Anton HofreiterDIE GRÜNEN - Aktuelle Stunde zu den Ergebnissen der Klimakonferenz in Paris
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ja, was in Paris zustande gebracht worden ist, war ein großer Erfolg. Die Weltgemeinschaft hat gezeigt, dass 195 Staaten in der Lage sind, sich auf einen Vertrag mit starken Zielen zu einigen; bei den Maßnahmen ist er eher schwach. Wir brauchen auch einen Vertrag mit starken Zielen; denn alles andere als eine Reduktion der Klimaerwärmung deutlich unter 2 Grad bedeutet für die kleinen Inselstaaten, dass sie untergehen. Dann müssten wir für 2,4 Millionen Menschen eine neue Heimat suchen. Sie wären aber keine Flüchtlinge. Vielmehr bräuchten wir einen neuen Standort für eine ganze Reihe von Staaten. Das wäre schwierig durchzusetzen. Aber auch auf dem übrigen Planeten wird es zu starken Verwerfungen kommen, wenn es uns nicht gelingt, die Klimaerwärmung zu begrenzen. Die Weltbank rechnet in diesem Fall mit über 100 Millionen zusätzlichen Klimaflüchtlingen.
Frau Hendricks, ich bin froh, dass Sie und nicht jemand anderes aus der Bundesregierung verhandelt haben. Was die Ministerien angeht, die für die Umsetzung verantwortlich sind, von der Sie eben gesprochen haben, Herr Jung, sieht es nämlich ziemlich traurig aus.
Schauen wir uns zum Beispiel das Energieministerium, das Ministerium von Herrn Gabriel, an. Herr Gabriel ist in relevanter Weise verantwortlich für die Umsetzung der Energiewende.
(Eva Bulling-Schröter [DIE LINKE]: Mit einem grünen Staatssekretär!)
Was findet in diesem Ministerium statt? Wir erleben ein völliges Abwürgen der Photovoltaik. Der Ausbau der erneuerbaren Energien ist vom Pfad abgekommen und findet nicht mehr in ausreichendem Maße statt. Wir erleben, dass aus einer Kohleabgabe, die dazu beitragen sollte, den Boom der Kohlekraft in Deutschland zu beenden, eine Subvention für die Kohlekraftwerke geworden ist. Damit ist also im ersten Umsetzungsministerium das glatte Gegenteil erreicht worden.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Schauen wir uns das nächste Umsetzungsministerium an. Das ist das Verkehrsministerium. Der Verkehr ist für einen erheblichen Teil der Klimaabgase in Deutschland verantwortlich. Was stellen wir da fest, wenn wir einfach nüchtern auf die Zahlen schauen? Wir stellen fest, dass in den letzten Jahren der CO2-Ausstoß gestiegen ist. Das bedeutet, dass wir hier eine Änderung der Politik brauchen; denn es genügt nicht – wenn die Klimaschützer und die Mitglieder des Umweltausschusses unter sich sind –, zu fordern: Wir brauchen jetzt Taten. – Ja, natürlich brauchen wir Taten. Aber die Bundesregierung muss hier auch konkrete Taten folgen lassen. Das muss sich im konkreten Handeln der Ministerien zeigen. Was sehen wir beispielhaft beim Verkehrsministerium? Steigende CO2-Werte! Es gibt keine einzige Handlung gegen diesen Trend. Stattdessen sehen wir ein Ministerium, das zu feige ist, den Unternehmen, insbesondere den Autokonzernen, die beim Schummeln extrem innovativ sind, Einhalt zu gebieten. Inzwischen geht es nicht nur um VW. Zahlen belegen, dass auch BMW- und Mercedes-Fahrzeuge unerklärlich hohe Abgaswerte aufweisen. Was macht das Ministerium? Das Ministerium ist noch nicht einmal in der Lage, zu sagen, wer in seiner Untersuchungskommission sitzt. Machen Sie doch einmal diesem Minister Dampf! Sie sind doch Regierungspartei.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Schauen wir uns ein anderes Ministerium an, das für die Umsetzung verantwortlich ist. Das ist das Landwirtschaftsministerium. Ich war vor kurzem in Brasilien und habe mir dort insbesondere die Regionen angeschaut, von denen wir einen Großteil unserer Futtermittel beziehen. In diesen riesigen Regionen sieht man bis zum Horizont nur gerodeten Regenwald. Nicht nur, dass die Kleinbauern und die indigene Bevölkerung entweder ermordet oder vertrieben worden sind, um dieses Land zu gewinnen. Vielmehr ist der ganze Regenwald zerstört worden. Das trägt erheblich zum Klimawandel bei. Und was sehen wir beim zuständigen Landwirtschaftsminister? Absolute Untätigkeit!
Wenn Sie Ihre eigenen Worte ernst meinen, Frau Ministerin und Sie, die Vertreter der Großen Koalition, dann sorgen Sie endlich dafür, dass in den relevanten Ministerien, also im Energieministerium, im Verkehrsministerium und im Landwirtschaftsministerium, nicht weiter blockiert, verzögert sowie auf die Lobbyisten und die Innovationsbremser von IG BCE und BDI gehört wird, sondern dass endlich Taten folgen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Frau Ministerin, wenn ich von Ihnen höre, dass es nun insbesondere um das Jahr 2050 geht, dann mache ich mir, ehrlich gesagt, Sorgen. Sie haben absolut recht: Bis zum Jahr 2050 müssen wir im Idealfall den CO2-Ausstoß um 90 Prozent reduziert haben. Aber bis dahin ist es noch sehr lange hin. Ich glaube, niemand, der hier sitzt, wird im Jahr 2050 noch politische Verantwortung tragen. Es kann also eine sehr billige Ausrede sein, ständig auf das Jahr 2050 zu verweisen. Es kommt nun entscheidend darauf an, wie der Pfad in den nächsten 35 Jahren gestaltet wird, um im Jahr 2050 auf minus 90 Prozent zu kommen. Um das zu schaffen, müssen wir jetzt mit den Taten beginnen. Deshalb ist es ganz entscheidend, ob es uns gelingt, als erste Zwischenetappe das 2020-Ziel zu erreichen. Ihre eigenen Regierungsexperten haben festgestellt, dass wir die Anstrengungen verdreifachen müssen, um dieses Ziel zu erreichen. Sorgen Sie als Erstes dafür, dass dieses Ziel erreicht wird. Dann haben wir auch eine Chance, das 2050-Ziel zu erreichen und den nun ausgehandelten guten Weltklimavertrag mit Leben zu erfüllen.
Danke.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Vielen Dank. – Als nächster Redner hat Matthias Miersch für die SPD-Fraktion das Wort.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/6303704 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 146 |
Tagesordnungspunkt | Aktuelle Stunde zu den Ergebnissen der Klimakonferenz in Paris |