar, dass wir aufgrund der historischen Emissionen, die wir als Industrieländer haben – seit Beginn der Industrialisierung haben wir dem Klimawandel ja sozusagen Vorschub geleistet –, natürlich weiterhin eine besondere Verpflichtung haben. Das gilt zum einen für den Technologietransfer, den wir für die Länder des Südens leisten wollen und müssen, und das gilt zum anderen natürlich auch für unsere finanziellen Verpflichtungen, die dazu dienen, dem Klimawandel zu begegnen, auch in den Ländern des Südens, und insbesondere den Ländern des Südens dabei zu helfen, sich an den ja stattfindenden Klimawandel anzupassen. Das war eine der wichtigen Voraussetzungen dafür, dass wir Vertrauen gewinnen konnten, sodass es möglich war, dass wirklich alle Länder dem Abkommen zugestimmt haben.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Zugleich ist es uns gelungen, den jahrzehntelangen Antagonismus zu überwinden, bei dem auf der einen Seite die Verantwortung der Industrieländer dargetan wurde und sich auf der anderen Seite alle anderen Länder – so war es ja auch noch im Kioto-Protokoll, das wir 2020 ablösen werden – gleichsam selber als Entwicklungsländer bezeichnet haben, die mit nichts etwas zu tun haben, um es einmal etwas salopp auszudrücken. Diese anderen Länder unterscheiden sich natürlich sehr. So ist zum Beispiel ein armes afrikanisches Land nicht mit, sagen wir einmal, Singapur gleichzusetzen. Selbstverständlich kann auch Saudi-Arabien mehr leisten als zum Beispiel Chile. Rein finanziell betrachtet gibt es da große Unterschiede.

Es ist jetzt tatsächlich zum ersten Mal gelungen, diesen alten Antagonismus aufzubrechen und dafür zu sorgen, dass sich die anderen Länder nicht mehr hinter den allerärmsten verstecken können und deswegen keinerlei Ehrgeiz entwickeln müssen. Im Gegenteil: Alle sind verpflichtet, dem Klimawandel nach ihren Möglichkeiten zu begegnen. Es ist auch zum ersten Mal eine Differenzierung der Finanzverantwortung in den Vertrag aufgenommen worden.

Ja, ich weiß: Das ist noch nicht verpflichtend. Aber die Länder werden aufgefordert, nach ihren Möglichkeiten auch einen finanziellen Beitrag zu leisten, zum Beispiel, wie es heißt, im Rahmen der Süd-Süd-Kooperation. Hier wird beispielsweise von China schon ein Beitrag geleistet, wenngleich auf freiwilliger Basis und nicht auf der Basis eines bindenden Vertrages. Es war bis jetzt noch nicht möglich, dies im Rahmen eines bindenden Vertrages zu regeln. Aber die Finanzverantwortung als solche wird von den wohlhabenderen Schwellenländern nicht mehr prinzipiell zurückgewiesen. Es ist zwar noch keine völkerrechtlich bindende Verantwortung, aber sie wird nicht mehr prinzipiell zurückgewiesen; auch das ist ein Schritt nach vorne.

Wir haben in diesem Zusammenhang sehr zu danken: insbesondere meinem Kollegen Gerd Müller und dem ganzen Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung,

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

meinem Kollegen Frank-Walter Steinmeier und dem Auswärtigen Amt

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

und auch Ihnen allen. Dieses Hohe Haus hat uns bei der Arbeit, die wir hier geleistet haben, ja durchaus unterstützt,

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)

und ich war auch sehr dankbar für die Anwesenheit von einigen Kolleginnen und Kollegen in Paris.

Das Abkommen gibt uns Rückenwind für die Arbeit, die wir vor uns haben. Für uns ist das eigentlich keine neue Verpflichtung. Wir haben nämlich schon im Jahr 2007 gesagt, dass wir bis zum Jahr 2050 eine Reduzierung des CO2-Ausstoßes von mindestens 80 Prozent, eher aber 95 Prozent im Vergleich zu 1990 erreichen wollen. Dies ist auch schon bindendes europäisches Recht für uns in Deutschland. Die Zusage, die wir jetzt gegeben haben, nämlich für die Treibhausgasneutralität bis zur Mitte des Jahrhunderts zu sorgen, ist damit umfasst. Für uns ist das also keine neue Verpflichtung.

In den 35 Jahren, die jetzt vor uns liegen, haben wir eine spannende Aufgabe. Ich sage Ihnen: Es wird eine Jahrhundertaufgabe sein – unsere Jahrhundertaufgabe –, die Wirtschaft und die Gesellschaft hin zu Klimaneutralität zu transformieren.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Vielen Dank. – Als nächste Rednerin spricht Eva Bulling-Schröter für die Linke.

(Beifall bei der LINKEN)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/6303681
Wahlperiode 18
Sitzung 146
Tagesordnungspunkt Aktuelle Stunde zu den Ergebnissen der Klimakonferenz in Paris
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