17.12.2015 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 146 / Tagesordnungspunkt 10

Caren LayDIE LINKE - Stromsperren

Lade Interface ...
Anmelden oder Account anlegen






Frau Präsidentin! Sehr verehrte Damen und Herren! Richtig ist, dass wir zum wiederholten Male in diesem Hohen Hause über das Thema Stromsperren sprechen. Aber leider haben Sie unterschlagen, dass wir zum wiederholten Male auf Antrag der Linken über dieses Thema sprechen.

(Beifall bei der LINKEN – Dr. Joachim Pfeiffer [CDU/CSU]: Das macht es nicht besser!)

Alle Jahre wieder argumentieren Sie: Das ist ein populistischer Antrag. Was die Linken da vorschlagen, das geht ja gar nicht. – Da frage ich Sie: Wo ist denn Ihr Antrag? Legen Sie doch endlich einmal eigene Vorschläge auf den Tisch! Die sind bis jetzt ausgeblieben.

(Beifall bei der LINKEN – Dr. Joachim Pfeiffer [CDU/CSU]: Die sollen zahlen!)

Alle Jahre wieder erscheint auch der Monitoringbericht der Bundesregierung. Er enthält aber alles andere als eine frohe Botschaft. Die Zahl der Stromsperren ist nämlich auch in diesem Jahr wieder erheblich gestiegen. Vor drei Jahren waren noch 40 000 Haushalte weniger betroffen. Jetzt sind wir bei sage und schreibe 352 000 Haushalten in Deutschland, denen der Strom abgestellt wurde, sodass die Menschen buchstäblich im Dunkeln saßen.

Man muss sich einmal vorstellen, was das für diese Menschen ganz konkret bedeutet.

(Nicole Gohlke [DIE LINKE]: Allerdings! Ein bisschen Empathie wäre mal was!)

Das bedeutet nämlich, dass man sich keinen Tee und keine Suppe kochen kann, dass es in der Wohnung dunkel ist, wenn man um diese Uhrzeit nach Hause kommt. All das, was wir für normal halten, nämlich fernsehen, den Rechner anstellen und das Handy aufladen, geht nicht.

(Andreas G. Lämmel [CDU/CSU]: Ja, wenn kein Strom das ist, geht das nicht!)

Wir als Linke sagen: Das ist eine soziale Katastrophe. Hier können wir nicht länger tatenlos zusehen.

(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. Joachim Pfeiffer [CDU/CSU]: Die sollen mal zahlen! Dann haben sie Strom!)

– Auch Sie sollten dieses Thema einmal ernst nehmen und sich Ihre zynischen Kommentare an dieser Stelle sparen. Wir können gerne darüber sprechen, wer das Geld geben soll und welche energiepolitischen Entscheidungen wir an anderer Stelle hier getroffen haben. Ich lade Sie sehr gerne dazu ein, mit mir darüber zu diskutieren.

Wir haben in der Tat steigende Strompreise. Das ist für arme Leute ein Problem, weil die Löhne nicht im gleichen Umfang gestiegen sind. Zwischen 2000 und 2013 hat sich der Strompreis für Privatkunden verdoppelt. Aber die Löhne sind nicht im gleichen Maße gestiegen. Deswegen gibt es hier objektiv ein Problem. Das sollten Sie einmal anerkennen.

(Beifall bei der LINKEN)

Dies gilt wohlgemerkt für Privathaushalte. Für die Industrie sieht das völlig anders aus. Die Regierung und auch die Große Koalition waren sehr großzügig und haben kreative Lösungen gefunden, um den Anstieg der Strompreise für die energieintensive Industrie zu minimieren. Sie haben die tolle Lösung gefunden, dass wir, die anderen Stromkunden, und wir, die Steuerzahler, diese Rabatte für die energieintensive Industrie mitbezahlen. Aber wenn es um arme Leute geht, dann sagen Sie, es sei kein Geld da. Entschuldigung, das finde ich völlig absurd.

(Beifall bei der LINKEN – Marcus Held [SPD]: Das ist auch eine Sozialleistung, damit die Arbeitsplätze erhalten bleiben!)

Stromsperren sind ein Zeichen dafür, dass wir es mit Energiearmut zu tun haben. Wenn man die gängige Definition anlegt, sind fast 7 Millionen Haushalte in Deutschland betroffen. Wenn man davon ausgeht, dass einem Haushalt im Durchschnitt zwei bis drei Personen angehören, dann liegen wir schon bei 14 bis 21 Millionen betroffenen Menschen in Deutschland. Das ist eine hohe Zahl. Ich würde sie selbst kaum glauben, wenn es nicht die Zahl der Bundesregierung wäre.

Auch die Schuldnerberatungsstellen bestätigen diesen Trend. 2006 kam nur jeder Zehnte in die Schuldnerberatungsstellen, um sich wegen Energieschulden beraten zu lassen. Heute ist es schon jeder Dritte. Die Energieschulden, die Menschen zu tragen haben, sind deutlich angestiegen.

Ministerin Hendricks hatte hier beispielsweise angekündigt, dass der Heizkostenzuschuss im ALG II wieder vollständig eingeführt werden sollte. Die Union hat ihr leider einen Strich durch die Rechnung gemacht. Das wäre mal ein guter Vorschlag gewesen.

(Beifall bei der LINKEN)

Stromsperren sind eine soziale Katastrophe. Wir als Linke fordern deswegen ganz konsequent: Stromsperren müssen verboten werden.

(Beifall bei der LINKEN)

Obwohl es in anderen europäischen Ländern geht, behaupten Sie, das sei nicht umsetzbar. Warum ist es in Belgien und in Frankreich zumindest im Winter verboten, den Strom abzustellen? Die Bundesregierung hat noch nicht einmal die Richtlinie der Europäischen Union richtig umgesetzt, die nämlich bestimmte Personengruppen vor einer Abklemmung schützt. Auch auf diese Umsetzung warten wir in Deutschland seit vielen Jahren. Dafür fehlt mir, ehrlich gesagt, jedes Verständnis.

(Beifall bei der LINKEN)

Meine Damen und Herren, die Versorgung mit Energie ist für uns als Linke ein Grundrecht, das wir besser schützen müssen.

(Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Richtig!)

Viele von uns werden in den nächsten Tagen, am Heiligen Abend in erleuchteten Stuben sitzen, andere nicht. Sie sitzen im Dunkeln. Machen Sie doch diesen armen Menschen wenigstens ein Weihnachtsgeschenk, und stimmen Sie heute unserem Antrag zu.

Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

Danke, Frau Kollegin Lay. – Der nächste Redner in der Debatte ist Jens Koeppen für die CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Sabine Poschmann [SPD])


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/6304468
Wahlperiode 18
Sitzung 146
Tagesordnungspunkt Stromsperren
00:00
00:00
00:00
00:00
Keine
Automatisch erkannte Entitäten beta