Niels AnnenSPD - Aktuelle Stunde Lage im Nahen und Mittleren Osten
Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Auch wir sind natürlich heute in dieser Stunde in Gedanken bei den Opfern des schrecklichen Anschlags in der Türkei. Ich glaube, man kann an dieser Stelle daran erinnern, dass auch die hier vielkritisierte Türkei – übrigens ist sie von dieser Stelle auch von mir manchmal kritisiert worden – mehrfach Opfer von Terroranschlägen geworden ist. Deswegen, finde ich, sollten wir gerade in einer Zeit der Trauer etwas auf unsere Rhetorik in dieser Situation achten.
Ich jedenfalls bin der Meinung, dass wir uns doch unabhängig davon, was sich noch an Erkenntnissen ergibt, darin bestätigt fühlen können, dass sich Deutschland an den internationalen Bemühungen zur Bekämpfung des Terrorismus beteiligt, als Teil der Anti-IS-Koalition – die militärische Beteiligung ist ein Teil dieser Bemühungen –, aber vor allem politisch. Das steht doch im Mittelpunkt der Bemühungen und, ich hoffe, auch im Mittelpunkt dieser Debatte. Der Anschlag zeigt, dass es nicht nur wichtig ist, dass wir die Kontakte zu unseren Freunden aufrechterhalten, sondern dass es auch wichtig ist, dass wir die Gesprächsfähigkeit in einer solchen Situation bewahren und sogar verbessern, lieber Kollege Nouripour.
Ich möchte an dieser Stelle schon einmal klarstellen, was die Politik der Bundesregierung und des Außenministers in den letzten zwei Jahren gewesen ist. Es war eine mühevolle Arbeit, die Kontrahenten in Wien an einen Tisch zu bekommen. Der Kernkonflikt in Syrien strahlt aus bis hin zu uns in unsere Kommunen, in die Gemeinden, in die Wahlkreise. In der Diskussion über die Situation der Flüchtlinge ist es zentral gewesen, dass nicht nur die USA und Russland – deren erneute hochrangige Gesprächsbereitschaft übrigens dazu beigetragen hat, dass wir in Wien vorangekommen sind – an einen Tisch gekommen sind, sondern eben auch die beiden regionalen Antagonisten: der Iran und Saudi-Arabien.
Wenn ich mir die Pressemeldungen der letzten Tage anschaue – ich will das hier nicht zu pauschal sagen –, dann stelle ich fest, dass es vor allem aus den Reihen der Grünen, aber leider auch von einigen Kolleginnen und Kollegen der Union schon so etwas wie eine mediale schwarz-grüne Empörungskoalition gegeben hat. Das hat der deutschen Außenpolitik geschadet. Es hat der deutschen Außenpolitik nicht wegen der Kritik an Saudi-Arabien geschadet; diese Kritik teile ich. Herr Nouripour, ich kann es Ihnen ja vorlesen. Sie haben gesagt, dass der Außenminister seine Reise zum Dschanadrija-Festival absagen soll. Dies geschah in einem Kontext, in dem natürlich konkret unterstellt wurde, dass es quasi eine moralisch verwerfliche Reise wäre, die dorthin unternommen werden soll.
Ich sage Ihnen: Das Gegenteil ist der Fall. Mit der Teilnahme an diesem Festival wird die Anerkennung der Reformpolitik des verstorbenen Königs zum Ausdruck gebracht.
(Roderich Kiesewetter [CDU/CSU]: Richtig! Sehr richtig!)
Es gab vorsichtige, langsame, ich würde sogar sagen: zu langsame Schritte, dieses Land in die Moderne zu führen. Es gibt keinerlei kulturelle Veranstaltungen in diesem Land außer diesem großen kulturellen Ereignis, und bei diesem Ereignis präsentiert sich unser Land mit einem Pavillon. Ein Kernteil der dortigen Ausstellung dreht sich übrigens um die Arbeit in diesem Haus, um unsere demokratische Kultur. Die soll ein Außenminister nicht besuchen dürfen? Ja, wo leben wir denn, meine Damen und Herren?
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Ich finde, wir müssen doch in dieser Situation selbstbewusst für unsere eigenen Werte einstehen.
Wir reden in dieser Situation ständig über Saudi-Arabien und zu Recht – ich wiederhole das – über die skandalösen Exekutionen und die politische Provokation der Hinrichtung eines schiitischen Predigers. Natürlich musste die Führung in Saudi-Arabien genau wissen, was das auslöst. Deswegen ist es von uns auch gemeinsam – darüber bin ich froh – zu Recht kritisiert worden. Aber wir fahren doch nicht nach Saudi-Arabien, weil wir uns denen so freundschaftlich verbunden fühlen,
(Zuruf von der LINKEN: Warum denn sonst?)
sondern deshalb, weil wir sie in dieser katastrophalen Situation als einen der regionalen Akteure brauchen,
(Volker Kauder [CDU/CSU]: Das stimmt! Genau!)
ohne die der Konflikt nicht zu lösen ist.
Das gilt übrigens auch für den Iran. Dort sind im letzten Jahr Hunderte von Menschen hingerichtet worden, ohne dass es dieselbe mediale Empörungslogik hier gegeben hätte. Da muss man sich schon ein bisschen fragen: Ist das, was Sie hier gesagt haben, Herr Nouripour, eigentlich ein Beitrag dazu – ich freue mich darüber, dass Sie die Arbeit unseres Außenministers unterstützen wollen –, oder ist es eher ein Beitrag zur Selbstprofilierung? Ich kann Ihnen sagen: Wenn Sie sich den Mühen der Ebene entziehen wollen, machen Sie das! Wir werden uns den Mühen der Ebene nicht entziehen. Deswegen, glaube ich, ist der Außenminister nicht nur mit seiner Politik auf dem richtigen Weg, sondern auch seine Reiseziele sind gut und wohlabgewogen ausgewählt.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Vielen Dank. – Nächste Rednerin ist Heike Hänsel, Fraktion Die Linke.
(Beifall bei der LINKEN – Volker Kauder [CDU/CSU]: Aber jetzt geht es rund! – Roderich Kiesewetter [CDU/CSU]: Sie hat den Außenminister nicht gehört! Sie kann nicht die Wahrheit sagen!)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/6416217 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 148 |
Tagesordnungspunkt | Aktuelle Stunde Lage im Nahen und Mittleren Osten |