18.12.2015 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 147 / Tagesordnungspunkt 25

Tino SorgeCDU/CSU - Innovationstransfer in die Gesundheitsversorgung

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Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Frau Kollegin Vogler, Sie haben das gemacht, was auch der Kollege Gehring wieder gemacht hat: Sie haben unseren Antrag offensichtlich nicht genau gelesen.

(Kathrin Vogler [DIE LINKE]: Sehr genau!)

Sie haben nämlich Kooperation mit Konfrontation verwechselt. Das heißt, Sie haben das herausgegriffen, was Ihnen nicht gepasst hat, und die anderen Dinge einfach nicht erwähnt, und das ist nicht gut.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Dr. André Hahn [DIE LINKE]: Das stimmt ja nicht! – Kathrin Vogler [DIE LINKE]: Sie könnten mir ja drei Minuten Redezeit schenken!)

Worüber reden wir in diesem Antrag? Wir reden über Innovation, und wir reden ganz konkret über Translation. Translation heißt nichts anderes als Übersetzung, so viel wie die PS im Forschungsbereich auf die Straße zu bringen. Das heißt, wir wollen Grundlagenforschung, klinische Forschung und ärztliche Anwendung besser miteinander verbinden. Das ist nichts Schlimmes. Wir haben das Ziel, wissenschaftliche Ergebnisse schneller zum Wohle der Patienten anwenden zu können, aber wechselseitig auch Fragen und Erkenntnisse aus der ärztlichen Praxis in die Wissenschaft zurückzugeben.

Dass das schon immer ein wichtiger Grundsatz war, sieht man daran, dass bereits 1654 der Naturwissenschaftler Otto von Guericke mit dem Magdeburger Halbkugelversuch die Existenz des Vakuums nachgewiesen hat.

(Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dass Sie bei Ihrem Antrag über Vakuum sprechen, verstehe ich!)

Er hat zwei Halbkugeln mit einer umgebauten Feuerspritze so zusammengefügt, dass die Pferdegespanne, die von beiden Seiten an den Halbkugeln zogen, diese Halbkugeln nicht auseinanderziehen konnten. Damit hat er nachgewiesen, wie hoch der auf ihnen lastende Luftdruck war. Das heißt ganz konkret, wenn man das auf Translation bezieht, dass Innovationen wie die Glühbirne oder das Elektronenmikroskop Eigenschaften des Vakuums nutzen.

Deutschland ist auch heute noch das Land von Forschung und Innovationen. Das haben wir erst letztens gesehen, als der Nobelpreis für Chemie an den Forscher Stefan Hell ging. Er bekam ihn für seine Forschung und die Entwicklung der hochauflösenden Fluoreszenzmi­kroskopie. Das finde ich deshalb so bemerkenswert, weil noch 1873 der Wissenschaftler und Optiker Ernst Abbe sagte, dass Lichtmikroskope keine Objekte vergrößern können, die kleiner als 0,2 Mikrometer sind. Strukturen, die kleiner sind als die Wellenlänge von Licht, sichtbar zu machen, ginge nicht, so hat man bisher immer gesagt. Stefan Hell hat das Gegenteil nachgewiesen und die Gesetze der Optik ausgetrickst.

Wie ist die Situation bei uns? Wir haben eine hervorragende Ausgangssituation; wir haben forschungsstarke Firmen und eine exzellente universitäre Forschung. Die Zahl der Unternehmensgründungen ist bundesweit 2013 gegenüber dem Vorjahr um rund 15 Prozent gestiegen. Deutschland belegt weltweit einen Spitzenplatz, wenn es um den Export von Gütern der Hochtechnologie geht. Die Exportquote im Bereich der Medizintechnik liegt bei 65 Prozent. Das heißt aber nicht, dass wir nicht noch besser werden können; denn wer aufhört, besser zu werden, hört auf, gut zu sein.

Es herrscht erheblicher Innovationsdruck. Die Innovationszyklen werden kürzer. Wenn man sich überlegt, dass sich zwischen 1800 und 1900 das Wissen verdoppelt hat und heute die Verdoppelung des Wissens in vier Jahren geschieht, dann erkennt man, wie hoch der Innovationsdruck ist. Wir reden gerade in Zeiten der Digitalisierung und Globalisierung darüber, den Anschluss nicht zu verlieren. Wir diskutieren über disruptive Geschäftsmodelle; wir reden darüber, dass sich unser Kommunikationsverhalten durch das Smartphone in den letzten Jahren erheblich verändert hat. Andere Nationen drängen mit Spitzentechnologien auf den Markt. Da heißt es für uns, mit ihnen Schritt halten zu können.

Eine große Chance bietet – darauf haben wir in dem Antrag hingewiesen – der Gesundheitsbereich. Man kann natürlich, wie die Opposition es gerne macht, sagen, dass alles schlimm ist und die Gesundheitswirtschaft nur gewinnorientiert ist. Man muss aber sagen, dass öffentliche Forschungsförderung allein nicht ausreicht, Innovationen schneller in den Markt zu bringen.

(Kathrin Vogler [DIE LINKE]: Das hat ja auch keiner gesagt!)

Was haben wir als Politik gemacht? Wir wollen sinnvolle Rahmenbedingungen schaffen. Der Etat des Bildungs- und Forschungsministeriums ist erneut um 1,1 Milliarden Euro gestiegen. Das ist ein Zuwachs um 18 Prozent im Vergleich zum Beginn der Legislatur und um 65 Prozent gegenüber 2006.

(Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was hat das mit dem Antrag zu tun?)

Das sind Zahlen, die man nennen und durchaus positiv würdigen sollte.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das hat aber nichts mit Ihrem Antrag zu tun!)

Die Investitionen der öffentlichen Hand in Kooperation mit der privatwirtschaftlichen Forschung sind ein Erfolgsbeispiel. Es geht um den Patientennutzen. Schauen wir uns den Gesundheitsbereich einmal an: Es gibt technologische Innovationen wie mitwachsende Herzklappen. Es gäbe viele andere Beispiele, die ich hier nennen könnte. Wir müssen damit aufhören, den Gesundheitsbereich immer nur als Kostenblock zu sehen. Der Gesundheitsbereich ist einer der größten Wachstumsmotoren – mein Kollege Stephan Albani hat bereits darauf hingewiesen – mit einem Anteil von 13 Prozent am Bruttoinlandsprodukt. Es sind mehr Menschen im Bereich der Gesundheitswirtschaft beschäftigt als in der Automobilindustrie.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Das sind Punkte, die wir durchaus häufiger erwähnen müssen.

Warum tun wir das alles? Wir tun das vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung und einer alternden Gesellschaft. Wir wissen, dass in Deutschland im Jahr 2050 jeder Dritte 65 Jahre oder älter sein wird. Die Zahl der Menschen, die an Volkskrankheiten wie Krebs, Diabetes, Adipositas und Herz-Kreislauf-Erkrankungen leiden, steigt erheblich an. Gleichzeitig ist festzustellen, dass aufgrund der Forschung beispielsweise im onkologischen Bereich die Überlebensraten signifikant steigen. Viele Erkrankungen, die bisher tödlich verliefen, sind zu chronischen Erkrankungen geworden. Im immunonkologischen Bereich haben wir in den letzten Jahren Fortschritte erlebt, die bisher nicht denkbar waren. Deshalb ist es so wichtig, dass wir Ergebnisse aus dem Bereich der Grundlagenforschung in innovative therapeutische Verfahren überführen und schneller in die Regelversorgung aufnehmen.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Das Beispiel der Deutschen Zentren der Gesundheitsforschung mit ihrer Vernetzung ist angesprochen worden. Ich denke, wir müssen auch da viel besser werden. Es sind gute Grundlagen gelegt. Aber es geht auch darum, dass Wissenschaft und Wirtschaft an den Schnittstellen interdisziplinär besser vernetzt werden.

Da wir von Kosten und Kostendeckelung gesprochen haben, will ich den Grundsatz bemühen: Am besten spart man, indem man das Geld erst gar nicht ausgibt, sondern vorhandene Quellen nutzt. Zu diesen Quellen gehören auch die Datenquellen. Wir haben daher mit viel Engagement den Aufbau von Registern vorangetrieben. Wir werden ihn weiter forcieren. Dies ist deshalb so wichtig, um valide Daten über die Ursache, Entstehung und Verbreitung von Volkskrankheiten zu bekommen. Deshalb ist es wichtig, dass wir die Nationale Kohorte, eine der größten Gesundheitsstudien mit 200 000 Teilnehmern, vorantreiben. Deshalb ist es so wichtig, dass wir Krebsregister zentralisieren, um gute Daten zu bekommen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Deshalb ist es so wichtig, ein Diabetesregister zu bekommen. Zum Transplantationsregister liegt uns bereits ein Referentenentwurf aus den letzten Wochen vor.

Ich will damit sagen: Wir brauchen keine Datenfriedhöfe. Vielmehr müssen wir anonymisierte Routinedaten, die sowieso erhoben werden und jetzt verfügbar sind, viel stärker nutzen. Wir müssen gerade im Sinne einer besseren Versorgung Forschungseinrichtungen und auch Kassenärztliche Vereinigungen Daten, die ohnehin schon den Krankenkassen vorliegen, nutzen lassen.

(Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sagen Sie noch was zum Datenschutz? Datenschutz ist auch Innovation!)

Ich will das an einem konkreten Beispiel aus meinem Wahlkreis Magdeburg – -

Das wird Ihnen nicht mehr gelingen, Kollege Sorge, auch wenn der Koalitionspartner ein paar Sekunden übrig gelassen hat. Sie müssen einen Punkt setzen.

Gut, den werde ich jetzt machen, Frau Präsidentin. Ich wünsche Ihnen, den Kolleginnen und Kollegen und den Zuhörern auf der Tribüne schöne, besinnliche Weihnachten und uns allen ein paar ruhige Tage. Ich hoffe, wir sehen uns alle gesund im neuen Jahr wieder.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/6307866
Wahlperiode 18
Sitzung 147
Tagesordnungspunkt Innovationstransfer in die Gesundheitsversorgung
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