Barbara LanzingerCDU/CSU - Stromsperren
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Ihre Anträge wiederholen sich regelmäßig.
(Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Ja! So lange, bis sie umgesetzt sind! Das ist doch logisch!)
Aber solange Sie immer wieder das Falsche wiederholen, sagen wir Ihnen ganz deutlich: Ihr Antrag ist weiterhin inhaltlich falsch, und daher werden wir ihn ablehnen.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Ich erläutere Ihnen gerne noch einmal, warum. Sie sprechen in Ihrem Antrag wieder von einer „stillen sozialen Katastrophe stromloser Haushalte“. Das hört sich fürchterlich an,
(Karin Binder [DIE LINKE]: Ist es auch!)
so, als ob mehr als der Hälfte der Haushalte in Deutschland ständig der Strom abgestellt werden würde.
(Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nicht der Hälfte, aber 350 000!)
Lassen wir doch die Kirche im Dorf. Sie kennen die Zahlen; auch von meinen Vorrednern wurden sie schon erwähnt. Laut Monitoringbericht der Bundesnetzagentur aus 2014 gibt es einen leichten Anstieg von 23 000 Haushalten auf circa 345 000, denen der Strom gesperrt wurde. Das klingt zunächst nach viel.
(Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das sind auch viele!)
Aber ins richtige Verhältnis gesetzt zeigen die Zahlen, dass bei 40 Millionen Haushalten, die wir in Deutschland haben, gerade mal 0,8 Prozent der Haushalte von Stromsperren betroffen sind. Ich denke, das muss man festhalten.
(Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das sind nur 0,0002 Prozent der Weltbevölkerung!)
Warum Sie da von einer stillen Katastrophe stromloser Haushalte sprechen, ist mir schleierhaft. Es sollte immer um das richtige Maß gehen, auch bei der Wortwahl. Fakt ist: Wir alle wissen nicht, warum der Strom gesperrt wird. Fakt ist auch, dass selbst bei rund 4 Millionen Leistungsempfängern die Stromsperren lediglich 9 Prozent ausmachen. Ich gebe Ihnen in einem recht: Jeder ist immer einer zu viel.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
– Endlich mal ein Beifall von den Grünen.
(Heiterkeit bei der CDU/CSU – Marcus Held [SPD]: Aber nur, weil Weihnachten ist!)
Aber daraus zu schließen, dass wir in Deutschland eine Energiearmut haben, halte ich für sehr überzogen.
(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Für die Betroffenen aber schon!)
Stromlieferverträge sind ganz normale schuldrechtliche Vertragsverhältnisse; das alles wurde schon ausgeführt. Es ist im BGB geregelt. Dazu gehören mehrere Mahnungen und eine Androhungsfrist von mindestens vier Wochen. Ich wiederhole das jetzt nicht alles noch einmal. Es ist wirklich sichergestellt, dass jedem Bürger ausreichend Zeit bleibt, um die Sozialhilfeträger um eine Kostenübernahme zu bitten und damit die Liefersperre abzuwenden. Um soziale Härten zu vermeiden, besteht für sozial schwache Kunden sogar die Möglichkeit, die Kosten der Stromlieferung im Rahmen der Grundsicherung abzudecken.
Ich gebe Ihnen in einem recht: Sie haben vorhin den Vorschlag gemacht, darüber nachzudenken, ob es nicht sinnvoll wäre, die Stromkosten bei den Leistungen herauszurechnen und direkt zu überweisen.
(Beifall des Abg. Marcus Held [SPD])
Aber darüber müssen wir nicht hier diskutieren, sondern im Ausschuss.
(Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Guter Vorschlag!)
Der Vorschlag ist sicherlich richtig; denn die Menschen können mit ihrem Geld manchmal nicht wirklich richtig haushalten und umgehen.
Stromsperren sind die Ultima Ratio der möglichen Maßnahmen bei zahlungsunwilligen Kunden – auch diese gibt es – oder bei Kunden, die nicht zahlen können. Aber jeder Bürger, der sich in einer sozialen Notlage befindet, hat die Möglichkeit, eine Liefersperre zu verhindern. Ich möchte Ihnen aus meiner Praxis berichten – ich habe einen richtigen Beruf gelernt: ich bin von Beruf Sozialpädagogin –: Ich habe früher im Rahmen der offenen Arbeit viel mit solchen Menschen zu tun gehabt. Ich kann mich gut erinnern, wie mich meistens am Freitagnachmittag Mütter mit kleinen Kindern angerufen haben: Frau Lanzinger, mir wird der Strom gesperrt, ich habe die Rechnung nicht bezahlt. Helfen Sie mir bitte, dass der Strom weiter geliefert wird. – Meistens ist mir das auch gelungen, eigentlich immer.
Es ist sehr wichtig, mit den Menschen zu reden: Wie kann man das verhindern? Wie kann man Vorsorge betreiben?
(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Darum geht es!)
Wie kann ich die davon überzeugen, zu sparen? Natürlich geht es auch darum. Ich denke, es ist wichtig, dass es eine soziale Unterstützung gibt, um die Menschen entsprechend zu begleiten.
Ein völliges Verbot von Stromsperren würde einseitig zulasten der meist kommunalen Energieversorger und der anderen Kunden gehen. Wenn Stromsperren gesetzlich verboten würden, wo läge dann überhaupt noch der Anreiz, die Rechnungen zu bezahlen? Grundsätzlich zu sagen: „Strom gibt es bis zu einem bestimmten Maß für alle; dafür braucht man nicht zu bezahlen“, das kann man nicht machen. Das geht nicht.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Wer würde dann noch seine Rechnungen bezahlen? Wo wäre dann überhaupt der Anreiz, die Rechnungen zu bezahlen? Man kann nicht einfach sagen: „Ich zahle irgendwann, wenn es mir passt“, und man kann nicht einfach sagen: Stromsperren werden gesetzlich verboten. – Das geht nicht.
Ich sage auch ganz bewusst: Wir können unsere Rechtsstaatlichkeit nicht einfach so mal außer Kraft setzen, weil 0,8 Prozent der Haushalte ihre Stromrechnungen nicht bezahlen können. Es ist nicht gemeinwirtschaftlich, wie Sie schreiben, die Kosten einer Minderheit auf die Mehrheit der Bevölkerung abzuwälzen. Mit Ihren Klassenkampfparolen – das sage ich ganz bewusst – helfen Sie den Menschen definitiv nicht weiter.
(Widerspruch bei der LINKEN)
Zahlende Bürger können die nichtzahlenden Bürger nicht mitfinanzieren. Das geht nicht, auf jeden Fall nicht mit uns.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Im Übrigen gibt es eine interessante Antwort der Bundesregierung vom 4. Dezember 2015 auf eine Anfrage der Grünen zu diesem Thema. Darin steht – ich zitiere jetzt daraus, allerdings nicht alles –:
Die Bundesregierung ist der Auffassung, dass der pauschalierte Regelbedarf insgesamt so ausreichend bemessen ist, dass ... aus ihm auch die als regelbedarfsrelevant anerkannten Bedarfe für Energie gedeckt werden können. Anhaltspunkte dafür, dass ... insgesamt die Gefahr von Bedarfsunterdeckungen bestand, liegen nicht vor.
Weiter heißt es, dass es bei Strom zuletzt keine deutlichen Preissteigerungen gegeben habe. Die Strompreise für Haushaltskunden lägen 2015 etwa auf dem Niveau des Jahres 2013. Daher bestehe kein aktueller Handlungsbedarf, so die Bundesregierung.
(Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber vorher gab es massive Steigerungen!)
Das zeigt wieder einmal, dass alle Ihre energiewirtschaftlichen Forderungen einer Verstaatlichung der Energieversorgung durch die Hintertür gleichkommen. Das wollen wir nicht, und das werden wir nicht unterstützen.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Ich halte es durchaus für richtig – auch das wurde schon angeregt –, dass wir über Prepaid-Tarife, Smart Grids und Smart Meter Überprüfungen durchführen und eine gewisse Vorsorge betreiben können. Aber ich möchte zum Schluss ganz deutlich sagen: Wir müssen bei allen Diskussionen auch unsere Einstellung insgesamt zu Strom, Energie und Energieverbrauch konsequent in den Blick nehmen und sie überdenken, auch was die Stromeinsparung betrifft. Wir müssen uns das Gut Strom und das Gut Energie bewusst machen und lernen, es richtig zu gebrauchen.
Wir werden Ihren Antrag ablehnen.
Danke schön fürs Zuhören.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/6304508 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 146 |
Tagesordnungspunkt | Stromsperren |