Simone RaatzSPD - Wissenschaftszeitvertragsgesetz
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Frau Gohlke, Ihnen möchte ich empfehlen, den Gesetzentwurf einmal zu lesen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Nicole Gohlke [DIE LINKE]: Empfehlen Sie das den Gewerkschaften auch?)
Das wäre eine gute Voraussetzung, um hier mitzureden. Ich finde es erstaunlich, wie Sie alles immer voraussehen.
(Widerspruch bei Abgeordneten der LINKEN)
Schauen Sie sich einmal die Pressemitteilung von Herrn Dr. Keller von der GEW an, der ganz klar gesagt hat, das sei ein guter Gesetzentwurf und er könne damit gut leben. – Ich denke, wenn Herr Dr. Keller das sagt, dann kann das, was wir hier gemeinsam auf den Tisch gelegt haben, nicht ganz falsch sein.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Heute vor knapp anderthalb Jahren haben wir in diesem Haus wichtige Entscheidungen für den Bereich Bildung und Forschung getroffen und die Umsetzung gemeinsam auf den Weg gebracht. Ich möchte die Aufhebung des Kooperationsverbotes für den Wissenschaftsbereich erwähnen. Damit haben wir den Weg für die dauerhafte Förderung unserer Hochschulen frei gemacht.
Zur gleichen Zeit fiel insbesondere auf Drängen meiner Kollegen René Röspel und Swen Schulz die Entscheidung, die Mittel für die Friedens- und Konfliktforschung zu erhöhen. Schließlich, liebe Kolleginnen und Kollegen, wurde vor anderthalb Jahren der Anstoß für die heute zur Abstimmung stehende Novellierung des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes gegeben. Da habe ich naturgemäß vielleicht eine etwas andere Sicht als Frau Wanka; denn ich denke, dass unser SPD-Eckpunktepapier und die darin enthaltenen Vorstellungen für eine Reform des Gesetzes – das haben wir am 30. Juni 2014 vorgelegt – den Anstoß für diese Gesetzesinitiative gegeben haben.
(Beifall bei der SPD)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ohne unsere Eckpunkte und die darauffolgende mediale Berichterstattung sowie ohne den unermüdlichen Einsatz der Personalvertretungen der Hochschulen, der außeruniversitären Forschungseinrichtungen, der Gewerkschaften und Wissenschaftsorganisationen, der Länderminister, aber auch ohne die gute Zusammenarbeit mit unserem Koalitionspartner und dem BMBF würden wir heute nicht diese Novellierung debattieren. Denn es würde gar kein Gesetzentwurf zur Änderung des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes vorliegen. Ich wüsste gar nicht, worüber Sie dann reden könnten, Frau Gohlke.
Deshalb möchte ich mich zunächst bei all denen bedanken, die sich in den vergangenen anderthalb Jahren so intensiv an der Debatte zum Wissenschaftszeitvertragsgesetz beteiligt
(Tankred Schipanski [CDU/CSU]: Das geht schon ein paar Jahre länger, Frau Raatz!)
und damit auch zum Erfolg beigetragen haben, sodass wir heute in zweiter und dritter Lesung die Novellierung des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes beschließen werden.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Für mich steht diese Debatte um den Gesetzentwurf für eine gelungene und funktionierende Demokratie sowie für ein Parlament, das die Sorgen der Betroffenen ernst nimmt und sich den Diskussionen stellt. Ich denke, darauf können wir, insbesondere die Koalitionsfraktionen, stolz sein.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir alle – ganz gleich, ob Opposition, Union oder SPD – haben in den vergangenen Monaten viel Zeit und Kraft in den Austausch mit den Arbeitnehmern und Arbeitgebern aus der Wissenschaft investiert und einen regen und konstruktiven Austausch mit den Betroffenen erlebt. Das Ergebnis ist ein Gesetzentwurf, der sich sehen lassen kann. Mit dem Gesetz schieben wir endlich unsachgemäßen Kurzbefristungen einen Riegel vor und rücken die Qualifizierung und die dafür nötige Zeit stärker in den Fokus.
(Dr. Ernst Dieter Rossmann [SPD]: Sehr richtig!)
Das Gesetz stellt einen Meilenstein für viele der circa 200 000 Beschäftigten an den Hochschulen und außeruniversitären Forschungseinrichtungen dar und bedeutet eine deutliche Stärkung der Arbeitnehmerrechte.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Mit diesem Gesetz werden wir erstens die Laufzeit der Verträge künftig am Qualifizierungsziel orientieren; Frau Wanka ist schon kurz darauf eingegangen. So ist die vereinbarte Befristungsdauer in Zukunft so zu bemessen, dass sie der angestrebten Qualifizierung entspricht. Bei einer Promotion geht man davon aus, dass es kaum möglich ist, sie in weniger als drei Jahren abzuschließen. Das heißt, dass auch der Erstvertrag über drei Jahre läuft.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Zweitens werden künftig die willkürlichen Vertragslaufzeiten bei Drittmittelprojekten unterbunden. Die Drittmittelbefristungen müssen sich also künftig an der Dauer der Projektlaufzeit orientieren und nicht, wie es noch im ersten Gesetzentwurf steht, nach den jährlich bereitgestellten Mitteln. Sprich: Bei einer Projektlaufzeit von drei Jahren muss auch der Vertrag über drei Jahre abgeschlossen werden.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Ein weiterer wichtiger Punkt für die SPD – auch das wurde schon erwähnt – ist die Herausnahme des nichtwissenschaftlichen Personals aus dem Geltungsbereich des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes. Denn dieses Gesetz ist ein Qualifizierungsgesetz. Wir denken, dass der Personenkreis der nichtwissenschaftlichen Mitarbeiter überwiegend Daueraufgaben erfüllt, sodass die entsprechenden Stellen auch als Dauerstellen zu besetzen sind.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn Sie nun denken, dass wir uns mit der heutigen abschließenden Befassung ab sofort auf unseren Lorbeeren ausruhen, dann muss ich Sie leider enttäuschen. Das wäre zwar schön, aber das Ganze ist für uns eben nur ein Baustein innerhalb eines Gesamtkonzepts. Denn allein mit dem Wissenschaftszeitvertragsgesetz – ich habe das schon mehrfach gesagt – werden wir nicht die gesamte Wissenschaftswelt retten. Dazu gehört viel mehr.
Aber ich denke, nicht erst die Debatte um dieses Gesetz hat uns gezeigt, wie wichtig das Thema „Gute Arbeit in der Wissenschaft“ ist, und zwar nicht nur für junge Wissenschaftler und ihre Zukunftsperspektiven, sondern auch für den Wissenschaftsstandort und – auch darüber haben wir heute früh schon geredet – die Innovationsfähigkeit Deutschlands. Auch dafür ist dieses Gesetz eine wichtige Grundlage.
Die Debatte hat deutlich gemacht, dass beim verantwortungsvollen Umgang mit den Beschäftigten in der Wissenschaft an vielen Einrichtungen noch sehr viel Luft nach oben ist. Genau das ist für mich Ansporn, weiter an dem Thema dranzubleiben und weitere Stellschrauben in den Blick zu nehmen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, welche Stellschrauben könnten das sein? Eine ist zum Beispiel der von den Koalitionsfraktionen ab 2017 auf den Weg zu bringende Pakt für den wissenschaftlichen Nachwuchs und akademischen Mittelbau, mit dem wir von Bundesseite zusätzlich 1 Milliarde Euro zur Verfügung stellen, um für mehr dauerhafte Stellen mit Tenure-Track-Option zu sorgen. Personalstrukturkonzepte werden das Ganze ergänzen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Zweitens sollten zukünftig alle Förderprogramme und Pakte, mit denen der Bund Mittel für Wissenschaft und Forschung zur Verfügung stellt, verbindliche und vor allem messbare Kriterien enthalten. Vorstellbar sind hier zum Beispiel Vorgaben zu Befristungsquoten, zur Ausgestaltung von Personalstrukturkonzepten und zur Gleichstellung. Denn – damit komme ich zum dritten Punkt – es ist mir und meiner Fraktion ein Herzensanliegen, dass wir wieder mehr engagierte Wissenschaftlerinnen gewinnen und diese dann auch in unserem Wissenschaftssystem halten.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Wir haben viele hervorragende Frauen. Fast 50 Prozent von ihnen promovieren. Wenn wir aber in den Hochschulen oder den außeruniversitären Forschungseinrichtungen schauen, wie viele wirklich eine Professur haben oder in der Hochschulleitung tätig sind, dann stellen wir fest, dass es nicht einmal 20 Prozent sind. Hier können wir etwas tun. Deutschland kann sich den jetzigen Zustand im 21. Jahrhundert nicht mehr leisten.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Mehr Frauen in die Wissenschaft sollten Bund, Länder und die Wissenschaftseinrichtungen als Thema und Chance für sich erkennen.
Damit wären wir wieder beim Wissenschaftszeitvertragsgesetz; denn gerade für Frauen spielt das Thema „Perspektive und Sicherheit“ eine große Rolle. Mit der heutigen Verabschiedung verbessern wir dafür die Rahmenbedingungen und gehen einen wichtigen Schritt hin zu mehr guter Arbeit in der Wissenschaft. Damit können wir zufrieden sein.
Danke für die Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Als Nächster spricht der Kollege Kai Gehring für Bündnis 90/Die Grünen.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/6305084 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 146 |
Tagesordnungspunkt | Wissenschaftszeitvertragsgesetz |