Ulla Schmidt - Patientensicherheit bei Medizinprodukten
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste! Kernanliegen der Bundesregierung ist es, die Sicherheit und Leistungsfähigkeit von Medizinprodukten sicherzustellen und weiter zu erhöhen. Wenn man allerdings Ihren Antrag, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen von Bündnis 90/Die Grünen, zu den derzeit laufenden Trilogverhandlungen liest, dann gewinnt man den Eindruck, dass das Patientenwohl durch mangelhafte Medizinprodukte bei uns im höchsten Maße gefährdet ist.
(Harald Weinberg [DIE LINKE]: Oh ja! Da gebe ich Ihnen nachher gerne ein paar Beispiele! – Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da gibt es aber leider viele Beispiele!)
Das Gegenteil ist der Fall. Das Patientenwohl hat für uns oberste Priorität. Das war so, das ist so, und das Patientenwohl wird auch in Zukunft immer der Dreh- und Angelpunkt unseres Handelns sein.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Folgen Sie ganz einfach unserem Antrag! – Kordula Schulz-Asche [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann kann es gar kein Problem sein!)
Ein Skandal wie bei den Brustimplantaten der französischen Firma PIP darf sich nicht wiederholen.
(Harald Weinberg [DIE LINKE]: Hat sich schon!)
Damals wurde mit Vorsatz billiges Industriesilikon anstelle von medizinischem Silikon eingesetzt. Dieser Skandal war für die Politik Anlass zu einer Bestandsaufnahme, ob und inwieweit die Regeln zum Marktzugang und zur Marktüberwachung im Bereich der Medizinprodukte ausreichen, um die Patientensicherheit zu gewährleisten. Um die Sicherheit und Leistungsfähigkeit von Medizinprodukten sicherzustellen bzw. zu erhöhen, braucht es aus unserer Sicht erstens eindeutige und hohe Anforderungen an die Organisation, Ausstattung und Expertise sowie die Benennung und Überwachung der Benannten Stellen, zweitens die Schaffung von spezifischen Sicherheits- und Leistungsanforderungen an Produkte sowie produktspezifische Anforderungen an deren klinische Prüfung und Bewertung und drittens koordinierte und einheitliche Marktüberwachung durch die Behörden der Mitgliedstaaten.
(Maria Michalk [CDU/CSU]: So ist es!)
Dieser Dreiklang stellt sicher, dass die Qualität der zugelassenen Medizinprodukte gewährleistet ist und dass die Patientinnen und Patienten möglichst zeitnah die Vorteile innovativer Medizinprodukte nutzen können.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Martina Stamm-Fibich [SPD])
Denn wir wollen nicht, dass bei allen Anstrengungen für das Optimale bei der Patientensicherheit der Zugang für innovative Medizinprodukte zum Markt durch Überregulierung verstellt wird.
(Maria Michalk [CDU/CSU]: Das ist wahr!)
Vor diesem Hintergrund unterstützt die Bundesregierung die vom Rat beschlossene allgemeine Ausrichtung in wichtigen Fragen. Es ist zu begrüßen, dass konkrete und stark erhöhte Anforderungen an die Benannten Stellen, in Deutschland beispielsweise an den DEKRA, gerichtet werden. Ebenso ist es richtig, die Benennung und Überwachung durch die Mitgliedstaaten zu vereinheitlichen, um das qualitative Gefälle zwischen den Mitgliedstaaten gerade mit Blick auf die in der EU geltende Warenverkehrsfreiheit zu beseitigen.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Martina Stamm-Fibich [SPD])
Dies ist notwendige Voraussetzung für die Sicherstellung einer einheitlichen Marktzulassung nach europaweit einheitlichen Kriterien.
Der Behauptung in Ihrem Antrag, dass es für Hochrisiko-Produkte neben den Benannten Stellen zusätzlich besonders ausgestatteter „Besonderer Benannter Stellen“ bedürfe, um eine angemessene Risikobewertung vornehmen zu können, muss ich widersprechen. Ihre Forderung nach der Schaffung einer zusätzlichen Benennungs- und Überwachungsinfrastruktur, meine Damen und Herren vom Bündnis 90/Die Grünen, wäre mit erheblichen Kosten verbunden, die nicht automatisch eine Verbesserung bei der Patientensicherheit zur Folge haben. Sinnvoller ist es stattdessen, die vorgesehenen Anforderungsverschärfungen im bestehenden System vorzunehmen, so wie es der Rat vorsieht. Es geht um die Frage, wie wir die Benennung, Überwachung und Arbeitsweise effizienter und einheitlicher gestalten können. Das System der Benannten Stellen braucht keine Parallelstrukturen. Stattdessen gilt es, so wie vom Rat beschlossen und von der Bundesregierung unterstützt, die Anforderungen genauer zu definieren und anzuheben sowie klare Vorgaben zur Ausstattung der Benannten Stellen zu machen.
(Kordula Schulz-Asche [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das heißt, Sie sind gar nicht mehr kompromissfähig bei den Trilogverhandlungen, oder was?)
Im Übrigen lehnt auch die in Deutschland für die Benennung und Überwachung von Benannten Stellen zuständige ZLG, die Zentralstelle der Länder für Gesundheitsschutz bei Arzneimittel- und Medizinprodukten, die Schaffung von Parallelstrukturen ab. Warum sollten wir sie also haben?
Auch bei der Vereinbarung für verbesserte klinische Bewertungen und klinische Prüfungen von Medizinprodukten, insbesondere Implantaten und Hochrisiko-Produkten der Klasse III, geht der Rat aus unserer Sicht den richtigen Weg.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Auch das IQWiG fordert in Zukunft vor Marktzugang und Erstattung bessere Studien zu Medizinprodukten je nach Gefährdungspotenzial, Innovationsgrad und behauptetem Nutzen bzw. gefordertem Preis. Wir sehen hierin eine wichtige Stellschraube. Ihre Forderung im Antrag, eine ergänzende Bewertung durch eine Expertenkommission für alle Produkte der Risikoklasse III und II b verpflichtend vorzusehen, also das sogenannte Scrutiny-Verfahren quasi flächendeckend einzuführen, bringt kein Mehr an Patientensicherheit. In der Realität bedeuten derartige Maßnahmen zusätzliche Kontrollverfahren, teure und aufwendige Doppelprüfungen und damit unnötige Bürokratie.
(Beifall bei der CDU/CSU – Harald Weinberg [DIE LINKE]: Warum machen die USA das dann? – Martina Stamm-Fibich [SPD], an den Abg. Harald Weinberg [DIE LINKE] gewandt: Jetzt hör du auf mit den USA!)
Durch dieses Verfahren der Doppelprüfung verlangsamen Sie lediglich den schnellen Zugang zu innovativen Medizinprodukten, ohne zusätzliche Patientensicherheit zu erreichen. Aus unserer Sicht gibt es in diesem Bereich bessere Möglichkeiten.
Ein gutes Beispiel für effektive Maßnahmen zur Sicherung der Qualität von Implantaten ist die Einführung des Implantatepasses.
(Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Haben Sie übrigens in der letzten Wahlperiode alles abgelehnt!)
Mit der Einführung haben wir die Nachverfolgbarkeit von Implantationen sichergestellt.
Heute erhalten alle Patientinnen und Patienten, denen zum Beispiel Herzklappen, Hüft- oder Kniegelenke oder auch Brustimplantate implantiert werden, eine Patienteninformation, die die für die Sicherheit des Patienten notwendigen Verhaltensanweisungen enthält, und einen Implantatepass, der unter anderem die Bezeichnung, Art und Typ sowie die Seriennummer des Implantats enthält. Dadurch ist gewährleistet, dass die Patienten selber, etwa bei entsprechenden öffentlichen Warnungen, leicht kontrollieren können, ob ihr Implantat betroffen ist oder nicht.
(Beifall bei der CDU/CSU – Maria Michalk [CDU/CSU]: Das ist die bessere Regelung!)
Zusätzlich werden die Gesundheitseinrichtungen, in denen Implantate implantiert werden, verpflichtet, mittels einer Dokumentation die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass die Patientinnen und Patienten zum Beispiel im Falle von Rückrufen von Produkten binnen dreier Werktage ermittelt werden können.
Im Rahmen Ihres Antrages greifen Sie zudem die Forderung des Europäischen Parlaments nach einer verpflichtenden Produkthaftpflichtversicherung auf. Diese soll „mit ausreichender Deckung für alle Hochrisiko-Medizinprodukte und alle Implantate“ gelten. Ich lasse einmal dahingestellt, ob letztlich eine verpflichtende Produkthaftpflichtversicherung kommen wird. Es ist ja schon fraglich, ob es mit Blick auf die aus der Forderung resultierende Verteuerung von Medizinprodukten im Interesse der Patienten ist, diese verpflichtend einzuführen; denn, wie Sie sich vielleicht erinnern können, in der Anhörung des Bundestages im Jahr 2012 konnte kein einziger Fall geschildert werden, in dem eine fehlende Haftpflichtversicherung die Ursache für Probleme bei der Durchsetzung von titulierten Schadensersatzansprüchen von geschädigten Patienten gewesen ist.
(Maria Michalk [CDU/CSU]: So ist es!)
Zudem ist die Versicherung auf freiwilliger Basis bereits heute Marktstandard. Die Forderung des Europäischen Parlaments knüpft übrigens nicht an die Erfordernisse des Produkthaftungsrechts an. Die Versicherungspflicht, so wie das Europäische Parlament sie formuliert hat, würde wegen ihrer Undifferenziertheit höhere Prämien zur Folge haben, also die Medizinprodukte lediglich verteuern. Gut gemeint ist eben noch nicht gut gemacht.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Martina Stamm-Fibich [SPD])
Ich sage Ihnen: Die beste Versicherung gegen fehlerhafte oder minderwertige Medizinprodukte ist ein effektives Zulassungsverfahren.
Meine Damen und Herren, das Zulassungsverfahren für Medizinprodukte braucht keinen Systemwechsel. Es ist ausreichend, im bestehenden System die Stellschrauben nachzujustieren, um die Zulassungs- und Kontrollmechanismen noch effizienter zu machen und die Patientensicherheit auf diese Weise weiter zu stärken.
Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)
Vielen Dank. – Als Nächstes hat der Kollege Harald Weinberg, Fraktion Die Linke, das Wort.
(Beifall bei der LINKEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/6304709 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 146 |
Tagesordnungspunkt | Patientensicherheit bei Medizinprodukten |