Roderich KiesewetterCDU/CSU - Aktuelle Stunde Lage im Nahen und Mittleren Osten
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Bis eben war unsere Debatte von Besonnenheit und Weitsicht geprägt. Wir sollten auch angesichts der Anschläge, zuletzt gestern fürchterlich in Istanbul, unseren Weg der Besonnenheit sowie der strategischen Geduld und Weitsicht beharrlich fortsetzen.
Ich möchte das hier ganz bewusst so deutlich ansprechen. Unser Außenminister hat es klar gesagt; Niels Annen und Franz Josef Jung haben es aufgegriffen. Dann ist es bedauerlich, wenn eine Rednerin der Opposition nicht einmal den Willen aufbringt, den Außenminister anzuhören, sondern später kommt. Sie hätten Ihre Rede umschreiben müssen, liebe Frau Kollegin.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD – Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Das war billig!)
Wenn wir angesichts dieser Anschläge zur Besonnenheit mahnen, auch in unserem innenpolitischen Erleben, dann müssen wir uns Gedanken machen, wie die Entwicklungslinien über die letzten Jahrzehnte, aber auch über die letzten Jahrhunderte zu diesen Verhärtungen geführt haben.
Deswegen ist es gut, dass sich unsere Bundesregierung in den letzten Jahren zu einem ehrlichen Makler, zu einem Honest Broker im internationalen Umfeld entwickelt hat. Wir verhandeln und geben Anstöße. Unser Außenminister hat den Prozess in Wien vorangebracht. Ganz aktuell war der Innenminister heute in Istanbul. Diese Woche ist der Kanzleramtsminister in Ankara aktiv gewesen.
Wir müssen den Dialog fortsetzen. Ich möchte die Bundesregierung ermutigen, diesen Weg der Diplomatie fortzusetzen und mit beiden Seiten in diesen Konfliktlinien zu sprechen.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, es sind natürlich ungeheuer viele Vernetzungen und Herausforderungen. Wir brauchen nur drei anzusprechen: die Bekämpfung des internationalen Terrorismus, insbesondere des islamistischen Terrorismus, die Fluchtursachen, die nicht nur mit dem Terrorismus zu tun haben, sowie – zurzeit in den Hintergrund geraten, aber dennoch alles überlagernd – das Existenzrecht Israels und die Auseinandersetzung mit den Palästinensern.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die sehr ausführlich Kritik hinsichtlich einer möglichen Reise unseres Außenministers äußern: Hätten wir die Bemühungen mit dem Iran hinsichtlich des Nuklearabkommens eingestellt, weil im Iran ein Mehrfaches an Hinrichtungen stattfindet wie in Saudi-Arabien, wären wir nicht zu dem Nuklearabkommen gekommen.
(Volker Kauder [CDU/CSU]: So ist es!)
Das dürfen wir nie vergessen. So schwer es akut fällt, auch aus der Reaktion heraus, jegliche Kontakte mit Saudi-Arabien abzulehnen,
(Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Das hat doch keiner gefordert!)
umso wichtiger ist es doch, den Saudis vor Augen zu führen, dass wir an sie als Stabilitätsfaktor in der Region andere Erwartungen haben.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)
Das können wir nicht vom grünen Tisch aus und nur in begrenztem Maße vielleicht von diesem Pult aus tun. Niels Annen und Franz Josef Jung haben es angesprochen: Entscheidend ist doch, dass wir Akzente setzen. Gerade das angesprochene Fest ist ein Erbe des verstorbenen Königs, der langsam versucht hat, dieses Land zu öffnen und Frauen Wahlen zu ermöglichen. Wenn wir dort Akzente setzen, setzen wir die richtigen Akzente.
Zum Verhältnis innerhalb Syriens und des Iraks: Wir engagieren uns dort sehr stark. Wir dürfen aber nicht vergessen, dass hier – Omid Nouripour hat es angesprochen – aus der Historie heraus religiöse Überlagerungen stattfinden. Deshalb ist es so wichtig, dass wir versuchen, die drei Linien, die ich ansprach, zu verknüpfen. Wenn der Iran versucht, aus dem Abkommen von Wien Kapital zu schlagen – Rohani sagt, Israel glaube, 25 Jahre lang Ruhe zu haben, und in 25 Jahren werde Israel, so sinngemäß, nicht mehr existieren –, so müssen wir gerade deshalb deutlich darauf aufmerksam machen, dass für uns das Existenzrecht Israels unabdingbar ist. Wir müssen den Iran in all seinem Handeln stets daran festmachen. Das dürfen wir nicht vergessen.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)
Das bedeutet also: nicht einseitig einzelne Staaten verurteilen, sondern unsere Interessen generell deutlich machen.
Das führt mich zu meinem letzten Punkt. Wenn ich von Besonnenheit und strategischer Weitsicht spreche, meine ich, dass wir – das haben wir in den letzten zwei Jahren massiv erlebt, und darauf müssen wir uns einstellen – in der Gleichzeitigkeit von Krisen das Unerwartete, das Ungeplante, das Unwahrscheinliche stärker annehmen müssen als bisher und versuchen müssen, es zu bewältigen. Das geht vorrangig mit Mitteln der Diplomatie. Das bedeutet, dass wir Deutsche in Europa mit dazu beitragen müssen, dass die Europäische Union insgesamt als Partner der Staaten im Nahen und Mittleren Osten wahrgenommen wird, nicht nur als Technologiepartner – das unqualifizierte Beispiel von Whirlpools wurde vorhin angesprochen –, sondern als Partner in der Transformation, als Partner für den Aufbau zivilgesellschaftlicher, breiterer Strukturen, aber auch als Technologiepartner und Mahner in bestimmten Bereichen. Ich weiß, dass wir da den einen oder anderen Bereich überdenken müssen. Das hindert uns aber nicht daran, zu überlegen, wer, wenn wir uns aus der Region zurückzögen, dort aktiv würde. Ich glaube, wir haben kein Interesse daran, dass Russland und China die wesentlichen Ansprechpartner dieser Region werden. Wir müssen Ansprechpartner bleiben und diese Position ausbauen. Deshalb jegliche Unterstützung in dieser Richtung für unsere Bundesregierung!
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)
Vielen Dank. – Nächste Rednerin ist Dr. Franziska Brantner, Bündnis 90/Die Grünen.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/6416235 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 148 |
Tagesordnungspunkt | Aktuelle Stunde Lage im Nahen und Mittleren Osten |