17.12.2015 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 146 / Tagesordnungspunkt 10

Jens KoeppenCDU/CSU - Stromsperren

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Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist Weihnachtszeit, und alle Jahre wieder kommt nicht nur das Christuskind, sondern auch dieser Antrag.

(Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie verhindern nur Ihren eigenen Antrag! – Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Machen Sie doch selber mal was! – Caren Lay [DIE LINKE]: Wo ist Ihr Antrag! Sie haben nichts gebracht!)

Ich glaube, wir haben diesen Antrag schon fünfmal hier im Plenum behandelt – in der vergangenen Legislaturperiode zweimal, dieses Jahr schon einmal –, wir haben in den Ausschüssen darüber gesprochen.

(Caren Lay [DIE LINKE]: Sie haben nichts gebracht!)

Man sieht doch Ihre Hilflosigkeit,

(Caren Lay [DIE LINKE]: Es ist doch Ihre Hilflosigkeit! Sie haben nichts gemacht!)

Ihre Einfallslosigkeit,

(Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ihnen fällt überhaupt nichts ein!)

dass Sie diese olle Kamelle immer wieder bringen.

(Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was fällt Ihnen denn dazu ein?)

Ich bin es leid und verstehe es auch, ehrlich gesagt, gar nicht. Sie haben so wenig Redezeit – das beklagen Sie immer –, und dann kommen Sie immer mit dieser ollen Kamelle und bringen diesen Antrag immer wieder ein.

(Caren Lay [DIE LINKE]: Ich kann nicht verstehen, dass Sie nicht verstehen wollen! – Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Weil Sie nichts tun!)

Das ist für mich unverständlich.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Dann muss ich sagen: Dass das eine kommunistische oder eine sozialistische Partei macht, kann ich ja noch verstehen. Aber dafür, dass die Grünen bei so einem Unfug als selbsternannte Bürgerrechtspartei mit aufspringen, fehlt mir jedes Verständnis.

(Beifall bei der CDU/CSU – Caren Lay [DIE LINKE]: Wenn es um die Rechte der Wirtschaft geht, sind Sie aber mit dabei! – Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Für Sie ist das kein Problem! Finden Sie, dass das kein Problem ist?)

Ich muss auch sagen: Den Antrag „Stromsperren gesetzlich verbieten“

(Sabine Leidig [DIE LINKE]: Alles Kommunisten!)

müsste man verbieten. Aber das können wir ja leider nicht machen, sonst hätten wir das schon gemacht.

(Beifall der Abg. Barbara Lanzinger [CDU/CSU] – Widerspruch bei der LINKEN)

Meine Damen und Herren, wer ist denn eigentlich von solchen Stromsperren betroffen? Betroffen sind Menschen, die aus verschiedenen Gründen nicht bezahlen können.

(Dr. Joachim Pfeiffer [CDU/CSU]: Oder wollen!)

– Es sind auch manche darunter, die nicht bezahlen wollen. – Es sind einige darunter, die mit der Situation überfordert sind. Es gibt laut Studien auch einige psychisch Kranke, die nicht mit der Situation umzugehen wissen. Aber warum zähle ich das auf? Für diese Menschen gibt es ganz viele – ich komme nachher noch im Einzelnen dazu – Sozialleistungen in unserem Sozialstaat. Da geht es nicht darum, irgendetwas gesetzlich zu verbieten. Was Sie wollen, ist nichts anderes, als unter dem Verweis auf die Daseinsvorsorge in das Eigentum einzugreifen.

(Sabine Leidig [DIE LINKE]: Genau! – Caren Lay [DIE LINKE]: Das tun Sie auch zugunsten der Wirtschaft!)

Meine Damen und Herren, jeder, der eine Dienstleistung erbringt, jeder, der ein Produkt herstellt und einen Vertrag mit einem Kunden eingeht, hat das Recht auf Bezahlung und den Schutz des Rechtsstaates. Das wollen Sie angreifen. Das ist mit uns überhaupt nicht zu machen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Sie müssen das Ganze auch zu Ende denken.

(Dr. Joachim Pfeiffer [CDU/CSU]: Das ist eine schwere Sache!)

Das fällt Ihnen ja schwer, ich weiß. Aber wenn Sie das wirklich durchsetzen würden, würde das ja nicht nur die vier bösen großen Energieversorger betreffen, sondern auch Stadtwerke. Wenn man noch weiter denkt, würde eine solche gesetzliche Festlegung zum Beispiel auch dazu führen, dass jemand, der bei einem Dienstleister im Internet eine Leistung bestellt, nicht dazu verpflichtet ist, diese zu bezahlen, oder dass jemand, der in einen Laden geht, sich Mantel, Mütze, Schal und Hose nimmt und sagt: „Es ist kalt draußen. Das ist Daseinsvorsorge“, rausgehen könnte, ohne zu bezahlen,

(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ach, Herr Koeppen!)

und der Inhaber des Ladens überhaupt nicht die Möglichkeit hätte, das zu verhindern. Ich meine, das ist völlig

(Dr. Joachim Pfeiffer [CDU/CSU]: Abwegig!)

unlogisch, abwegig, absurd.

(Caren Lay [DIE LINKE]: Darum geht es doch auch nicht! Es geht um ein Grundrecht!)

Das ist doch auch ein Anreiz für andere, sich unmoralisch zu verhalten. Denn überlegen Sie mal, was passieren würde, wenn jeder rational denkende Mensch sagen würde: Wenn das unter dem Deckmantel der Daseinsvorsorge geht, dann brauche ich ja nicht mehr zu bezahlen, dann ist alles gut. – Das wäre doch völlig absurd.

Ich will Ihnen noch etwas sagen. Sie haben gerade von sozialer Katastrophe in Deutschland gesprochen. Ich darf Ihnen mal die soziale Katastrophe deklinieren. Wir haben 42 Prozent der Mittel im Bundeshaushalt 2014 für Sozialleistungen ausgegeben.

(Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das kommt bei den Leuten nicht an! 16 Prozent Armut in Deutschland! 7,5 Millionen Menschen beziehen Grundsicherungsleistungen! Machen Sie doch mal die Augen auf! – Karin Binder [DIE LINKE]: Das ist eine Grundaufgabe des Staates! – Abg. Sabine Leidig [DIE LINKE] meldet sich zu einer Zwischenfrage)

– Keine Zwischenfragen; ich will das nicht noch verlängern. – Das sind 122 Milliarden Euro. Wir sehen die Grundsicherung im SGB II vor. Da gibt es einen Regelsatz von rund 400 Euro.

(Manfred Grund [CDU/CSU]: Armut ist was anderes!)

Darin sind 30 Euro Stromkosten eingerechnet.

(Andreas G. Lämmel [CDU/CSU]: Genau!)

Dann – das muss ich dazusagen – gibt es die Kosten der Unterkunft obendrauf. Darin sind Heizkosten, Warmwasser eingerechnet.

(Andreas G. Lämmel [CDU/CSU]: Genau!)

Irgendjemand hatte gesagt: Man kann Kühlschränke, Waschmaschinen und Fernsehapparate bestellen, wenn man sozial schwach ist.

(Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was ist das für ein Geschwätz? – Marcus Held [SPD]: Das habe ich nicht gesagt!)

Die Krankenversicherung ist darin enthalten. Bildung und Teilhabe sind mit drin.

(Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das ist Schwachsinn!)

– Das ist kein Schwachsinn. Das sind Realitäten in Deutschland: 122 Milliarden Euro. Dazu kommen noch die Eingliederungsleistungen. Da reden Sie von Armut per Gesetz.

(Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was ist denn das für eine unterirdische Rede? Sagen Sie mal was zum Thema!)

Sie müssen in der Weihnachtszeit einmal gucken, ob Sie noch alle Nadeln an der Weihnachtstanne haben. Es ist völlig absurd, was Sie sagen.

(Beifall bei der CDU/CSU – Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sagen Sie doch einmal etwas zum Thema! – Sabine Leidig [DIE LINKE]: Sie leben in anderen Welten! – Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wo sind Ihre Vorschläge?)

Niemand muss in Deutschland im Dunkeln sitzen. Jeder hat das Recht auf Sozialleistungen.

(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was sind denn Ihre Vorschläge? Was sind denn Ihre Antworten für die 300 000?)

– Sie brauchen gar nicht so zu krähen, Sie sind doch noch dran.

(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was ist denn Ihre Antwort?)

Meine Damen und Herren, es ist natürlich klar, dass Sozialleistungen eine Holpflicht sind. Es muss also wirklich jemand aktiv werden, um diese Leistungen des Sozialstaates zu beantragen. Ich finde das völlig gerechtfertigt.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein, es ist ein Grundrecht, Herr Koeppen! Grundrechte sind keine Holpflicht! – Karin Binder [DIE LINKE]: Aber Sie überfordern manche Menschen!)

Jetzt komme ich zu den Stromsperren. Sie schreiben in Ihrem Antrag, Stromsperren seien gesetzlich überhaupt nicht geregelt. Das ist natürlich völlig absurd; denn die Rechtsgrundlage – das wurde schon gesagt – ist § 19 der Stromgrundversorgungsverordnung.

(Sabine Leidig [DIE LINKE]: Das ist leider wahr!)

Dort gibt es vier wesentliche Voraussetzungen.

Erstens. Man muss einen Zahlungsverzug von mindestens 100 Euro haben, damit eine Stromsperre überhaupt verhängt werden kann. Ansonsten darf das Energieversorgungsunternehmen gar nicht aktiv werden.

Zweitens. Die Verhältnismäßigkeit muss gegeben sein. Jeder Kranke, jede Familie mit Kindern, jede schwache Familie ist erst einmal per se ausgenommen, wenn beim Sozialamt entsprechende Nachweise vorgelegt wurden.

Drittens. Wenn eine absehbare Einigung oder eine Zahlungsabsicht vorhanden ist, dann wird auch nicht abgesperrt. Auch die Sperrandrohung – darüber wurde schon gesprochen – muss mindestens vier Wochen vorher schriftlich beim Kunden, also dem Vertragspartner, eingehen.

Viertens. Eine weitere Ankündigung der Sperrung mit dem konkreten Datum muss beim Kunden schriftlich eingehen.

Das sind ganz konkrete rechtliche Regelungen.

Was ist weiterhin noch möglich? Es wird immer mehr draufgesattelt. Irgendwann muss es auch einmal gut sein; denn die Menschen, die Strom abnehmen, müssen den Strom selbstverständlich bezahlen.

(Sabine Leidig [DIE LINKE]: Außer die Industrie!)

Was wollen Sie denn den Menschen, den Steuerzahlern, erklären, die arbeiten, ihre Leistungen erbringen und ihre Steuern zahlen? Es ist doch völlig absurd, wenn andere den Strom nicht mehr zu bezahlen bräuchten.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Was gibt es für eine weitere Unterstützung? Es gibt Unterstützung vom Jobcenter, indem Darlehen gegeben werden. Kein Energieversorger hat irgendein Interesse daran, den Strom zu sperren. Auf ihren Internetseiten haben die Energieversorger Beratungsangebote aufgeführt, die dabei helfen, aus der Situation herauszukommen, beispielsweise kann man eine Teilzahlung vereinbaren. Es gibt auch zwischen dem Energieversorger und dem Jobcenter ein Frühwarnsystem. Wenn man weiß, dass Familien in kritischen Situationen sind, gibt es ein Frühwarnsystem, damit der Energieversorger den Strom nicht abschaltet. Sowohl das Jobcenter als auch die Energieversorger sind daran interessiert, Stromsperren abzuwehren.

Es wurde bereits darauf hingewiesen, dass es möglich ist, einen Prepaidzähler einzubauen. Das ist eine gute Maßnahme, damit kann man versuchen, Planbarkeit zu schaffen. Man kann lernen, mit einem Budget umzugehen. Man kann die Kontrolle über den Stromverbrauch wiedergewinnen. Die Leute lernen, mit dem Geld, das zur Verfügung steht – ich habe aufgezählt, was sie alles haben, auch wenn sie selbst nichts verdienen –, zu haushalten.

Also, es muss keine Stromsperren geben, auch heute nicht. Es gibt Hilfe zur Selbsthilfe. Das, was Sie machen, ist völlige Effekthascherei. Es gibt in Deutschland eine große starke Solidarität mit den Schwachen. Das, was Sie machen, ist purer Populismus.

(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die Rede können Sie ja mal in der Kirche zu Weihnachten halten!)

Da es um Strom geht, muss ich Ihnen sagen, Frau Künast, dass Ihr Antrag und der von den Linken reine Energieverschwendung sind.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Vielen Dank, Jens Koeppen. – Das Wort zu einer Kurzintervention hat Sabine Leidig.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/6304469
Wahlperiode 18
Sitzung 146
Tagesordnungspunkt Stromsperren
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