17.12.2015 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 146 / Tagesordnungspunkt 9

Herlind GundelachCDU/CSU - Vergaberechtsmodernisierungsgesetz

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Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Bereits in der ersten Lesung habe ich in meiner Rede festgehalten, dass ich den Regierungsentwurf insgesamt als sehr gelungen empfinde. Komplimente liegen einem gebürtigen Schwaben ja eigentlich nicht, aber ich möchte es hier trotzdem noch einmal ausdrücklich wiederholen.

So war es uns als Abgeordneten des Deutschen Bundestages möglich, sehr präzise und sorgfältig an Detailfragen zu arbeiten. In dem Zusammenhang möchte ich mich auch ganz ausdrücklich beim Koalitionspartner bedanken. Ich denke, wir haben bei diesem Gesetzentwurf sehr gut, sehr nüchtern und sachlich zusammengearbeitet.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)

Einige der wichtigsten Punkte waren und sind für mich auch die Inhalte dessen, was wir unter interkommunaler Zusammenarbeit verstehen; denn der eigentliche Zweck des Vergaberechts ist es ja, sicherzustellen, dass öffentliche Aufträge möglichst wettbewerblich und damit transparent vergeben werden. Die Kooperation von zwei oder mehreren Kommunen zur gemeinsamen Erbringung einer öffentlichen Leistung fällt wie bisher nicht unter das Vergaberecht. § 108 des Gesetzentwurfes definiert auf Grundlage von Artikel 12 der Europäischen Richtlinie über die öffentliche Auftragsvergabe hier eine Anwendungsausnahme. Daraus folgt, dass Kommunen, die nach einem kooperativen Konzept zusammenarbeiten, die öffentliche Leistung, die erbracht werden soll, nicht nur nicht ausschreiben müssen, sondern dass dies der Öffentlichkeit in der Regel auch gar nicht bekannt wird.

Weil es sich dabei aber oftmals um Aufträge mit teilweise erheblichem Volumen handelt, an denen selbstverständlich auch Private ein Interesse hätten, steht diese Form der Zusammenarbeit zwischen Kommunen immer wieder in der Kritik und wird auch von der privaten Wirtschaft zu Recht hinterfragt. So beschäftigte sich auch bereits das OLG Koblenz noch vor unserer nationalen Umsetzung mit der Definition von Zusammenarbeit bei interkommunalen Kooperationen.

Auch wir haben uns deswegen in unseren Beratungen intensiv mit diesem Thema auseinandergesetzt. Denn in der Begründung zu § 108 Absatz 6 Nummer 1 wird darauf verwiesen, dass sich die Anforderungen an die Zusammenarbeit zwischen den öffentlichen Auftraggebern aus Artikel 12 sowie Erwägungsgrund 33 der Richtlinie ergeben und dass diese Zusammenarbeit grundsätzlich auf einem kooperativen Konzept beruhen muss. Leider enthalten weder Artikel 12 noch der Erwägungsgrund 33 weitergehende Definitionen des Begriffs „Zusammenarbeit“.

Deshalb haben wir uns in der Koalition nach einem intensiven Beratungsprozess auf eine Protokollnotiz verständigt, die auch Grundlage der Beschlussempfehlung des federführenden Ausschusses ist. Ich möchte daraus zitieren:

So weist der Erwägungsgrund 33 der Richtlinie 2014/24/EU darauf hin, dass die von den verschiedenen teilnehmenden Stellen erbrachten Dienstleistungen nicht notwendigerweise identisch sein müssen, sondern sich auch ergänzen können. Allerdings sollte die Zusammenarbeit auf einem kooperativen Konzept beruhen, in dem sich die Teilnehmer verpflichtet haben, einen Beitrag zur gemeinsamen Ausführung der öffentlichen Dienstleistung zu leisten; dazu kann als Teil auch ein etwaiger Finanztransfer zwischen den teilnehmenden öffentlichen Auftraggebern gehören.

Ich denke, diese Protokollnotiz kann einen wichtigen Beitrag zur sachgerechten Ausführung des § 108 leisten. Im Übrigen erwarten wir im kommenden Jahr auch noch ein Urteil des EuGH, das hoffentlich weiteren Aufschluss geben wird.

Diese Ausführungen zur interkommunalen Zusammenarbeit machen klar, dass der Teufel wie so oft im Detail steckt. Hinzu kommt, dass wir bei der Novellierung des Vergaberechts eine Strukturreform vollziehen. Denn viele Details des Vergabeverfahrens im Oberschwellenbereich – und nur dafür ist ja der Bund zuständig – werden ihren Niederschlag in der Vergabeverordnung, der Sektorenverordnung, der Verordnung über die Vergabe in den Bereichen Verteidigung und Sicherheit sowie in der Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen finden. VOL und VOF wurden aufgegeben. Sie wurden zum Teil in das Gesetz integriert bzw. sollen in die erst im Entwurf vorliegende Verordnung integriert werden.

Dabei handelt es sich keineswegs nur um Verfahrensfragen, sondern durchaus auch um materielle Inhalte, wie unsere Diskussionen ergeben haben; denn, wie gesagt, wir betreten mit der jetzigen Struktur Neuland. Deshalb haben wir uns auch dazu entschieden – der Kollege Held hat schon darauf hingewiesen –, einen sogenannten Zustimmungsvorbehalt für die Verordnung im Gesetz zu verankern. Konkret haben wir es so geregelt, dass die Verordnung dem Bundestag nach der Verabschiedung im Kabinett zugeleitet werden muss und dass der Bundestag dann drei Sitzungswochen Zeit hat, darüber zu entscheiden, ob die vorgesehenen Änderungen eine Beschäftigung des Bundestages erforderlich machen. Wenn nicht, läuft das Verfahren wie üblich weiter.

Auch haben wir die Bundesregierung gebeten, uns nach drei Jahren einen aussagefähigen Bericht zuzuleiten, ob sich die neue Struktur bewährt hat und ob gegebenenfalls Änderungen vorgenommen werden müssen.

Unser Änderungsantrag enthält neben diesem Parlamentsvorbehalt eine weitere, entscheidende Änderung, mit der der Deutsche Bundestag einer Anregung des Bundesrats nachkommt – auch darauf hat der Kollege Held schon hingewiesen –: Bei der Vergabe von öffentlichen Aufträgen über Personenverkehrsleistungen im Eisenbahnverkehr ändern wir die Kannbestimmung des Regierungsentwurfs zur Übernahme von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, die beim bisherigen Betreiber beschäftigt waren, in eine Sollbestimmung. Dadurch werden den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern ausdrücklich die Rechte gewährt, auf die sie Anspruch hätten, wenn ein Übergang des Betreibers gemäß § 613 a BGB erfolgen würde.

Wir erreichen durch die von uns gefundene Regelung, dass in verantwortungsvoller Weise ein Gleichgewicht zwischen den Belangen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, dem Erhalt von Wettbewerb sowie effizienten Verkehrsdienstleistungen erhalten bleibt. Um dies gewährleisten zu können, haben wir festgehalten, dass die Übernahme auf diejenigen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer beschränkt sein soll, die für die Erbringung der übergehenden Verkehrsdienstleistungen unmittelbar erforderlich sind.

Außerdem – auch das möchte ich betonen – bleibt es grundsätzlich möglich, dass ein öffentlicher Auftraggeber von der Anordnung zum Personalübergang abweicht. Dafür müssen allerdings nachvollziehbare und vor allen Dingen justiziable Gründe vorliegen. Ein solcher Fall kann zum Beispiel darin liegen, dass der Zuschnitt des Personenverkehrsnetzes in Bezug auf Bedarf und Qualifikation ganz erheblich vom Status quo des Bestandsnetzes abweicht.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Novellierung des Vergaberechts ist ein wichtiger Schritt zu mehr Transparenz, weniger Bürokratie und mehr Anwenderfreundlichkeit. Wir geben den öffentlichen Auftraggebern in vielen Bereichen Rechtssicherheit, beispielsweise wenn sie im Sinne der Nachhaltigkeit mit Vorbildcharakter vorangehen wollen. Das Gesetz geht, wie ich bereits sagte, in die richtige Richtung. Aber vor allem in Bezug auf Transparenz, eine größere Anwenderfreundlichkeit und weniger Bürokratie geht sicherlich noch etwas mehr.

Wir vollziehen eine Strukturreform, aber keinen Systemwechsel; denn das Kaskadensystem bleibt bestehen. Teile der Verordnungen sind ins Gesetz gezogen worden. Aber bei Bauleistungen werden wesentliche Details weiter in der VOB, der Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen, geregelt. Ich hoffe, dass die nächste Novellierung des Vergaberechts den Systemwechsel dann vielleicht in Gänze vollziehen wird.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, enden möchte ich mit einem Punkt, den ich ebenfalls in der ersten Lesung angesprochen habe und auf den Kollege Held auch schon eingegangen ist. Wir haben in Deutschland 15 Länder-Vergabegesetze mit durchaus unterschiedlichen Regelungen. Bayern ist das einzige Bundesland, das kein eigenes Gesetz dazu hat; das glaubt man kaum.

(Marcus Held [SPD]: Jeder wie er will! – Dr. Matthias Bartke [SPD]: Seehofer entscheidet!)

Im Hinblick auf mehr Anwenderfreundlichkeit und weniger Bürokratie wäre es schön, irgendwann nur noch ein Vergabegesetz zu haben, an dem sich Bund und Länder gemeinsam orientieren, und zwar für die Vergabe im Oberschwellenbereich wie für die Vergabe im Unterschwellenbereich, die ja den Löwenanteil der öffentlichen Vergaben darstellt. Die zunehmende und vom EU-Recht auch geforderte elektronische Vergabe könnte hierfür einen Anreiz bieten. Dann hätte man statt 16 verschiedener Masken und Softwarelösungen nur noch eine einzige. Für die Anbieter gibt es nämlich keine Bundesländergrenzen.

Ich bedanke mich herzlich.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Vielen Dank, Frau Dr. Gundelach. – Nächste Rednerin in der Debatte: Katharina Dröge für Bündnis 90/Die Grünen.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/6304277
Wahlperiode 18
Sitzung 146
Tagesordnungspunkt Vergaberechtsmodernisierungsgesetz
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