Jan-Marco LuczakCDU/CSU - Neuordnung des Rechts der Syndikusanwälte
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Petzold, dass Sie an dieser Stelle von einem schlechten Tag sprechen, die Sozialkeule hervorholen und fordern: Nein, wir müssen wieder alles gleichmachen und brauchen am besten eine Einheitsversicherung – das wundert mich nicht. Sie verkennen dabei vollkommen, dass die berufsständische Altersversorgung gerade kein Privileg war, sondern dass sie sich aus der Historie entwickelt hat, mit allen Chancen, aber eben auch mit allen Risiken. Sie werden dem überhaupt nicht gerecht, indem Sie alles gleichmachen wollen. Ich kann hier nur feststellen: Es ist gut, dass die Union hier regiert
(Dr. Johannes Fechner [SPD]: Mit uns!)
und nicht Sie hier auf der Regierungsbank sitzen. Heute wäre dann nämlich ein schlechter Tag für Deutschland gewesen.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Wir haben jetzt den Entwurf eines Gesetzes vorgelegt, das in der Tat für die 40 000 Syndikusanwälte in unserem Land gut ist. Es ist aber nicht nur für die Syndikusanwälte gut, sondern es ist für die gesamte Anwaltschaft gut. Es ist auch für die Unternehmen in unserem Land gut und damit auch für den gesamten Rechtsstandort Deutschland.
Warum ist das gut? Es kommt ganz entscheidend darauf an, dass wir eine hohe Qualität der Inhouse-Rechtsberatung in den Unternehmen gewährleisten. In den Rechtsabteilungen sollen gute Leute arbeiten, die qualifizierten Rechtsrat erteilen können. Das ist in diesen Zeiten unglaublich schwer und kompliziert. Das liegt an den Anforderungen an Compliance und Corporate Governance, die der Gesetzgeber den Unternehmen auferlegt – wir haben das vorhin schon gehört –; hinzu kommen neue Korruptionstatbestände. Deswegen brauchen die Unternehmen gute Leute.
Gute Leute bekommen die Unternehmen in aller Regel von den Anwaltskanzleien. Die Anwälte erwerben dort über viele Jahre anwaltliche Expertise und sagen irgendwann: Jetzt möchte ich ganz gerne in die Rechtsabteilung eines Unternehmens. Wenn Sie diesen Anwälten nun sagen müssen: „Das kannst du zwar machen, aber dann verlierst du deine Ansprüche bzw. kannst dich nicht weiter im Versorgungswerk versichern“,
(Harald Petzold [Havelland] [DIE LINKE]: Das Zweite ist richtig!)
dann wird es natürlich unattraktiv, diesen Weg einzuschlagen. Dadurch kommt der personelle Austausch zwischen Kanzlei und Unternehmen zum Erliegen.
(Harald Petzold [Havelland] [DIE LINKE]: Dann sollen die alle in die gesetzliche Rentenversicherung einzahlen, Herr Kollege! Dann haben sie dieses Problem nicht mehr!)
Damit gibt es eben auch keinen fachlichen Austausch der Expertise mehr, die in einer Kanzlei bzw. in einem Unternehmen erworben worden ist. Das wäre nicht nur für die Individuen, sondern auch für die Unternehmen und damit für den Rechtsstandort Deutschland schlecht gewesen. Deswegen korrigieren wir diese Urteile des Bundessozialgerichts. Das ist gut so.
(Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was für eine verquere Logik! – Harald Petzold [Havelland] [DIE LINKE]: Sie schaffen das Problem erst!)
Wir als Union haben von Anfang an gesagt, dass wir diese Urteile dringend korrigieren müssen, weil es eben Handlungsbedarf gibt.
(Harald Petzold [Havelland] [DIE LINKE]: Toll, das Urteil des Bundessozialgerichtes korrigieren! Klasse!)
Ich bin sehr froh, dass wir das heute tatsächlich machen können. Das war gar nicht selbstverständlich. Es sah nämlich am Anfang gar nicht so aus, dass wir das in dieser Weise korrigieren könnten. Es waren, wie hier zum Teil schon angesprochen wurde, sehr lange und sehr zähe Verhandlungen, die wir geführt haben. Ich bin daher sehr froh, dass wir den gordischen Knoten am Ende zerschlagen konnten.
Der gordische Knoten bestand nicht allein darin, dass es hier komplexe berufsrechtliche und sozialrechtliche Fragestellungen gab. Es war durchaus auch so, dass am Anfang nicht von allen Seiten Handlungsbedarf gesehen wurde. Auch die Verbände waren sich zum Teil uneins, in welche Richtung man hier gehen sollte. Es gab auch – so will ich einmal sagen – gewisse unterschiedliche Nuancierungen innerhalb der Bundesregierung zwischen dem Bundesministerium der Justiz und dem BMAS hinsichtlich der Frage, in welche Richtung man da gehen sollte. So gab es anfänglich einen Referentenentwurf, mit dem man das Ziel, nämlich den Status quo vor den Urteilen des Bundessozialgerichts wiederherzustellen, nicht erreicht hätte. Ich bin sehr froh – da darf ich mich dem Dank an die Kollegen der SPD-Fraktion und an die Ministerien anschließen –, dass im parlamentarischen Verfahren die wesentlichen Forderungen, die wir von der Union erhoben haben, umgesetzt werden konnten. Unter dem Strich haben wir jetzt ein Gesetz, mit dem tatsächlich das Ziel erreicht wird, den Status quo ante wiederherzustellen. Es ist gut, dass wir das hingekriegt haben.
Für uns war in der Tat ganz entscheidend, dass die Entscheidung über die Zulassung als Syndikusanwalt bei den Kammern und nicht bei der Deutschen Rentenversicherung liegt; denn die Kammern sind natürlich diejenigen, die das anwaltliche Berufsbild kennen und die die Änderungen beim Berufsbild nachverfolgen. Deswegen war es für uns ganz wichtig, dass die Entscheidungshoheit bei den Kammern liegt und nicht hinterher infrage gestellt werden kann.
Wir haben im parlamentarischen Verfahren auch dafür gesorgt – das ist ein ganz wichtiger Punkt –, dass es bei den Zulassungskriterien keinen bundesweiten Flickenteppich gibt, dass also nicht die eine Kammer so und die andere Kammer so entscheidet, dass man in Stuttgart als Syndikusanwalt vielleicht zugelassen werden kann, aber in Berlin nicht. Wir haben daher klargestellt, dass die Vier-Kriterien-Theorie, die in der Vergangenheit zwischen allen Beteiligten entwickelt worden ist, im Übrigen unter Einschluss der Deutschen Rentenversicherung, fortbesteht. Es gibt also keine inhaltlichen Änderungen, sondern sie wird eins zu eins mit diesem Gesetz umgesetzt. Das haben wir auch noch einmal sprachlich klargestellt. Es gab da ja einige Irritationen bei dem Kriterium Vertretungsbefugnis nach außen. Das haben einzelne Kammern schon so ausgelegt, dass es hier einer Handlungsvollmacht, einer Prokura, bedürfe. Das ist ausdrücklich nicht der Fall. Das haben wir klargestellt, indem wir gesagt haben: Es reicht die Befugnis, nach außen verantwortlich auftreten zu dürfen, um als Syndikusanwalt zugelassen zu werden.
Für uns war immer ganz entscheidend, dass die Attraktivität des Berufsbildes Syndikusanwalt wegen des Erfordernisses des Wechsels von Kanzleien in entsprechende Abteilungen der Unternehmen erhalten bleibt. Daher war auch das Erfordernis der Berufshaftpflichtversicherung so ein entscheidendes Momentum. Was wäre denn passiert? Wenn ein Syndikusanwalt sich pflichtversichern müsste, dann würde sich die Prämie, die er zahlen müsste, an dem Risiko bemessen, das mit seiner Tätigkeit verbunden ist.
(Harald Petzold [Havelland] [DIE LINKE]: Wie für jeden normalen Menschen, für jeden normalen Bürger! Und dann sagen Sie, dass das keine Privilegien sind! – Weiterer Zuruf des Abg. Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Man muss sich einmal anschauen, was die Rechtsabteilungen von Unternehmen machen. Wenn es um große Transaktionen geht, reden wir häufig von Millionen- und zum Teil von Milliardenbeträgen. Man kann sich also ganz schnell ausrechnen, dass die Versicherungsprämie so hoch gewesen wäre, dass es unter keinen Umständen wirtschaftlich mehr tragbar gewesen wäre.
(Harald Petzold [Havelland] [DIE LINKE]: Ach Gott! Mir kommen die Tränen!)
Wir haben deswegen gesagt: Das wollen wir nicht; denn sonst wäre sozusagen hintenherum die Attraktivität eingeschränkt worden, und es hätte sich tatsächlich niemand mehr um eine Zulassung bemüht. Es war gut, dass wir die Streichung dieses Erfordernisses im parlamentarischen Verfahren erreicht haben. Dies ist auch deswegen in Ordnung, weil es ansonsten eine Schlechterstellung der Syndikusanwälte gegenüber den angestellten Anwälten in den Kanzleien gegeben hätte. Diese haben nämlich auch keine Berufshaftpflichtversicherung im Innenverhältnis zu ihrem Arbeitgeber. Nach außen zu Dritten ist es etwas anderes. Aber im Innenverhältnis zu ihrem Arbeitgeber sind sie eben Arbeitnehmer. Auch da gelten die Grundsätze der Arbeitnehmerhaftung – glasklar an dieser Stelle –, und deswegen brauchen sie auch keine Berufshaftpflichtversicherung. Es ist gut, dass wir als Union das im parlamentarischen Verfahren haben durchsetzen können.
(Beifall bei der CDU/CSU – Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: So ein Unsinn! – Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das haben Sie nicht parlamentarisch durchgesetzt! Das haben Sie in der Koalitionsrunde durchgesetzt!)
Ich möchte noch auf einen Punkt hinweisen, das ist die Frage der Unabhängigkeit. Es ist ja hier schon gesagt worden: Natürlich sind Syndikusanwälte Organe der Rechtspflege, und deswegen müssen sie unabhängig sein.
(Harald Petzold [Havelland] [DIE LINKE]: Warum bekommen sie keinen besseren Kündigungsschutz?)
Wir haben aber jetzt noch einmal gesagt, dass diese Unabhängigkeit selbstverständlich auch keinen strengeren Anforderungen unterliegt als beispielweise die der niedergelassenen Anwälte gegenüber ihren Mandanten. Deswegen ist es so, dass eine Weisung, die etwa ein Arbeitgeber seinem Syndikusanwalt erteilt, natürlich nicht dessen fachliche Unabhängigkeit infrage stellt. Natürlich ist an der Stelle auch klar: Der berufsrechtliche Rahmen muss eingehalten werden. Ein Arbeitgeber kann also nicht berufsrechtswidrige Weisungen erteilen, aber normale Weisungen,
(Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was denn jetzt?)
wie man ein Mandat zu führen hat, wie man beispielsweise einen Vergleich abschließt. Das ist in einem normalen Verhältnis zwischen Rechtsanwalt und Mandant völlig üblich, ganz normal. Das stellt auch nicht die Unabhängigkeit infrage, und nichts anderes wollen wir jetzt auch bei den Syndikusanwälten.
(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die Strategie muss der Anwalt führen und nicht der Arbeitgeber!)
Klar ist: Es dürfen natürlich auch keine arbeitsrechtlichen Konsequenzen daraus folgen. Es ist ganz wichtig, dass wir das tatsächlich so umgesetzt haben.
Zur 45-Jahre-Regelung kann ich jetzt aus Zeitgründen nicht mehr viel sagen. Die ist europarechtswidrig. Wir haben die Landesgesetzgeber jetzt noch einmal klar aufgefordert, diese abzuschaffen. Das ist gut so.
(Dr. Johannes Fechner [SPD]: Unser Vorschlag!)
Ich kann mich nur anschließen: Wir wollen hoffen, dass das Gesetz zum 1. Januar 2016 in Kraft treten kann. Das liegt am Bundesrat, aber ein Stück weit auch am Bundespräsidenten. Ich hoffe, er hat ein paar erholsame Feiertage und geht dann mit Kraft in die letzten Tage vor Silvester und kann dann noch unterschreiben.
Wir nehmen dieses Gesetz zum Anlass, auch die anderen freien Berufe noch einmal in den Blick zu nehmen. Wir haben jetzt ein Gesetz, das den Syndikusanwälten hilft. Aber auch die anderen freien Berufe – die Ärzte, die Apotheker, die Architekten – haben Probleme mit ihrer Befreiung. Das vorliegende Gesetz, denke ich, nehmen wir jetzt als Grundlage, um hier ein neues gesetzgeberisches Ziel in Angriff zu nehmen, damit wir auch an dieser Stelle eine vernünftige sozialrechtliche Lösung bekommen und die anderen freien Berufe nicht im Regen stehen lassen.
Vielen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Dr. Matthias Bartke [SPD])
Durchatmen! Danke schön, lieber Kollege. – Der letzte Redner in der sehr lebendigen Debatte: Dr. Johannes Fechner für die SPD.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/6304095 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 146 |
Tagesordnungspunkt | Neuordnung des Rechts der Syndikusanwälte |