Norbert Lammert - Vereinbarte Debatte zu den Ereignissen in Köln und anderen Großstädten in der Silvesternacht
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Silvesternacht beinhaltet einige bittere Wahrheiten. Eine der bitteren Wahrheiten ist, dass sich die Ereignisse mitten im Herzen einer Großstadt ereignet haben. Es gab sie aber im Übrigen nicht nur in Köln. Auch in Stuttgart, Frankfurt und Hamburg gab es ähnliche Ereignisse.
Ich mache mir schon Sorgen über Verrohungstendenzen und mangelnden Respekt, über eine Brutalisierung in der Sprache und in den Netzwerken und auch auf unseren Straßen. Das ist ein gesellschaftliches Problem. Wir sollten darüber eine Wertediskussion führen – nicht nur in Nordrhein-Westfalen, sondern in ganz Deutschland.
Es hat mich beeindruckt, dass gestern ein junger Mann, der offensichtlich aus einer Moschee kam und der, auf der Straße vom Fernsehen befragt, was er zu Köln meine, drei Worte sagte: Ich schäme mich. – Auch ich schäme mich, wenn ich so manches in den sozialen Netzwerken lese. Ich schäme mich, wenn Deutsche auf Demonstrationen einen Galgen oder eine Guillotine vor sich hertragen. Das ist nicht unser Deutschland, das ist Vergangenheit und nicht Deutschland im Jahre 2016!
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Zu dieser Wertediskussion gehört auch, dass es bei uns Regeln und Gesetze gibt, an die sich alle halten müssen – egal woher man kommt. Und es gehört auch dazu, dass wir die Kraft in diesem Land entwickeln, unsere Rechtsvorschriften von Anfang an konsequent durchzusetzen.
Die Kölner Domplatte ist doch nicht erst seit dem 31. Dezember letzten Jahres ein Problem, sondern die Zustände dort sind schon seit Monaten und Jahren bekannt. Hier in dieser Stadt, in der wir gerade die Diskussion führen, gibt es seit Jahren Verhältnisse, die nicht in Ordnung sind. Lassen Sie uns Köln auch als einen Weckruf ansehen. Es darf in Deutschland keine No-go-Areas geben. Es darf in Deutschland keine rechtsfreien Räume geben. Es ist jetzt allerhöchste Zeit, dass wir die Missstände überall beseitigen, damit sich Frauen und Männer in Deutschland Tag und Nacht überall frei bewegen können. Dazu müssen wir handeln.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
Unsere Polizei: Ja, wir tun etwas für unsere Bundespolizei. Es gibt mehr Mittel, mehr Personal und mehr Möglichkeiten. In diesem Haushalt haben wir 3 000 zusätzliche Stellen für unsere Bundespolizei geschaffen. Das darf ein Vorbild auch für die Landespolizeien sein.
Rasches Handeln ist gefordert, wenn wir erkennen, dass wir eine Verschärfung unserer Gesetze brauchen.
(Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Hätten wir schon haben können!)
Ich bin dem Bundesjustizminister und dem Bundesinnenminister außerordentlich dankbar, dass wir uns in so kurzer Zeit verständigen konnten. Diese Koalition redet nicht nur, sondern sie handelt.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)
Das gilt für das Thema Ausweisung von straffälligen Ausländern und von Asylbewerbern. Es ist unerklärlich, wie man vor Gewalt, Vergewaltigung, Folter und Krieg flüchtet, um hier dann Ähnliches zu tun. Es ist richtig, solche Menschen aus dem Asylverfahren herauszunehmen. Selbstverständlich gibt es in Deutschland für das „Antanzen“ – was für ein verharmlosender Begriff! – und das hundertfache Begrapschen von Frauen die rote Karte. Deswegen werden wir die Gesetze entsprechend ändern.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Zuruf des Abg. Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Mit Blick auf den Bericht des Bundespolizeipräsidenten heute Morgen im Innenausschuss möchte ich einen Punkt erwähnen, der hier noch nicht angesprochen worden ist. Die Polizistinnen und Polizisten, die in dieser Nacht ihren Kopf hingehalten haben, hatten keinen einfachen Job. An dem Verhalten der Bundespolizei gibt es jedenfalls nichts zu kritisieren. Ich danke allen Polizistinnen und Polizisten für ihre Arbeit vor Ort in dieser Nacht. Sie verdienen unseren Respekt und unsere Dankbarkeit.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Ob Lageeinschätzung und Einsatzleitung der Landespolizei in Ordnung waren, ist nicht mein Thema. Das mag der Landtag von Nordrhein-Westfalen untersuchen, und das wird er tun. Nicht den Polizistinnen und Polizisten in der Silvesternacht ist ein Vorwurf zu machen. Aber, meine Damen und Herren, dem Polizisten, der am 1. Januar in der warmen Amtsstube eine Pressemitteilung geschrieben hat, in der von einem friedlichen Abend und einer entspannten Einsatzlage die Rede war, ist wohl ein Vorwurf zu machen.
Herr Kollege, achten Sie bitte auf Ihre Redezeit.
Ich komme sofort zum Ende, Herr Präsident. – Diese Pressemitteilung ist nicht am 1. Januar korrigiert worden, auch nicht am 2. oder am 3. Januar, sondern diese Meldung ist tagelang im Raum stehen geblieben. Dieser Versuch des Vertuschens und des Täuschens der Öffentlichkeit hat die Glaubwürdigkeit der staatlichen Organe und der Politik erschüttert und sie aufs Spiel gesetzt. Das ist der eigentliche politische Skandal in dieser Angelegenheit.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Wir werden in der Großen Koalition alles dafür tun, verlorengegangenes Vertrauen in unseren Rechtsstaat wiederherzustellen. Dafür arbeiten wir. Ich lade Sie ein, daran mitzuwirken.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Für die SPD-Fraktion erhält nun die Kollegin Eva Högl das Wort.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/6415564 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 148 |
Tagesordnungspunkt | Vereinbarte Debatte zu den Ereignissen in Köln und anderen Großstädten in der Silvesternacht |