Ute BertramCDU/CSU - Kulturarbeit gemäß Bundesvertriebenengesetz
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Das Thema „Flucht und Flüchtlinge“ ist seit Monaten in aller Munde. Wenn wir sehen, wie viele Menschen heute in Deutschland Schutz suchen, erkennen viele Deutsche Parallelen zur eigenen Familiengeschichte.
Denn nach dem Zweiten Weltkrieg kamen aus den ehemaligen deutschen Gebieten gut 14 Millionen Flüchtlinge und Heimatvertriebene ins heutige Bundesgebiet. Später folgten die deutschstämmigen Aussiedler aus dem östlichen Europa und den Nachfolgestaaten der Sowjetunion. Sie alle standen vor der Aufgabe, sich hier eine neue Heimat zu schaffen, ohne ihre Wurzeln zu verleugnen. Eine Allensbach-Studie hat erst dieses Jahr bestätigt: Jeder vierte Deutsche hat dazu einen persönlichen oder familiären Bezug.
Welche Rolle die alte Heimat bis heute spielt, sehe ich in meinem Wahlkreis Hildesheim. Tausende von Schlesiern bauten sich bei uns eine neue Heimat auf, und bis heute gibt es einen regen kulturellen Austausch mit der Herkunftsregion im Riesengebirge rund um die Stadt Hirschberg. Es ist beeindruckend, was die Heimatvertriebenen und ihre Organisationen bis heute leisten, vor allem auch für die Verständigung mit unseren osteuropäischen Nachbarn.
Allerdings stirbt die Generation derer, die sich noch aus eigenem Erleben an Hirschberg oder an die anderen Herkunftsorte des deutschen Ostens erinnern können, aus. Wir stehen deshalb vor der großen Herausforderung, die Jugend für das gemeinsame Engagement mit Osteuropa zu gewinnen. Hier müssen die Schulen noch mehr tun. Denn für unser nationales Selbstverständnis spielt dieser Teil der deutschen Geschichte eine entscheidende Rolle.
Die unmittelbare Pflege des Kulturgutes der Herkunftsgebiete ist damit eng verbunden. Seit 1953 engagiert sich der Bund für die Förderung von Archiven, Museen, Bibliotheken, Wissenschaft und Forschung im östlichen Europa. Wie wichtig uns diese Förderung ist, haben wir noch einmal im Koalitionsvertrag verankert.
Wir sprechen heute über das Engagement des Bundes in den Jahren 2013/14. Der Bericht belegt eindrucksvoll die Vielfalt der Vorhaben zur deutschen Kultur und zur Geschichte im östlichen Europa. Im Vergleich zum Berichtszeitraum 2011/12 konnten wir die Förderung um mehr als 30 Prozent auf insgesamt 43,5 Millionen Euro aufstocken. Mit weiteren 1,7 Millionen Euro unterstützt das Bundesministerium des Innern im gleichen Zeitraum die verständigungspolitische Arbeit der Vertriebenen. Das ist ein deutliches Zeichen unserer hohen Wertschätzung für das kulturelle Erbe im östlichen Europa.
Freilich will ich nicht verhehlen, dass wir die starken Kürzungen in diesem Bereich aus der Regierungszeit von Rot-Grün noch nicht vollständig überwunden haben. Insofern, Frau Lotze und Frau Schauws, kann ich es nicht akzeptieren, dass Sie hier Kritik anbringen.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Bei uns Christdemokraten ist dieses Thema nämlich ganz oben angesiedelt. Die Bundeskanzlerin Angela Merkel hat es sich letztes Jahr nicht nehmen lassen, nach Schweidnitz und Kreisau in Schlesien zu fahren. 1989 nahm Helmut Kohl mit dem damaligen polnischen Regierungschef Tadeusz Mazowiecki an der Kreisauer Versöhnungsmesse teil. Der Friedensgruß zwischen den beiden gilt als der symbolische Ausgang des Versöhnungsprozesses nach dem Fall des Eisernen Vorhangs.
25 Jahre später feierte die Bundeskanzlerin dort das Mauerfalljubiläum. Auf dem Gut der Familie Moltke verschwor sich einst der berühmte Kreisauer Kreis gegen Hitler. Heute ist daraus, auf Wunsch Deutschlands, eine deutsch-polnische Jugendbegegnungsstätte geworden. Weil wir wissen, dass Kulturarbeit Brücken schlägt, fördern wir als Parlament noch weitere Projekte. Als Beispiel möchte ich den Kulturhauptstadtexpress nach Breslau anführen, Europäische Kulturhauptstadt 2016. Auch dort wird deutsch-polnische Kulturarbeit lebendig; denn die deutsche Geschichte der Stadt wird auch im Kulturhauptstadtprogramm vorkommen, genauso wie die deutschen Minderheiten.
Das Thema bleibt aktuell in Bezug auf unsere östlichen Nachbarn, und es wird aktuell in Bezug auf unser Zusammenleben mit allen Tausenden Flüchtlingen, die heute zu uns kommen. Ich hoffe, dass all jene, die sich seit Jahren für die Vertriebenen engagieren, ihr vieles Wissen nun mit einbringen. Denn wer weiß, was Flucht und Vertreibung für das eigene Leben bedeuten, der kann auch den heute ankommenden Flüchtlingen helfen.
Ich wünsche Ihnen allen eine gesegnete Weihnachtszeit.
Vielen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Der Kollege Dr. Bernd Fabritius hat für die CDU/CSU-Fraktion das Wort.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/6307685 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 147 |
Tagesordnungspunkt | Kulturarbeit gemäß Bundesvertriebenengesetz |