18.12.2015 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 147 / Tagesordnungspunkt 23

Karl SchiewerlingCDU/CSU - Lebensstandardsichernde Rente

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Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Alterssicherung in Deutschland steht nach wie vor auf drei Säulen: auf der gesetzlichen Rente, auf der betrieblichen Altersvorsorge und auf der privaten Altersvorsorge. Alle drei Säulen sind abhängig von der wirtschaftlichen Entwicklung: ohne gute wirtschaftliche Entwicklung keine stabile Alterssicherung.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Vor einer Woche hat die Deutsche Rentenversicherung Westfalen ihr 125-jähriges Jubiläum gefeiert, nicht nur in Anwesenheit des vorhin zitierten ehemaligen Arbeitsministers Norbert Blüm, sondern auch seines Nachfolgers Franz Müntefering, vor allem aber mit einem vielbeachteten Vortrag des Präsidenten des Deutschen Bundestages, der auf die Entwicklung hingewiesen hat, dass natürlich alle Altersvorsorgesysteme, auch die gesetzliche Rente, auch die betriebliche Altersvorsorge und auch die private Altersvorsorge, von der demografischen Entwicklung abhängen. Diese demografische Entwicklung dürfen wir nicht ausblenden: keine Kinder, keine Zukunft oder eine teure Zukunft – in der Phase stecken wir.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Meine Damen und Herren, auch wenn der Kollege Birkwald jetzt dargestellt hat, wie hell der Tag wird, nachdem so viele Menschen zuwandern, nachdem einige Kinder mehr geboren werden, als ursprünglich gedacht, nachdem sich offensichtlich die ein oder andere Entwicklung positiv am Horizont auftut, können wir doch auf Grundlage dieser Entwicklung im Augenblick keine ungedeckten Schecks ausstellen und sagen: Das wird schon alles, damit kriegen wir die rentenpolitischen Fragen geklärt.

(Sabine Weiss [Wesel I] [CDU/CSU]: Ja, genau!)

Das ist Politik der Linken: Sie stellt Schecks aus, die nicht gedeckt sind, und man weiß nicht, wohin es geht. Das ist nicht verlässlich. Das ist nicht vernünftig geplant.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Auch beim vorliegenden Antrag wird deutlich: Die Linken sind mindestens auf einem Auge blind. Es geht ihnen ausschließlich um die Frage des Rentenniveaus. Die Deutsche Rentenversicherung hat aber verschiedene Stellschrauben. Sie ist vor allen Dingen ein solidarisches Sicherungssystem, das ohne diese vier Stellschrauben letztendlich nicht auskommt, und zwar erstens die Beiträge, zweitens das Rentenniveau, die dritte Stellschraube ist die Frage der Laufzeit von Renten und die vierte ist der Bundeszuschuss. Alle vier Aspekte müssen im Gleichgewicht bleiben und abgewogen werden, sonst ist die Rente auf Dauer gesehen nicht zu finanzieren.

Meine Damen und Herren, es geht uns in der Tat im Augenblick gut: niedrige Arbeitslosigkeit, hohe Beschäftigung. Wir haben hohe Rücklagen im Bereich der Rentenversicherung. Ich glaube, dass das eine gute Voraussetzung ist, die Zukunft vernünftig zu gestalten. Allerdings sehe auch ich, dass mit den Ausgaben, die gerade durch das Rentenpaket anfallen, die Rücklage abschmilzt. Deswegen bin ich nachdrücklich dafür, dass wir die untere Grenze der Nachhaltigkeitsrücklage sukzessive von 0,2 auf mindestens 0,4 bis 0,5 durchschnittliche Montagsausgaben anheben, um genügend Liquidität für schwierige Zeiten zu haben und um nicht wieder Darlehen beim Bund aufnehmen zu müssen.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Das haben wir schon vor einiger Zeit beantragt! Den Antrag haben wir doch eingebracht! Das haben Sie abgelehnt!)

Es geht auch um die Frage der Stabilisierung der Rente; denn die Rente ist ein Generationenvertrag. Und der Generationenvertrag kann nur erfüllt werden, wenn ihn alle Generationen akzeptieren. Das betrifft nicht nur die Generation der Rentnerinnen und Rentner, das betrifft auch die Generation derjenigen, die heute einzahlen, und die Generation, die noch gar nicht so weit ist, dass sie einzahle müsste, aber all die Lasten für die Altersvorsorge übernehmen muss, die jetzt schon aufgehäuft sind.

Ich kann nicht nur von einem Rentenniveau reden, sondern ich muss auch zusehen, dass das ganze System bezahlbar bleibt.

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Das tut es! – Weitere Zurufe von der LINKEN)

Dazu gehört auch, dass die Menschen länger fit bleiben, dass sie länger arbeiten können. Deswegen haben wir in der Koalition vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung die Flexirente vereinbart mit einem ganz starken Anteil an Rehabilitation und Prävention und mit einem ganz starken Anteil an Flexibilität, damit die Menschen länger in Arbeit bleiben können und nicht zu früh in Rente gehen.

Was den Nachhaltigkeitsfaktor und den Riester-Faktor angeht, sage ich: Ja, Herr Kollege Birkwald, man kann das so machen, wie Sie das gemacht haben: Rückwärts rechnen, aufrechnen, was man in der Zeit an Rente alles nicht bekommen hat; unter dem Strich steht dann eine Summe, die einen schwindelig werden lässt. – Ich kann aber auch sagen: Der Nachhaltigkeitsfaktor und der Riester-Faktor sind im Interesse der Generationengerechtigkeit eingeführt worden, damit sich die jetzige und die zukünftige Rentnergeneration an den zukünftigen Kosten beteiligt.

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Sie schicken Durchschnittsverdiener in die Armut!)

Deswegen ist das, was damals eingeführt wurde, übrigens unter Rot-Grün, in der Sache richtig.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Deswegen gehen wir an diese Frage nicht heran.

Im Übrigen ist der Riester-Faktor längst ausgelaufen. Er wirkt natürlich nach.

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Aha!)

Den Nachhaltigkeitsfaktor werden wir nicht aushebeln können. Würden wir das tun, würden wir den Umstand nicht ernst nehmen, dass, unabhängig davon, dass im Augenblick ein paar Kinder mehr geboren werden, dann die beitragszahlenden Generationen eine wesentlich kleinere Gruppe bilden als die Generation der Rentner. Wir dürfen keine ungedeckten Schecks auf die Zukunft ausstellen.

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Beitragszahler, darauf kommt es an!)

Lieber Kollege Schiewerling, lassen Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Petzold zu?

Ja, eine lasse ich zu.

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Schade eigentlich!)

– Sie haben gar keine Frage, Herr Birkwald? – Ach so, Sie, Herr Petzold. Bitte.

Vielen Dank, Herr Kollege, dass Sie die Zwischenfrage zulassen, ausnahmsweise von einem nicht rentenpolitischen Experten. – Das Anliegen, die Bezahlbarkeit des Gesamtsystems sicherzustellen, teile ich. Ich möchte Sie gerne fragen, warum Sie gestern einem Gesetzentwurf zugestimmt haben, mit dem 40 000 gut verdienende Syndikusanwälte aus der gesetzlichen Rentenversicherung herausgenommen werden.

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN – Peter Weiß [Emmendingen] [CDU/CSU]: Nein! Die sind nicht raus! Die waren gar nicht drin!)

Erstens. Die Syndikusanwälte waren bisher überhaupt nicht in der Rentenversicherung. Zweitens musste das aufgrund der Rechtsprechung eines Sozialgerichts neu geregelt werden.

(Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das Sozialgericht hat gesagt, sie sollen rein!)

Drittens ging es darum, dem Berufsstand und den Bedingungen des Berufsstandes gerecht zu werden. Deswegen haben wir dieses Gesetz gemacht. Ich halte das in der Sache auch für vertretbar.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Meine Damen und Herren, wir wollen, dass die Menschen auch in Zukunft von ihren Alterseinkünften leben können, von der gesetzlichen Rente, von der betrieblichen Rente und von der privaten Altersvorsorge. Herr Kollege Birkwald, Sie haben mit Ihrer Analyse recht: Aufgrund der Situation am Kapitalmarkt, aufgrund der niedrigen Zinsen, ist die betriebliche Altersvorsorge und die private Altersvorsorge – das hat der Kollege Weiß in den Medien kundgetan –

(Lachen des Abg. Matthias W. Birkwald [DIE LINKE])

unter Druck geraten. Anfang der 2000er-Jahre hatten wir aber eine Situation, 2002, in der das genau umgekehrt war.

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Das ist aber nicht verlässlich!)

Damals waren die Zinsen hoch – damals hat es sich gelohnt, Kapital anzulegen –, und die Renten waren unten. Jetzt hat sich die Situation umgekehrt. Ich kann Ihnen nur raten: Machen Sie auch in der Opposition keine kurzatmige Politik; Sie könnten eines Tages von wirtschaftlichen und finanzpolitischen Entwicklungen in Deutschland und in der Welt eingefangen werden, die Sie nicht in der Hand haben.

(Beifall bei der CDU/CSU – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Schön, dass Sie uns schon in der Regierung sehen!)

Meine Damen und Herren, auch wir wollen nicht, dass das Rentenniveau dauerhaft ins Bodenlose fällt. Auch wir wollen, dass es zu einem Stopp kommt. Auch wir wollen, dass die Menschen am Ende der Tage von ihrem Einkommen leben können. Wir wollen die bisherigen Regelungen der Riester-Förderung in der Tat überprüfen – ich halte das auch für notwendig –, nicht, weil sie aufgrund des niedrigen Zinsniveaus an Bedeutung verlieren, sondern aufgrund der Entwicklungen bei den Versicherern, aufgrund der Dinge, die sich dort abgespielt haben. Außerdem wollen wir die betriebliche Altersvorsorge ausweiten und stärken. Eine Arbeitsgruppe unserer Fraktion und eine Arbeitsgruppe der Koalitionsfraktionen arbeiten daran.

Die umlagefinanzierte Rente ist wie keine andere Institution in Deutschland Ausdruck des Zusammenhalts der Generationen. Vielleicht ist das der letzte institutionalisierte Zusammenhalt der Generationen. Diesen Zusammenhalt wollen wir stärken.

Ich wünsche Ihnen eine gute Zeit des Advents, ein frohes Weihnachtsfest und ein gesegnetes neues Jahr.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Markus Kurth erhält nun das Wort für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/6307415
Wahlperiode 18
Sitzung 147
Tagesordnungspunkt Lebensstandardsichernde Rente
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