17.12.2015 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 146 / Tagesordnungspunkt 18

Rita StockhofeCDU/CSU - Wolfsschutz

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Sehr geehrte Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir debattieren heute über den Antrag der Fraktion Die Linke „Herdenschutz ist Wolfsschutz – Jetzt ein bundesweites Kompetenzzentrum aufbauen“. Bevor sich der Wolf im Jahr 2000 wieder hier in Deutschland angesiedelt hat, haben wir ihn ungefähr 150 Jahre vermisst. Grundsätzlich ist es zu begrüßen, wenn sich Tierarten hier ansiedeln. Auch für den Wolf gilt dieser Grundgedanke.

(Dr. André Hahn [DIE LINKE]: Vor allem in Sachsen!)

Jetzt müssen wir die Voraussetzungen schaffen, damit wir ein vernünftiges Miteinander aufbauen können. Wir haben schon viel gemacht: Es fanden zwei Fachgespräche, im Umweltausschuss und im Landwirtschaftsausschuss, statt. Eine Dokumentations- und Beratungsstelle des Bundes für den Wolf wird zurzeit eingerichtet. Ein Runder Tisch „Wolf“ findet regelmäßig statt. Auch der Habitat-Ausschuss auf europäischer Ebene tagt regelmäßig.

Neben dem grundsätzlichen Willkommen dem Wolf gegenüber stehen uns auch große Aufgaben bevor. Dem Wolf geht es gut hier in Deutschland. Er hat ausreichend Nahrung, und er verbreitet sich schneller als erwartet. Was für den Artenschutz ein großer Erfolg ist, bedeutet für viele Nutztierhalter ernstzunehmende Probleme. Wir dürfen aber nicht dahin kommen, dass eine Tierart gegen eine andere Tierart ausgespielt wird. Wir müssen den Wolf nicht fürchten wie bei Rotkäppchen oder bei Der Wolf und die sieben Geißlein , dürfen ihn aber auch nicht romantisieren. Wir müssen sachlich mit den Aufgaben umgehen. Da wir nicht alle Geißlein oder Schäflein in einen Uhrenkasten sperren können, brauchen wir bedarfsgerechte Präventionsmaßnahmen, um die Herden vor den Wölfen zu schützen. Dazu gehören Herdenschutzhunde und geeignete Zäune. Aber auch ungewöhnliche Schutzmaßnahmen wie zum Beispiel den Einsatz von Eseln müssen wir prüfen.

(Dr. Wilhelm Priesmeier [SPD]: Wie das?)

Bedenken muss man allerdings, dass diese Schutzmaßnahmen nicht überall möglich sind, zum Beispiel nicht auf Dämmen, in der Alpenregion oder in Naturschutzgebieten, wo starker Tourismus vorherrscht. Auf die Tierhalter kommen oft schon präventiv hohe Kosten zu. Diese müssen erstattet werden, und zwar unabhängig davon, ob sie die Tierhaltung berufsmäßig oder hobbymäßig ausüben.

Das BMUB hat in seinem Bericht zwischen Habitaten, in denen Wölfe schon vorkommen, und Habitaten, in denen sie nicht zu erwarten sind, unterschieden. An diese Prognose haben sich die Wölfe leider nicht gehalten.

(Dr. André Hahn [DIE LINKE]: Ach was!)

Das zeigt uns, dass der Wolf sehr lernfähig und nicht immer kalkulierbar ist. Er ist sehr anpassungsfähig und versorgt sich mit Nahrung, die er möglichst leicht beschaffen kann. Nachgewiesen ist mittlerweile auch, dass der Wolf nicht dazu beiträgt, die Höhe der Schwarzwildpopulation zu regeln. Er hat genügend Alternativen, sich anders Nahrung zu beschaffen.

Wölfe haben sich schon häufiger in dichtbesiedelten Gebieten, in Städten aufgehalten. Auch die erwartete natürliche Scheu vor den Menschen zeigt er nicht immer. In Niedersachsen läuft er wie selbstverständlich durch einige Ortschaften und bedient sich an Mülltonnen. Eine verhaltensauffällige Wölfin in Niedersachen, die sogenannte Goldstädter Wölfin, schafft es, Zäune zu überspringen, die höher als 1,40 Meter sind. Sie tötet und verschreckt Schafe, ganz abgesehen von den Folgeschäden wie beispielsweise Verlammungen. Alleine dieser Wölfin konnten in diesem Jahr über 80 Nutztierrisse zugeordnet werden, trotz aller Präventionsmaßnahmen.

Meine Damen und Herren, dies ist ein artfremdes Verhalten. Da hilft uns auch kein Gesprächskreis mehr. Wir können den Wolf auch nicht umerziehen, wie in einem Fachgespräch gefordert worden ist. Dann kann schnell das Gegenteil der Fall sein; denn andere Wölfe übernehmen dieses artfremde Verhalten. Gott sei Dank gab es bisher noch keinen Angriff auf den Menschen. Auch wenn ein Wolf schon einmal in der Nähe eines Waldkindergartens gesehen worden ist, ist zum Glück nichts passiert. Wir wollen uns auch nicht wirklich vorstellen, was ein Tier, das über 60 Kilo wiegt, anrichten kann. Die Bilder von gemetzelten Schafen sind schon schlimm genug.

Zwar liegt die Zuständigkeit für die Schadenserfassung und die Entschädigung bei den Bundesländern. Dennoch ist es wichtig, bundesweit einheitliche Standards für Präventionsmaßnahmen und Entschädigungen für Nutztierrisse einzuführen, für hauptberufliche Halter, aber auch für Hobbytierhalter. Dabei muss auch berücksichtigt werden, dass den Schäfern nicht nur ein Schaden wegen der getöteten Tiere entsteht, sondern dies auch mittelbare Folgen hat, die durch die Unruhe und den Stress in der Herde auftreten, beispielsweise Fluchtverletzungen oder Nicht-wieder-trächtig-Werden von Muttertieren.

In dem Augenblick, in dem die Stimmung in der Bevölkerung kippt, wird die mühsam aufgebaute Akzeptanz dahin sein. Es ist deshalb unsere Pflicht, Problemtiere zu entnehmen. Dort müssen wir aktiv werden, und zwar so schnell wie möglich. Rechtlich ist das nach Artikel 16 FFH-Richtlinie auch so vorgesehen. Eine Entnahme solcher Problemtiere würde die Wolfspopulation, die in Deutschland eine Reproduktionsrate von 30 Prozent pro Jahr hat, auch nicht gefährden. Ganz im Gegenteil: Eine schnelle Entnahme solcher Problemtiere könnte zu einer Steigerung der Akzeptanz für den Wolf in der Bevölkerung führen.

Meine Damen und Herren, der Antrag der Fraktion Die Linke ist abzulehnen. Die Daten der Länder, die ja dafür zuständig sind, diese zu erfassen, müssen an einer Stelle zusammenfließen, um eine effektive Arbeit leisten zu können. Eine solche Stelle wird zurzeit mit der Dokumentations- und Beratungsstelle des Bundes für den Wolf eingerichtet, und mehr brauchen wir nicht.

Danke schön.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Vielen Dank. – Für die Fraktion Die Linke hat jetzt Dr. Kirsten Tackmann das Wort.

(Beifall bei der LINKEN)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/6305286
Wahlperiode 18
Sitzung 146
Tagesordnungspunkt Wolfsschutz
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